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Angst vor Rosenholz

Die FDP hat den Antrag gestellt, alle Abgeordneten des Bundestages auf ihre Verbindung zur früheren DDR-Staatssicherheit hin zu überprüfen. Doch der Vorstoß droht zu scheitern, da sich Union und SPD dagegen stellen. Die FDP begründet den Antrag mit der geheimen Stasi-Tätigkeit des Westberliner Polizisten Karl-Heinz Kurras.

Soweit die heutige Nachricht des Springerblatts Weltonline. [Dank an Klaus für den Hinweis]

Die Ablehnung der GroKo kann nicht ernsthaft übrraschen, denn 2007 gab es diese Debatte schon einmal und Auslöser war die so genannte Rosenholzdatei. Rosenholz – das war der Deckname für eine der explosivsten Hinterlassenschaften der DDR-Staatssicherheit: Personenkarteien des DDR-Auslandsgeheimdienst HV A, eine Computer-Datei mit 30 000 Namen von geheimen Stasi-Spionen.

Eigentlich sollte sie vernichtet werden, doch zumindest eine Kopie überlebte die Schredder-Aktion der Wendezeit in der Stasi-Zentrale in Lichtenberg. Angeblich über einen geldgierigen KGB-Agenten kam der CIA in den Besitz der brisanten Namenslisten – für 75 000 Dollar soll der Agent die Mikrofilme übergeben haben. Nach einigem hin und her gaben die USA dann die Datenträger 2003 endgültig an die BRD zurück: Das größte Aufsehen erregte die Zahl von 43 Ex-Abgeordneten, deren Namen sich in „Rosenholz“ finden, darunter z.b. Williy Brandt, Herbert Wehner und Strauß.

Das heißt nicht, dass sie IM waren, wahrscheinlicher ist – der Fall Brandt/Guillaume zeigte das ja auch – dass sie ‚abgeschöpft‘ worden waren. Bei fünf der Abgeordneten dagegen – William Borm [FDP], Gerhard Flämig [SPD], Julius Steiner [CDU], Leo Wagner [CSU] und Karl Wienand [SPD] – war deren Verstrickung mit der Stasi bereits hinlänglich bekannt.

Marianne Birthler regte dann Ende 2006 an, der Bundestag möge einen förmlichen Forschungsauftrag vergeben, um die Verstrickungen früherer Bundestagsabgeordneter mit der Stasi zu untersuchen. Norbert Lammert [CDU] versprach, diesen Vorschlag dem Bundestag zur Abstimmung zu stellen – als Hubertus Knabe später nachfragte, wie es denn nun stünde, bekam er zur Antwort, die GroKo habe sich dagegen entschieden.

Norbert Röttgen und sein Kollege von der SPD, Olaf Scholz, begründeten die Ablehnung in einem dreiseitigen Brief an Hubertus Knabe. Kernsatz: Man habe „erhebliche Zweifel, ob es gelingen würde, in der Öffentlichkeit klar zwischen Tätern und Opfern des DDR-Systems zu unterscheiden, insofern  sehe er „durchaus eine Schutzpflicht des Parlaments gegenüber seinen [früheren] Mitgliedern“,

Klartext: Eine gründliche Untersuchung der versuchten Einflussnahme der Stasi auf den Bundestag – und nicht nur auf das Misstrauensvotum am 27. April 1972 – lehnte die GroKo bereits 2007 ab.

Da werde sie im Superwahljahr garantiert nicht damit beginnen. Vermutlich nie.

[1] Hubertus Knabe: Die Akte Rosenholz pdf-datei
[2] Februar 2007: Große Koalition gegen Stasi-Überprüfung aller Abgeordneten von 1949 bis 1990
[3] Lieber nichts wissen

6 Kommentare zu „Angst vor Rosenholz“

  • karl-friedrich:

    Mich wundert das nicht, das CDU und SPD dagegen sind, wo werden wohl die meisten Spitzel und Gehilfen der SED abgetaucht sein?

  • Anna Luehse:

    JF am 26.01.2001 unter dem Titel „Sylvia Bonitz – Herz am rechten Fleck“

    (…) Große Aufmerksamkeit erhielt Bonitz für ihren Vorstoß zu der von der CIA geraubten sogenannten Rosenholzdatei, der Klarnamendatei der MfS-Außenspionage. „Bevor die etwa 30.000 Stasi-Spitzel im Westen die Sektkorken knallen lassen“, wollte Bonitz handeln. Der Bundesregierung warf Bonitz vor, sie wolle nicht, „daß bestimmte Dinge für die Öffentlichkeit transparent werden“ – etwa, wie viele Westpolitiker mit der Stasi zusammenarbeiteten. Der SPD-Abgeordneten Kastner ist beizupflichten. „Du lieber Gott!“ Wenn die Bonitz mal was wird. (…)

    http://www.jungefreiheit.de/Single-News-Display.525+M566072b62e3.0.html

  • Sir Toby:

    Mich wundert nichts mehr. Am Ende kommt heraus, dass der Sitz der HVA nicht in der … wo waren die doch gleich? … Normannenstraße? war, sondern …. im Deutschen Bundestag. Das kann man alles nur noch lachend ertragen.

