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Die Frankfurter Schule 4: Adorno

von virOblationis

Es muß für den Frankfurter Privatdozenten Adorno einer Offenbarung gleichgekommen sein, Horkheimers entstehende Kritische Theorie kennenzulernen: Die Ablehnung alles Bestehenden als philosophische Lehre, die sich von der Welt nicht abwendet! – Während dies für Horkheimer mehr eine Wendung gegen die zu seiner Gegenwart herrschenden Verhältnisse darstellte, zu der er den Marxismus benutzte, ohne sich letztlich daran zu binden, durchdachte Adorno es viel tiefer. Dabei vergaß er jedoch anscheinend nie, daß Horkheimer ihm den Weg dorthin gewiesen hatte und blieb ihm lebenslang freundschaftlich verbunden, während sein Verhältnis zu anderen Menschen durchweg weniger erfreulich für diese war.

In der „Dialektik der Aufklärung (1947)“ verschränkten sich die Auffassungen Horkheimers und Adornos durch Übereinstimmungen in der Bezeichnung, nicht in der bezeichneten Sache. Während es Horkheimer bei der Natur um die unbelebte sowie die belebte Welt samt dem animalischen Aspekt des menschlichen Daseins ging, sah Adorno die Natur als Gesamtheit lauter individueller Dinge an, zu denen auch jedes erkennende menschliche Subjekt zählte. Adorno gab sich damit als Denker im Umkreis des Nominalismus zu erkennen, einer philosophischen Richtung, die im Spätmittelalter eine große Anhängerschaft gewann. Begriffe sind für diese Lehre lediglich von Menschen gebildete Namen, nomina, für einander ähnelnde Dinge; im Grunde genommen bleiben Begriffe aber äußerlich und willkürlich, da die von ihnen bezeichneten Dinge alle individueller Art und darum natürlicher Weise einzeln sind.

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Wenn alles zu kritisieren ist, dann, weil es negativ ist; kein positiver Aspekt ist vorhanden, so daß alles Affirmative, Zustimmende, selbst der Kritik anheimfällt: Adorno verband diesen Gedanken mit der Unterscheidung von Allgemeinem und Besonderem, die ihm schon seit seiner Jugendzeit wichtig war, galt ihm doch die eigene Erscheinung als etwas ganz Besonderes. – Von ausgeprägter Eifersucht und unerhörter Selbstsicherheit, ohne Humor, aber so beredt, daß er inhaltliche Dürftigkeit seiner Aussagen mit Leichtigkeit zu übertönen wußte: kurzum freudlos auf die eigene Person konzentriert und dabei stets wortreich in der Kritik an allem und jedem.

Thomas Mann* beschrieb die äußere Gestalt des im US-Exil (1938 – 1949) lebenden Adorno in seinem Roman „Doktor Faustus (1947)“ folgendermaßen: „…saß da…als was Besseres, hatt einen weißen Kragen um und einen Schleifenschlips, auf der gebogenen Nase eine Brille mit Hornrahmen, hinter dem feuchtdunkle, etwas gerötete Augen schimmern, – eine Mischung von Schärfe und Weichheit das Gesicht: die Nase scharf, die Lippen scharf, aber weich das Kinn, mit einem Grübchen darin, ein Grübchen in der Wange noch obendrein, – bleich und gewölbt die Stirn, aus der das Haar wohl erhöhend zurückgeschwunden, aber von der‘s zu den Seiten dicht, schwarz und wollig dahinstand, ein Intelligenzler, der über Kunst, über Musik, für die gemeinen Zeitungen schreibt, ein Theoretiker und Kritiker, der selbst komponiert, soweit eben das Denken es ihm erlaubt. Weiche, magere Hände dazu, die mit Gesten von feinem Ungeschick seine Rede begleiten, manchmal zart über das dicke Schläfen- und Nackenhaar streichen. … und vor allem die Stimme, nasal, deutlich, gelernt wohllautend… und sehe seinen breiten, an den Winkeln verkniffenen Mund unter der mangelhaft rasierten Oberlippe sich vorn artikulierend bewegen… Er lächelte (mit), nur indem seine geschlossenen Mundwinkel sich fester strafften, wobei er ein wenig die Augen schloß.“** In höherem Alter weitgehend kahl, so daß die dunklen Brauen noch deutlicher erschienen, der Mund nun ein dünner Strich, gerade, nur im rechten Mundwinkel wie verächtlich herabgezogen.

