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"Vorverlagerung des Strafrechtsschutzes"

Die GroKo beschloss am Mittwoch im Rechtsausschuss – begleitet von bemerkenswert medialer Unaufmerksamkeit – einen Gesetzentwurf der Bundesregierung [16/12428], der die „Vorbereitung schwerer, staatsgefährdender Gewalttaten“ betrifft. Künftig wird derjenige mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren bestraft, der

  • eine andere Person unterweist oder sich unterweisen lässt in Fertigkeiten, die der Begehung einer staatsgefährdenden Gewalttat dienen.Stichwort: Terrorcamps. [Abs. 2 Nr. 1],
  • Waffen, gesundheitsschädlichen Stoffe, zur Ausführung der Tat erforderlichen besonderen Vorrichtungen, die der Begehung einer staatsgefährdenden Gewalttat dienen herstellt, sich oder einem anderen verschafft, verwahrt oder einem anderen überlässt [Abs. 2 Nr. 2],
  • Gegenstände oder Stoffe sich verschafft oder verwahrt, die für die Herstellung von Waffen, Stoffen oder Vorrichtungen zur Begehung einer staatsgefährdenden Gewalttat wesentlich sind [Abs. 2 Nr. 3],
  • für die Begehung einer staatsgefährdenden Gewalttat nicht unerhebliche Vermögenswerte sammelt, entgegennimmt oder zur Verfügung stellt [Abs. 2 Nr. 4].

In der Begründung der Gesetzesvorlage wird in aller Deutlichkeit gesagt, dass bisher der Staatsapparat erst eingreifen konnte, wenn sich eine solche Straftat bereits deutlich in der Ausübung befand. Die Verschärfung soll künftig ein „möglichst frühzeitiges Eingreifen“ legalisieren – eine „Vorverlagerung des Strafrechtsschutzes“ wie es das Amtsdeutsch so schön formuliert.

Außerdem legalisiert dieses Gesetz eine Fülle weiterer Befugnisse: Bei „Verdacht auf die Vorbereitung staatsgefährdender Gewalttaten“ sollen beispielsweise Telefonate und private Gespräche [Stichwort: Wohraumüberwachung] belauscht werden dürfen, neben dem BKA können weitere Behörden eingeschaltet werden, wie z.B. das Zollkriminalamt oder die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht etc.

Das ist so ein Gesetz, bei dem ich zwiespältig bin: „Verdacht auf…“ das ist ein dehnbarer Bereich, in dem nicht – wie bisher –  Versuch/Tat [Mordversuch/Mord]  gesetzlich geahndet wird, sondern bereits der „Kauf eines Messers“ – überspitzt formuliert. Und den Käufer ab dem Kauf bei „Verdacht auf…“ überwachen darf.

5 Kommentare zu „"Vorverlagerung des Strafrechtsschutzes"“

  • Sir Toby:

    Es ist natürlich zunächst einmal naheliegend, dass sich selbst bei der Bundesregierung mittlerweile die Einsicht durchgesetzt haben könnte, dass der Besuch von Terrorcamps nicht zwangsweise einer Bildungsreise von Dr. Tigges gleichzusetzen ist, sondern schon auch etwas mit der Absicht zu tun haben könnte, Techniken zu erlernen mit denen man Terror ausüben kann.

    Allerdings gibt ein solches Gesetz natürlich auch die Möglichkeit, für ganz  andere Fälle gerüstet zu sein. Beispielsweise habe ich gerade ein Dossier von Prof. Dr. Bernd Thomas Ramb gelesen (Vor der nächsten Währungsreform), in dem es auf Seite 70/71 heißt:

    Dazu werden zunächst die sich aus der Bevölkerungsentwicklung ergebenden Versorgungslasten (vgl. Kap. 2.4.) in einem gemischten Szenarium bezüglich des Renteneintrittsalters und den beiden Kenngrößen Altenquote und Versorgungsquote zu einem Faktor verbunden. Der zweite Faktor resultiert aus einer Systemwiderstandskomponente, die der Belastung der künftigen Staatshaushalte aus dem steigenden Schuldenberg entspricht. In ihrer multiplikativen Verknüpfung bilden die beiden Faktoren ein zwischen heute und dem Jahr 2050 kontinuierlich steigendes Wahrscheinlichkeitspotential einer Währungsreform (Abb. 15) (kann ich nicht darstellen)

