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Das Märchen von der hexenjagenden Inquisition

Da ich mich über die Inquisition abseits des Mainstreams [böse römisch-katholische Kirche, deren Potentaten im Mittelalter Frauen als Hexen verfolgten, brandmarkten, folterten und töteten]  informieren wollte, habe ich ein wenig herumgestöbert und auch Forist virOblationis angemailt, mit der Bitte, mir entsprechendes Lesefutter zu nennen. Ich stelle hierzu einen Artikel ein, am Ende des Beitrages sind weitere Links zum Thema Inquisition. An der Stelle noch einmal herzlichen Dank an virOblationis für seine Mühe.

Autorin dieses Artikels, wie auch der unten verlinkten, ist Jenny Gibbons – sie studierte Mittelalterliche Geschichte und ist Anhängerin eines modernen Hexenkultes.

Das Märchen von der hexenjagenden Inquisition [Jenny Gibons in Kreuz.net, 4.12.2006 ]

Der Mythos von der hexenjagenden Inquisition beruhte auf verschiedenen Vermutungen und Fehlern, die in den letzten 25 Jahren alle widerlegt wurden.  Aber was ist mit der Inquisition? Für viele sind die Begriffe „Inquisition“ und „Hexenverbrennung“ im wesentlichen synonym.

1. Dieser Mythos war die logische Schlußfolgerung der Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts, welche sich bemühte, die Hexenverfolgungen der Katholischen Kirche in die Schuhe zu schieben.

Wenn die Kirche Hexen verfolgt hat, dann muß die Inquisition der Hammer gewesen sein, den sie dabei geschwungen hat.

2. Ein häufiger Übersetzungsfehler verwirrte die Geister zusätzlich. Viele Unterlagen sprachen davon, daß eine Hexe „durch Inquisition“ verurteilt wurde. Viele Autoren nahmen an, daß dieser Ausdruck „die“ Inquisition bezeichnete. Und in einigen Fällen war es tatsächlich so.

Aber „Inquisition“ – auf Deutsch: Untersuchung – war auch der Name eines Gerichtsmodus, der zu jener Zeit von fast allen Gerichten in Europa verwendet wurde. Als Historiker die historischen Quellen später genauer untersuchten, stellte sich heraus, daß die Mehrheit der Fälle sich nicht auf die Inquisition, sondern einfach auf eine gerichtliche Untersuchung bezogen.

Heute sind die meisten Historiker in diesem Punkt sehr vorsichtig. Aber in älteren und divulgativen Texten – wie zum Beispiel in der „Enzyklopädie zu Hexerei und Dämonologie“ von Rossell Hope Robbins – tötet die Inquisition Hexen zu Zeiten und an Orten, wo es sie nicht einmal gab.

3. Das einzige Handbuch für die Hexenjagd, der ‘Malleus Maleficarum’ – Hexenhammer –, das die meisten Leute kennen, wurde von einem Inquisitor geschrieben. In den 1970er Jahren – als Feministen und neoheidnische Autoren ihre Aufmerksamkeit den Hexenprozessen zuwandten – war dieses Werk das einzige Handbuch, das in Übersetzung leicht zur Hand war. Autoren gingen naiverweise davon aus, daß das Buch ein zuverlässiges Bild davon zeichnete, wie die Inquisition Hexen verurteilte.

Heinrich Kramer – der übergeschnappte Autor des Textes – wurde als typischer Inquisitor hingestellt. Seine ziemlich wunderliche Sexbesessenheit wurde als die „offizielle“ Position der Kirche zur Hexerei hingestellt. Doch in Wahrheit lehnte die Inquisition die von Kramer empfohlenen rechtlichen Vorgangsweisen sofort ab und zensurierte den Inquisitor nur wenige Jahre nach der Veröffentlichung des Hexenhammers.

Weltliche Gerichte – nicht die Gerichte der Inquisition – nahmen Zuflucht zum „Hexenhammer“.

Nachdem Historiker im Laufe der Forschung mehr und mehr auf das sprachliche Mißverständnis des Ausdrucks „Inquisition“ aufmerksam geworden waren, wurden inquisitorische Hexenjäger bald seltene Vögel. Die von Lamothe-Langon angeführten Prozesse wurden schließlich als letzte Beweise dafür vorgebracht. Nachdem sie als Fälschungen entlarvt worden waren, erfolgte eine wissenschaftliche Neubeurteilung der Rolle der Inquisition während der Hexenverbrennungen. Das Ergebnis war ziemlich überraschend.

Im Jahr 1258 lehnte es Papst Alexander IV. ausdrücklich ab, der Inquisition zu erlauben, Vorwürfe der Hexerei zu untersuchen:

„Die Inquisitoren, die beauftragt sind, Häresien zu überprüfen, dürfen sich nicht in Untersuchungen von Zukunftsvorhersagen oder Hexerei einmischen, sofern ihnen nicht bekannt ist, daß sie mit offensichtlicher Häresie verbunden sind.“

Eine Glosse – Erklärung – dieser Aussage verdeutlicht, was mit „offensichtlicher Häresie“ gemeint ist: „Gebet vor Götzenaltaren, Darbringung von Opfern, Befragung von Dämonen, Vermittlung ihrer Antworten… oder wenn sich [die Hexen] öffentlich mit Häretikern verbinden.“ Mit anderen Worten, im 13. Jahrhundert betrachtete die Kirche die Hexen nicht als Häretiker oder Mitgliedereine rivalisierenden Religion.