* geb. 1875, gest. 1955; Nobelpreis 1929

** Kap. XXV

Thomas Mann hatte musiktheoretische Ausführungen Adornos für seinen Roman „Doktor Faustus“ benutzt, ohne die Quelle darin anzugeben; obendrein ließ er den oben beschriebenen Adorno als Verkörperung des Teufels auftreten. Zwar förderte der kurze Auftritt Adornos im „Doktor Faustus“ gewiß die Bekanntheit des 1949 nach Frankfurt Zurückgekehrten, doch seine Eitelkeit war davon, wie er durch Mann beschrieben und benutzt wurde, sicherlich zutiefst gekränkt. Möglicherweise spielte dies eine Rolle bei der Intrigue gegen Thomas Manns Sohn Golo*, der schon 1957 und endgültig dann 1962/1963 als Professor an die Universität Frankfurt berufen werden sollte.

* geb. 1909, gest. 1994; eigentl. Angelus

Adorno verbreitete Gerüchte in bezug auf Golo Manns psychische Gesundheit, und Horkheimer denunzierte ihn als heimlichen Antisemiten beim American Jewish Comittee, da Golo Mann 1960 in einem Vortrag von der „schweren Schuld“ gesprochen habe, die die Juden als Förderer der bolschewistischen Weltrevolution auf sich geladen hätten. Gleichzeitig soll sich Horkheimer brieflich an das hessische Kultusministerium gewandt und auf Golo Manns jugendgefährdende homosexuelle Neigung hingewiesen haben.

Golo Mann jedenfalls führte die Verhinderung seiner Berufung auf Adorno zurück und bezeichnete ihn sowie auch Horkheimer später deshalb als „Lumpen“. Doch war Golo Mann tatsächlich nicht zum Hochschullehrer geeignet, wie seine Tätigkeit als Professor für politische Wissenschaften in Stuttgart gezeigt hatte, die er 1960 antrat: Er meinte, seine Hörer nicht zu erreichen, weshalb er sich wegen einer Depression in Behandlung begeben mußte; dies war nicht die erste Therapie, der er sich zu unterziehen hatte. 1965 gab Golo Mann seine Lehrtätigkeit auf. – Die gesamte Familie Mann war Adorno gegenüber schon vor 1957 feindlich eingestellt: Golo Mann bezeichnete ihn 1952 in einem Brief als „wichtigtuerisches Ekel“, und seine Schwester Erika*, die mit Ludwig Marcuse korrespondierte, suchte Adorno ab 1960 in einen Skandal zu verwickeln, da sie erfahren hatte, daß Adorno nach der nationalsozialistischen Machtergreifung (1933) in Zeitungsartikeln u.a. das Verbot des „Negerjazz“ begrüßt hatte, bevor er sich in Oxford immatrikulierte (1934) und seine Laufbahn als Musikkritiker in Deutschland aufgab. In die Durchführung der von ihr ausgehenden Intrigue spannte Erika Mann 1961 auch ihren Bruder Golo ein, der die „Frankfurter Rundschau“ zu informieren hatte, doch es ließ sich keine Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit erreichen; die Adorno beschirmenden Mächte waren offensichtlich zu einflußreich.

* geb. 1905, gest. 1969

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Adorno geht in seinem Hauptwerk „Negative Dialekt (1966)“ davon aus, daß allein lauter Verschiedenes in der Welt existiert. Darum lehnt Adorno auch die Ontologie, die Lehre vom Sein, ab, da sie etwas in allen Gemeinsames voraussetzt. Statt eines allgemeingültigen Seins gebe es nur jeweils in Besonderheit Seiendes, Ontisches.

Ursprünglich sind lauter individuelle Objekte vorhanden, die in Eintracht miteinander da sind. – Wenn in diesem Zusammenhang von Ursprünglichkeit die Rede ist, dann bezeichnet diese nicht etwa eine Urzeit, sondern ist im Sinne der Logik gemeint, wonach etwas gegeben sein muß, damit anderes daraus hervorgehen kann.

