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Etabliert

In diesen Tagen wurden zwei deutschstämmige Islamkonvertiten festgenommen, die durch Übermitttlung einer Anleitung zum Bombenbau offenbar einen Beitrag zu einem Anschlag in Großbritannien leisten wollten. Der eine der beiden trat 2003 zum Islam über, der andere irgendwann nach 2008. Diese Religion hatte sich ihnen offenbar als eine Weltanschauung präsentiert, die zu ihren (geheimen) Wünschen paßte; ob dazu von Beginn an Gewaltphantasien gehörten, ist ungewiß, aber nicht unwahrscheinlich.

Wenn man nicht die Neigung verspürt, sich irgendeiner verschrobenen Lehre zu verschreiben, um eben gerade durch die Identifizierung mit dem ganz Ungewöhnlichen zu glänzen, dann setzt der Übertritt zu einer kulturfremden Religionsgemeinschaft in der Regel voraus, daß diese sich etabliert hat und dadurch bereits ein gewisses Ansehen geneßt, an den der Konvertit partizipiert. Dieses Ansehen muß nicht wohlwollend sein, es mag auch negative Vorzeichen haben und z.B. auf der Verbreitung von Schrecken beruhen.

Der Islam, dem sich die beiden o.g. Männer angeschlossen haben, hat sich in Deutschland etabliert: Wenn das deutsche Staatsoberhaupt meint, der Islam gehöre zu Deuschland, dann werden damit verschiedene Aussagen getroffen, u.a. wird damit die tw. Islamisierung Deutschlands festgestellt; gewiß hat sie noch keinen allzu hohen Grad erreicht, sonst hätte der Bundespräsident sagen müssen: Deutschland gehört zum Islam. – Die betreffende Rede vom 3. Oktober 2010 verdiente eine eingehendere Betrachtung. Sie warnt z.B. vor „zu große[n] Unterschieden“, da diese „den Zusammenhalt“ innerhalb der Gesellschaft zerstören, und als Rezept dagegen empfiehlt er, die Unterschiede als „Vielfalt [zu] schätzen“, sie einfach zu bejahen, um sie aufzuheben. Das darf man wohl mit Recht als eine Form höherer Dialektik bezeichnen.

Wenn nun in diesen Tagen der unsägliche Osloer Attentäter, dessen grundsätzliche Haltung die eines Mordgierigen sein könnte, der ausgerechnet durch dieses Laster unsterblichen Ruhm sucht, sich auf ein konservatives Weltbild beruft, dann zeigt er damit, daß dieses sich inzwischen etabliert hat oder nach wie vor etabliert ist, denn sonst taugte es nicht zur Erlangung von Ruhm. Insofern mag der Attentäter dem europäischen Konservatismus unermeßlichen Schaden zugefügt haben, doch dies setzt immerhin eine schon recht ansehnliche Größe des europäischen Konservatismus voraus: Eine abseitige Weltanschauung in irgendeiner Nische des Markets der Möglichkeiten könnte gar keinen so großen Schaden nehmen, weil sie selbst dafür von zu begrenzter Größe ist, und was zu Unrecht genommen worden ist, wird schließlich zurückzuerlangen sein, denn auf die Dauer werden sich nur die wenigsten weismachen lassen, daß christlicher Konservatismus mit Terror vereinbar sei. – Das ist keine Dialektik, sondern Neuplatonismus augustinischer Provenienz, nach dem das Übel kein eigenes Sein hat, sondern das Seinende beeinträchtigt, indem es ihm Schaden zufügt. So sagt Boethius: malum nihil est, das Übel ist [im wohlverstandenen Sinne] nichts.

 

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