    Die so errechnete Eintrittswahrscheinlichkeit beginnt im Jahr 2010 mit einem Wert von 25 Prozent. Sie steigt bis 2020 auf 66,5 Prozent und bis 2030 auf knapp 90 Prozent. Danach flacht die Kurve ab und erreicht bis 2040 einen Wert von 95 Prozent. Die größte Steigung zeigt die Eintrittswahrscheinlichkeit zwischen den Jahren 2010 und 2020. In diesem Zeitraum ist mit der größten relativen Wahrscheinlichkeit mit einer Währungsreform zu rechnen.

    Im Jahr 2016 wird rechnerisch die 50-Prozent-Grenze überschritten. Dieses Jahr als das genaue Eintrittsjahr der Währungsreform festzulegen wäre jedoch vermessen. Eine genaue Fixierung ist genauso wenig möglich, wie die sichere Angabe eines Vier-Jahres-Zeitraums, etwa die Regierungsperiode von 2013 ibs 2017. Allerdings spricht für diesen Zeitraum ein zusätzliches politisches Argument: Dann dürfte ein Mißerfog der Agenda 2010 (das Dossier muß um 2005 herum geschrieben sein – von da stammen jedenfalls die letzten Zahlen) deutlich erkennbar und spürbar sein.

    Für eine gewisse Unsicherheit der zeitlichen Prognose spricht, daß sich die Kurve der Eintrittswahrscheinlichkeit zeitlich nach vorne verschiebt, je mehr Menschen sich dieser Gefahr bewußt werden und entsprechende Vorsorgemaßnahmen ergreifen. Damit beschleunigen sich die Umstände, die die Währungsreform auslösen. Eine besondere Überlegung ist daher auf die Verhaltensmaßnahmen der Bürger zu richten, die sich auf die Währungsreform vorbereiten.

    Wie gesagt, das Dossier muß so um 2005 herum geschrieben worden sein (konnte kein Druckdatum finden); durch die enorme Neuverschuldung durch die Finanz- bzw. Systemkrise (wir liegen bei der Gesamtverschuldung mittlerweile wohl über der 2-Billionen-Grenze) würde sich der Zeitpunkt der Eintrittswahrscheinlichkeit der Währungsreform wohl nochmal nach vorne verlagern. Die Verabschiedung des obigen Gesetzes muß nicht zwingend mit dem Plan einer Währungsreform in Verbindung stehen – aber das Vorhandensein des Gesetzes käme bei einer solchen wohl schon recht gelegen.

  • Sir Toby:

    Hab gerade diese Kommentarbearbeitungsfunktion genutzt und hat auch funktioniert; leider ist mir aber der kursiv gesetzte zitierte Text aus dem Dossier wieder in normale Schrift umgestellt worden. Hoffe, es ist den Lesern trotzdem erkennbar, wo das Zitat endet. Sorry.

  • Sir Toby:

    Upps … jetzt ist der kursive Text wieder da!? Muß wohl doch noch ein bischen üben … mit dieser Bearbeitungsfunktion.

  • @ Sir Toby

    Das ist des Pudels Kern. Solche Gesetze, sind sie erst einmal implementiert, können für alle möglichen „Verdächte“ angewendet werden, die die [von staatlicher Seite definierte] „Vorbereitung schwerer, staatsgefährdender Gewalttaten“ erfüllen.

    Wer glaubt, das bezöge sich ausschließlich auf  islamistischen Terrorismus [oder im Falle des Meckpomgesetz auf die NPD, im Fall von Internetsperren ausschließlich auf Kinderpornografie usw.] ist ein wenig blauäugig.

    Man muss nicht paranoid sein, um das zu befürchten – die Erfahrung mit Gesetzen aus der Vergangenheit beweist, dass früher oder später unweigerlich eine Ausdehnung auf andere Bereiche stattfindet.