Bisher konzentrierte sich die Philosophie durchweg auf das Allgemeine. Doch damit bricht Adorno. „Philosophie hat, nach dem geschichtlichen Stande, ihr wahres Interesse [eigentlich] dort, wo Hegel, einig mit der [gesamten] Tradition, sein Desinteresse bekundete: beim Begriffslosen, Einzelnen und Besonderen; bei dem, was seit Platon als vergänglich und unerheblich abgefertigt wurde…“* So wendet sich Adorno gegen die Geschichte der Philosophie: „Die Methexis der Philosophie an der Tradition wäre aber einzig deren bestimmte Verneinung.“** D.h. [meine, Adornos, als die maßgebliche] Philosophie ist der übrigen philosophischen Tradition nur insofern zuzurechnen, als sie sie ins Gesamt ablehnt. – Adornos zuvor wiedergegebener Satz bietet zugleich ein typisches Beispiel für dessen Sprache: So verwendet er hier den griechischen Begriff „methexis“, der nach Aristoteles Metaphysik*** in der platonischen Philosophie die Teilhabe [der Dinge an den ewigen Ideen] bezeichnet, doch ist bei Adorno in diesem Zusammenhang von Platons Ideenlehre überhaupt nicht die Rede, sondern allein von Philosophiegeschichte. Adorno sucht mit seiner Kenntnis – möglichst fremdsprachiger – Fachbegriffe zu glänzen und zu beeindrucken, ohne daß sie für den jeweiligen Satz spezifische Bedeutung hätten, wodurch sie zu verbalem Lametta verkommen.

* Negative Dialektik, Einleitung

** Negative Dialektik, Einleitung

*** Met. I, 5f. 987 a – b

Ganz deutlich zeigt sich dieses Vorgehen beim Formulieren im Manuscript der „Ästhetischen Theorie (1969)“, das Adorno noch einmal überarbeiten wollte, wozu es aber wegen seines plötzlichen Todes nicht mehr kam. Auf Grund seiner Unfertigkeit läßt der Text noch besser erkennen, wie sein Autor assoziativ schwadroniert, ohne Rücksicht auf Genauigkeit des Ausdrucks und geradezu bemüht um mangelnde Nachvollziehbarkeit. Mit Fremdworten, Fachbegriffen sowie philosophischen Schlagworten wird das Geschriebene gespickt und daneben hier und da ein gewöhnlicher Ausdruck gegen einen ungebräuchlichen, wie übersetzt wirkenden ausgetauscht. Schließlich werden scheinbar paradoxe Aussagen eingestreut, die durch Auslassung von Worten entstehen: „Um des Glückes willen wird dem Glück abgesagt.“* Gemeint ist: Um des [künftigen, höheren] Glückes willen wird dem [gegenwärtigen, minderen] Glück abgesagt.

* Ästhetische Theorie, Kunst, Gesellschaft, Ästhetik

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Mit bezug auf ursprüngliche Einheit aller voneinander verschiedenen Objekte spricht Adorno in der „Negativen Dialektik“ vom „Vorrang des Objekts“,* weil das Subjekt erst hernach auftauche. – Eigentlich handelt es sich bei Adornos Objekten aber um potentielle Subjekte, denn wenn eines von diesen vorgeblichen Objekten irgendwann damit beginnt, die übrigen, denkend zu ordnen, wird es zum (tatsächlichen) Subjekt. Seine Individualität, die Besonderheit, behält das Subjekt dabei als seine Beschaffenheit.