Erst im Jahr 1326 – also fast hundert Jahre später – änderte die Kirche ihre Haltung und erlaubte der Inquisition, Fälle von Hexerei zu untersuchen. Aber die einzige bedeutende Beitrag, der daraus entstand, war die Entwicklung einer „Dämonologie“ – einer Theorie des teuflischen Ursprungs der Hexerei. John Tedeschi zeigt in seinem Aufsatz „Inquisitionsgesetzgebung und die Hexe“ – publiziert in „Frühe moderne europäische Hexerei“ von Bengt Ankarloo und Gustav Henningsen –, daß die Inquisition während der Hexenverfolgungen nach wie vor eine sehr kleine Rolle spielte.

Von 1326-1500 gab es nur sehr wenige Hinrichtungen

Nach Richard Kieckhefer – „Europäische Hexenprozesse“ – fanden von 1300 bis 1500 in ganz Europa 702 Exekutionen statt. Von diesen wurden nur 137 von kirchlichen Gerichten oder Gerichten der Inquisition ausgesprochen. In der Zeit, als Hexenprozesse üblich wurden – im frühen 16. Jahrhundert –, konzentrierte sich die Inquisition auf die Aufspürung von Proto-Protestanten. Als die Hexenprozesse im 16. und 17 Jahrhundert ihren Höhepunkt erreichten, war die Inquisition nur in zwei Ländern tätig: in Spanien und Italien.

In Spanien arbeitete die Inquisition eifrig, um Hexenprozesse auf ein Minimum zu reduzieren. Um das Jahr 1609 bewirkte ein Ausbruch von Hexenwahn im französischen Grenzgebiet auch eine Panik in den baskischen Regionen von Spanien. Gustav Henningsen – „Der Anwalt der Hexen“ – hat die Arbeit der Inquisition während dieses Vorfalls brilliant und im Detail dargestellt. Obwohl verschiedene Inquisitoren die Hexen-Anschuldigungen für glaubwürdig hielten, genügte ein einziger skeptischer Inquisitor um die Suprema – die Leitung der spanischen Inquisition – davon zu überzeugen, daß es sich um eine grundlose Hysterie handelte.

Die Suprema antwortete, indem sie ein „Schweigeedikt“ erließ, daß jede Rede über Hexerei verbot. Dazu erklärte der skeptische Inquisitor: „Es gab weder Hexen noch Verhexte, solange man darüber nicht zu reden und zu schreiben begann.“ Das Edikt verfehlte seine Wirkung nicht. Hexenwahn und Anklagen waren bald vom Tisch. Bis zum Ende der Großen Hexenjagd beharrte die Spanische Inquisition darauf, daß alleinige Recht zu besitzen, Hexen zu verurteilen – und sie weigerte sich, das zu tun.

Ein andere Hexenwahn brach im Jahr 1616 in Vizcaya aus

Als die Inquisition das Schweigeedikt erneuerte, setzten sich die weltlichen Behörden über die Inquisitoren hinweg und forderten vom König das Recht, die Hexen selber richten zu dürfen. Der König gewährte das Begehren und eilig wurden 289 Menschen verurteilt. Zum Glück gelang es der Inquisition, ihr Monopol über die Hexenprozesse schnell wieder zu erlangen, und alle Anklagen wurden fallengelassen. Nicht so glücklich waren die „Hexen“ von Katalonien. Den weltlichen Behörden gelang es, 300 Menschen zu töten, bevor die Inquisition die Prozesse stoppen konnte.

[Bild oben ist die Darstellung einer Inquisition durch den spanischen Maler Francisco Goya († 1828) ]

Weitere Links zum Thema

Die unterschlagene Revolution
Eine verbreitete Waffe im Kampf gegen die Kirche ist die Behauptung angeblicher Hexenverfolgungen durch die katholische Inquisition. Doch wie alle Märchen hat auch dieses jetzt ein Ende.

Die überraschende Landkarte der Hexenverbrennung
Der Hexenwahn war dort am ausgeprägtesten, wo die politische Zentralmacht und die Katholische Kirche am schwächsten waren.

[1] 400 Hexen auf einen Streich?
[2] Die große Preisfrage: Wann war die Zeit der Hexenverbrennungen?
[3] Die Protokolle der Hexengerichte beweisen, daß so etwas wie eine durchschnittliche Hexe nie existiert hat.
[4] War der Hexenwahn ein Ausbruch des Frauenhasses?
[5] Neun Millionen getötete Hexen?