  • frank:

    Man habe “erhebliche Zweifel, ob es gelingen würde, in der Öffentlichkeit klar zwischen Tätern und Opfern des DDR-Systems zu unterscheiden, insofern  sehe er “durchaus eine Schutzpflicht des Parlaments gegenüber seinen [früheren] Mitgliedern“
    Ja, diese Zweifel sind berechtigt, besonders jetzt, da die Aufklärung der schmutzigen Stasivergangenheit vom demokratisch gewählten BRD-Parlament verhindert wird. Offensichtlich gibt es eine Menge zu vertuschen und das Misstrauen des Volkes gegen die Berufspolitiker wächst weiter. Mich erinnert das an einen Satz aus einem Hollywoodfilm: „Sie wollen die Wahrheit? Sie können die Wahrheit doch gar nicht ertragen!“

  • Anna Luehse:

    (… ) DEBKA-Net-Weekly hat von seinen nachrichtendienstlichen Quellen die Antwort abgefragt. In der Zeitspanne von Shavits Dienstzeit hatte Marc Rich, damals schon auf der Flucht, verdeckte Verbindungen zum legendären ostdeutschen Meisterspion Markus Wolf, Chef der HVA entwickelt. Zu jener Zeit wurde berichtet, dass das umfangreiche Archiv, in dem die Operationen des ostdeutschen Geheimdienstes STASI während des Kalten Krieges erfasst gewesen war, 1989 von Berlin nach Moskau ausgeschleust worden sei, noch bevor die Berliner Mauer gefallen sei; und es wurde allgemein angenommen, dass die CIA sie dort in einer Operation, die als ROSEWOOD bekannt wurde, erworben habe. Das war die Story. Was jedoch tatsächlich geschehen, war, dass Rich den Kontakt zwischen Wolf und dem israelischen Mossad herstellte. Israel hat immer behauptet, der notorische „Mischa“ Wolf habe um Asyl gebeten und sei abgelehnt worden. Im selben Jahr hatte Rich arrangiert, dass Wolf etwa 800.000 der geheimsten Stasi-Akten im Zuge von zwei geheim gehaltenen Israel-Besuchen brachte. Unter allen die wichtigste war diejenige Akte, die den Codeschlüssel enthielt, mit dem die Namen der Spione entziffert werden konnte, die in den erwähnten Archiven enthalten waren. Diese Akten – samt Code – wurden von Tel Aviv nach Washington weiter gereicht; die Folge war, dass die CIA in die Lage kam, 300.000 Agenten und Doppelagenten rundum die Erde zu identifizieren, die von der früheren DDR und den Sowjetblockländern eingesetzt wurden. Die Deutschen blieben im Besitz der gesamten Stasi-Archiven, aber sie gewannen nie Zugang zu dem Codeschlüssel. Die Ablehnung der CIA, den ihnen zu zeigen ist eine dauerhafte Reibungsquelle zwischen Washington und Berlin. Marc Rich behauptet, er habe eine Begnadigung des Präsidenten verdient, angesichts der großen Verdienste die er durch seine Tätigkeit für die amerikanischen und israelischen Geheimdiensten erworben habe.
    Ivan Denes/Berliner Brief/ Nr. 59 – Mai 2001

  • gast:

    Sackweise hatten amerikanische Spione in den Wirren der untergehenden DDR 1989 Stasi-Akten aus dem Land gebracht – und sich jahrelang geweigert, sie zurückzugeben. Die in Frage stehenden Stasi-Akten hatten amerikanische Spione unter noch ungeklärten Umständen in der „Operation Rosewood“ (Operation Rosenholz) an sich gebracht. Dabei erbeuteten sie auch eine Personenkartei der Stasi sowie eine operative Kartei der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA).

    Bonn hatte jahrelang vergeblich versucht, an die Unterlagen heranzukommen – doch die US-Regierung blockte immer ab oder genehmigte nur teilweise Einblicke.

    Spiegel  1999
    http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,29064,00.html

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