* Negative Dialektik, Zweiter Teil: Negative Dialektik. Begriff und Kategorien

Nach wie vor gibt es eine aus lauter Besonderem bestehende Welt, doch durch das Erkennen des Subjekts ist eine Spaltung eingetreten: „An der Zweiheit von Subjekt und Objekt ist kritisch festzuhalten… Zwar ist die Trennung, die das Objekt zum Fremden, zu Beherrschenden macht und es aneignet, subjektiv[, d.h. vom Subjekt ausgehendes Geschehen]… Nur bringt die Kritik des subjektiven Ursprungs der Trennung das Getrennte nicht wieder zusammen, nachdem es einmal real sich entzweite [durch vernunftgemäßes Erkennen des Objekts durch das Subjekt].“*

* Negative Dialektik, Zweiter Teil: Negative Dialektik. Begriff und Kategorien

Aus der Not macht Adorno eine Tugend: Wenn Subjekt und Objekt ohnehin nicht mehr zusammenzubringen sind, bleibt nur die Kritik, die eine – notwendig unwahre – Identität von Subjekt und Objekt verhindert. – In vergleichbarer Weise erkannte auch Karl Jaspers* an, daß Subjekt und Objekt [mit den Möglichkeiten neuzeitlicher Philosophie] nicht miteinander zu vereinbaren sind, doch hielt Jaspers an ihrer Zusammengehörigkeit fest und sprach vom „Umgreifenden“, ohne dieses näher charakterisieren zu können. Nach Jaspers ist die Totalität im Erkennen nicht zu erreichen, das Ganze nicht zu erfassen, da das Subjekt sich selbst zusammen mit der Gesamtheit der Objekte und dem beide Umgreifenden nicht wahrzunehmen vermag. Adorno sagt dazu: „Das Ganze [aus Subjekt und Objekt] ist das Unwahre[, denn es wird ja nicht wirklich, sondern nur scheinbar erreicht].“** – So endet die Geschichte der neuzeitlichen Philosophie, die mit der Abwendung von der hochmittelalterlichen Scholastik mittels Nominalismus ihren Anfang nahm, in Aporie und Rückzug in Utopie.

* geb. 1883, gest. 1969

** Minima Moralia, Erster Teil (1944) Nr. 29

Adorno setzt Besonderes und Subjekt sowie Besonderes und Objekt gleich; das Allgemeine hingegen beherrsche die Sprache sowie die Gesellschaft. – Nach der scholastischen Philosophie des hl. Thomas von Aquin wären Allgemeines, Besonderes, Subjekt und Objekt kreuzförmig angeordnet zu denken, oben das Allgemeine als das Wesentliche, das Besondere unten, links und rechts, also auf einer Ebene, Objekt und Subjekt, die beide sowohl Allgemeines wie Besonderes aufweisen; sie werden durch den ihnen gemeinsamen Ursprung als Kreaturen sowie durch die ihnen gemeiname Struktur – bestehend aus Materie als individuell-veränderlichem Aspekt und unveränderlicher Form bzw. Wesen – miteinander verbunden; Erkenntnis ist Anteil am Allwissen des Schöpfers. Dazu sei angemerkt, daß der Querbalken von Subjekt und Objekt nicht ganz waagerecht zu denken wäre, sondern schief, denn das Objekt, das sich zum Subjekt erhebt, ist dem bloßen Objekt voraus: Beide sind auf Grund von Form und Materie zwar Objekt, aber nur das Subjekt weist eine Hypostase (latein. suppositum) auf, durch die das mit Vernunft und Willen ausgestattete Wesen eine zur Entscheidung befähigte Person wird.* Das eine Ende des Querbalkens, nämlich das des Subjekts, wäre erhöht, das des bloßen Objekts erniedrigt zu denken, weil es dem Schöpfer, der als Subjekt mittels seines Wesens alle Dinge in sich als Objekt erkennnt, nur in geringerer Weise entspricht. Das Allgemeine am oberen Ende des Kreuzes hingegen bildet als (eine) Art (innerhalb der Natur) einen Aspekt des göttlichen Seins; die materielle Einkleidung ermöglicht das Auftreten individuell verschiedener Repräsentanten einer einzigen Art.

* Verwirrender Weise kann sowohl das Einzelwesen mit Blick auf seine Hypostase als auch dessen Form bzw. Gattung als „substantia“ bezeichnet werden.

Zwar war Adorno selbst kein Hörer von Jaspers, doch Löwenthal war dies, und durch Jaspers „Psychologie der Weltanschauungen (1919)“ ließ er sich anregen zu der Schrift „Das Dämonische (1922)“, die hervorging aus einer Seminararbeit des Jahres 1920 und über die Adorno und Kracauer intensiv mit Löwenthal diskutierten. So besteht zumindest eine indirekte philosophische Beziehung zwischen Adorno und Jaspers.