  • NurEinGast:

    Die Forumulierung Terrorcamps lässt manigfaltige Auslegungen zu. Terrorcamp ist kein juristisch geklärter Begriff. Weder ist definiert um welche Ausbildungsinhalte es sich konkret handelt, noch in welchem Land/Region oder unter welchen anderen Umständen diese erworben wurden. Es wird immer nur diese ominös Forumulierung verwendet die einem zwar an bärtige Islamisten in staubigen Sand und mit einer AK74 in der Hand denken lässt (so wird Thema auch von den Medien optisch illustriert), letzendlich bleibt aber völlig offen was gemeint ist.

    So wie ich den Text verstehe muss bei Beginn der Ausbildung die Absicht bestanden haben den/einen Staat zu gefährden. Geht jemand zwecks militäischer Ausbildung nach Afgahnistan ist das in den Augen der Politik gegeben, leistet ein sog. Deutschtürke seinen Wehrdienst in der Heimat ab, wohl nicht.

    Wie breit ist also dieser Korridor?

    Militärische Grundtaktiken sind ohnehin immer die gleichen, egal ob diese am Hindukusch oder sonstwo erworben werden. Eine Unterscheidung durch Ausbildungsinhalt ist also relativ sinnlos.

    Man braucht also nicht viel Phantasie um die Ableistung des Wehrdienstes, eagl in welchem Land (selbst das eigene ist nicht ausgenommen), als eine solche Ausbildung anzusehen. Einscheidend scheint daher alleine die Gesinnung zu sein. Der Wehrdienstleistende mit staatskritischer Einstellung könnte schon ins Raster fallen.

    Es erscheint mir zunehmend so dass die Regierung sich auf wilde Zeiten vorbereitet. Menschen mit militärischen Kenntnissen inner- oder ausserhalb staatl. Strukturen dürften die ersten pot. Betroffenen sein. Sie wären wohl auch die pot. Gefährlichsten in Sachen staatsgefährdender Gewalttaten, auch Revolution, genannt, so zeigt es zumindest die Vergangenheit, wenngleich auch nicht unbedingt die deutsche.

    Ich bin keiner dieser „…der Bürgerkrieg kommt bald“-Anhänger. Scheinbar gibt es aber nicht wenige in der Politik die hier anderer Auffassung sind. Bundeswehr im Inneren, x-te Verschärfung des Waffenrechts (auch Messer) in kurzer Folge, zunehmende Überwachung auf allen Ebenen (Vorratsdatenspeicherung bei Telefon & Handy (mit Standort) und Internet , Kennzeichenerfassung mit Mautbrücken und mobil, Überwachung des öffentlichen Raums mit Kameras, Tracking mit Chipkarten/Handy-Fahrscheinen von Nutzern des ÖPNV, Rasterfahung, verdachtsunabhängige Kontrollen). Auch in Sachen des sog. Cyber-War hat man bereits vorgesorgt, durch den sog. Hackertool Paragraphen steht jeder Netzwerkadministrator bereits heute mit einem Bein im Knast. In diesem Punkt weigert sich die Justiz beharrlich rechtliche Klarheit zu schaffen [1].

    Es erscheint mir mehr als fraglich ob islamischen Terroristen, die schliesslich das Feigenblatt für dieses Gesetz darstellen, hierzulande davon betroffen sein werden. Jedes Mitglied der Fatah/Hamas/etc. in diesem Land dürfte eine ähnliche Ausbildung durchlaufen haben und wäre damit, nüchtern betrachtet, ein pot. Terrorist – ist es doch das erklärte Ziel dieser Organisationen die Beseitung des befreundetetn Staates Israel.

    Da erscheint vielleicht der Verbotsversuch von Paintball in einem ganz anderen Licht. Auch dieses könnte durchaus noch in den Geltungsbereich dieser Gesetzgebung fallen, zumindest wenn es die falschen spielen. Da würden sich Hr. Schäuble und Herr Wiefelspütz wohl mal die Hand reichen können.

    [1] http://www.heise.de/ix/Hacker-Paragraf-Verfahren-gegen-iX-Chefredakteur-eingestellt–/news/meldung/134306

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