6 Kommentare zu „Das Märchen von der hexenjagenden Inquisition“

  • Ich weiß, das ist ein langer Klops, aber der Artikel [wie auch die Links] sind sehr informativ und bieten in öffentliche Foren gute Munition, um den ewigen Kirche-Inquisition-bäh-Schreibern angemessen eins auf’s Mützchen zu geben.

    Ich muss jetzt los – es steht noch eine Menge Arbeit auf dem Wochenblatt. Ab und an guck ich aber auf das Blog und schalte bei Bedarf frei.

  • karl-friedrich:

    OT:

    Entschuldige Judith, aber heute morgen habe ich folgenden Artikel gelesen:

    Deutsche Kommunen unter dem Fallbeil der Krise
    Es gibt Städte in Deutschland, die haben dank großer Unternehmen lange in Saus und Braus gelebt. Die Krise hat dem ein Ende gemacht. Nun müssen vor allem die Kommunen mit Autoindustrie den Gürtel enger schnallen. Die Sparmaßnahmen können sehr schnell jeden Bürger treffen.
    http://www.welt.de/wirtschaft/article4210799/Deutsche-Kommunen-unter-dem-Fallbeil-der-Krise.html

    Das ganze deckt sich mir mit meinen Erkenntnissen, ich hatte ja schon vor einer Weile über die Körperschaftssteuer und Gewerbesteuer für mein Unternehmen berichtet.

    Also das Finanzamt hat jetzt alles korrekt abgerechnet, nur die Stadt hat bis jetzt, noch keinen einzigen Cent von unserem Geld zurück bezahlt, jede Woche bekommt man die gleiche Lüge aufgetischt, (O-Ton) wir haben jetzt erst die Meldung vom Finanzamt erhalten, was natürlich nicht stimmt.

    Das Finanzamt, hat den Vorgang schon vor gut 5 Wochen abgeschlossen, zum selben Zeitpunkt geht elektronisch eine Meldung an die Stadt, also nix mit: wir haben die jetzt erst erhalten.

    Die Stadt in der ich lebe und arbeite ist also genauso Pleite wie der Rest von Deutschland, die müssen jetzt schauen, wo sie Geld herbekommen, um die gesamte Gewerbesteuer zurück zu zahlen, die den Unternehmen gehören.

    Ich würde vorschlagen, das jeder nochmal  in das Schwimmbad in seiner Nähe geht, den nächstes Jahr wird es geschlossen sein, wegen dem Bankkrott der Kommune.

    Ich bin mal gespannt, wann wir den Bescheid erhalten werden, nach Rücksprache mit unserem Steuerberater können wir die nötigenfalls auch verklagen, darauf bin ich schon ganz scharf.

    Also, geht schon weiter einkaufen, den wir haben ja keine Krise, schmeisst schön das Geld weiterhin zum Fenster raus, nächstes Jahr, könnt Ihr dann den Fernseher fressen. LOL

  • quer:

    Zu Sache:
    Sehr zu empfehlen ist das Buch:
    „Toleranz und Gewalt“ –  Das Christentum zwischen Bibel und Schwert.
    A. Angenendt, bei Aschendorff, ISBN 10: 3-402-00215-9

    U.a. wird dort sehr schön belegt, daß die Inquisition nicht nur Untersuchung, sondern zugleich der Beginn einer rechtsstaatlichen Gerichtsbarkeit war, von denen Lanschaften ohne I. noch lange träumen konnten.

  • Hallo Judith,
    danke für die Zusammenstellung!
     
    Jedoch haben wir meiner Meinung nach eine Schwelle erreicht, in der anti-kirchliche bzw. anti-katholische Tiraden ziemlich ausgelutscht sind. Immer mehr Schwulen-Blogs beispielsweise erkennen jetzt so langsam den Islam als allmähliche Bedrohung an. Diskussionen um so alte Vorurteile sind mühselig und bringen doch eigentlich nichts. Selbst wenns so gewesen wäre – es ist vorbei, Vergangenheit!
     
    Wieviele hier gehen denn regelmäßig in die Kirche, zeigen ihren Glauben offen nach außen, leben danach und bringen sich in der Gemeinde vllt sogar ein? Hier liegt der Punkt! Vom Reden müssen wir endlich konsequent auch zum danach HANDELN!
     

  • virOblationis:

    @ Calito
    Für so wenig akut halte ich die Vorurteile über Inquisition und Hexenverfolgung nicht, und die Möglichkeit, denen, die sich damit aufblähen, argumentativ die Luft herauslassen zu können, scheint mir ganz nützlich.
     

  • virOblationis:

    „Der Hexenwahn war dort am ausgeprägtesten, wo die politische Zentralmacht und die Katholische Kirche am schwächsten waren.“
    Insofern erscheint es folgerichtig, daß der Höhepunkt der Hexenverfolgung zeitlich und auch mehr oder weniger geographisch mit den schwersten Konfessionskriegen zusammenfällt: zweite Hälfte des 16. Jh’s franz. Bürgerkrieg, erste Hälfte des 17. Jh’s Dreißigjähriger Krieg im Reich und engl. Bürgerkrieg.

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