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Dem Denken geht die sinnliche Wahrnehmung voraus. Das Subjekt nimmt also etwas wahr und reflektiert dies anschließend. Ersteres kann Adorno zwar nicht für grundsätzlich unzutreffend erklären, dennoch kritisiert er es: „… was nicht denkt, sondern der [sinnlichen] Anschauung sich überläßt, neigt zum schlecht[hin] Positiven… Etwas so empfangen, wie es jeweils sich darbietet, unter Verzicht auf Reflexion, ist potentiell immer schon: es anerkennen, wie es ist…“* Dies darf aber nach Adorno nicht geschehen, denn das Allgemeine beherrscht Sprache wie Gesellschaft und bestimmt daher dieses deformierend alles Bestehende, denn das ist ja stets Besonderes. Es darf daher keinerlei Anerkennung des Bestehenden geben, nie etwas Positives, nicht einmal durch die – fast sprichwörtlich gewordene – Negation der Negation.** „Dialektik will bereits bei Platon, daß durchs Denkmittel der Negation ein Positives sich herstelle; die Figur einer Negation der Negation benannte das später prägnant. Das [vorliegende] Buch möchte Dialektik von derlei affirmativem Wesen befreien…“***

* Negative Dialektik, Einleitung, S. 48

** Die Negation der Negation bringt Positives hervor: Sie entspricht Hegels System, aber nach Adorno nicht Hegels Intention. s. Negative Dialektik, Zweiter Teil: Negative Dialektik. Begriff und Kategorien

*** Negative Dialektik, Vorrede

„Während das [in der sinnlichen Anschauung gegebene] Individuelle nicht aus Denken sich deduzieren läßt, wäre der Kern des Individuellen vergleichbar jenen bis zum äußersten individuierten, allen Schemata absagenden Kunstwerken, deren Analyse im Extrem ihrer Individuation Momente von Allgemeinem, [d.h.] ihre sich [bzw. ihnen] selbst verborgene Teilhabe an der Typik wiederfindet.“* Wenn dies keine unsinnige Unterstellung sein soll – denn das Individuelle ist ja nach Adorno gerade das Nicht-Allgemeine – dann kann es nur bedeuten, daß auch das Individuelle vom Allgemeinen (in der Weise seiner Besonderheit) geprägt ist, nämlich durch die Herrschaft des Allgemeinen in der Gesellschaft schon auf Grund der von Begriffen als Gerüst getragenen Sprache. Es hat also keinen Sinn, bei der bloßen Wahrnehmung stehenzubleiben, sondern diese ist zu reflektieren mit dem Ziel, dasjenige darin zu erreichen, was das nicht von der Herrschaft des Allgemeinen entstellte Ding (an sich) ist. Zur Reflexion gebraucht der Mensch jedoch Begriffe, und diese sind dem Wahrgenommenen eben nicht adäquat. Der Begriff trifft die Dinge nie recht, weil diese in ihrer Besonderheit vom Allgemeinen nicht erfaßt werden: „Deren Identität (sc. die der Begriffe) mit dem Subjekt [wie dem Objekt] ist die Unwahrheit.“

* Negative Dialektik, Zweiter Teil: Negative Dialektik. Begriff und Kategorien

** Negative Dialektik, Zweiter Teil: Negative Dialektik. Begriff und Kategorien

„Weil das Seiende [dem Denken] nicht unmittelbar[,]* sondern nur durch den Begriff hindurch [vermittelt] ist, wäre beim Begriff anzuheben, nicht bei der bloßen Gegebenheit.“** In bezug auf den Begriff aber führt dessen Kritik als den Dingen grundsätzlich unangemessen zu Folgendem: „Indem der Begriff sich als mit sich unidentisch und in sich bewegt erfährt, führt er, nicht länger bloß er selber, auf sein…Anderes, ohne es aufzusaugen.“***

* Kein Komma vor „sondern“ im Originaltext!

** Negative Dialektik, Zweiter Teil: Negative Dialektik. Begriff und Kategorien

*** Negative Dialektik, Zweiter Teil: Negative Dialektik. Begriff und Kategorien

Darauf will Adorno hinaus, auf das Andere, auf das, was das Bestehende gerade nicht ist und das sich noch nicht einmal als Möglichkeit eines Künftigen im Bestehenden abzeichnet: „Es ist das Mögliche, nie das unmittelbar Wirkliche [der sinnlichen Anschauung], das der Utopie [Adornos] den Platz versperrt; …“ „Erkenntnis, die den [nicht unter der Herrschaft des Allgemeinen stehenden und deshalb nicht verwirklichten, ja nicht einmal möglich erscheinenden] Inhalt will, will [daher] die Utopie.“ Insofern zielt die Erkenntnis mittels Negativer Dialektik, die alles Bestehende und auch noch das möglicherweise daraus hervorgehende Veränderte kritisiert, auf etwas Nichtseiendes. Aber gerade von dem heißt es: „Die unauslöschliche Farbe kommt aus dem Nichtseienden. … [Adornos] Philosophie ist das Prisma, das deren Farbe auffängt. …[Sie zielt auf ein] Denken, das wie immer negativ an[ da]s [in Adornos Sinn verstandene] Nichtseiende heranreicht.“* „… nur bilderlos wäre das volle Objekt zu denken.“** In einfachen Worten ausgedrückt: Adorno will stets gerade das, was es nicht gibt; schon mit Kinder von solcher Art, ist es schwierig auszukommen, wenn man sie nicht mit elterlicher Vollmacht zu erziehen hat und ihrem Mutwillen ausgesetzt ist. – Das utopische Andere wird von Adorno auch das Etwas genannt. „Das Etwas als denknotwendiges Substrat des Begriffs, auch dessen vom Sein, ist die äußerste, durch keinen Denkprozeß abzuschaffende Abstraktion des mit Denken nicht identischen Sachhaltigen.“*** M.a.W. obwohl es Nichtseiendes genannt wird, soll sich das Andere doch nicht ins Nichts auflösen; obwohl alles Bestehende verneint wird, erhebt Adorno dennoch Anspruch darauf.

* Negative Dialektik, Einleitung

** Negative Dialektik, Zweiter Teil: Negative Dialektik. Begriff und Kategorien

*** Negative Dialektik, Zweiter Teil: Negative Dialektik. Begriff und Kategorien

Da das Denken nicht in der Lage ist, das Andere bzw. das Etwas mit Hilfe einer von Allgemeinbegriffen getragenen Sprache zu erreichen, setzt auf Adorno auf rhetorische Mittel: „In der Dialektik ergreift das rhetorische Element…die Partei des Inhalts. … Sie neigt sich (aber) dem Inhalt zu als dem Offenen, nicht vom [Begriff als] Gerüst Vorentschiedenen…“* – Wem als Philosoph die Rhetorik nicht geeignet erscheint, der wird kurzer Hand denunziert und in die Nähe von Faschismus bzw. Auschwitz gerückt, denn „das blank Antirhetorische ist verbündet mit der Barbarei, in welcher das bürgerliche Denken endet.“** Das wird ohne Begründung so dahingesagt.

* Negative Dialektik, Einleitung

** Negative Dialektik, Einleitung

Letztlich müßte Adorno, um der eigenen Besonderheit gerecht zu werden, seine Philosophie in einer nur ihm eigenen Sprache betreiben, die den anderen unzugänglich bleibt. Mit der „Negativen Dialektik“ ist er dem zumindest bedenklich nahe gekommen.

Adorno benutzt in bezug auf alles Besondere den „Begriff des Nichtbegrifflichen“ und der Besonderheit. „Der allgemeine Begriff von Besonderheit hat keine Macht über das Besondere, das er abstrahierend meint[, also nicht konkret erfaßt].“* – Aber warum gibt es ihn? Wie konnten überhaupt Allgemeinbegriffe geschaffen werden, wenn es das Allgemeine gar nicht gibt, sondern nur Besonderes?

* Negative Dialektik, Zweiter Teil: Negative Dialektik. Begriff und Kategorien

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Adorno stellte 1949 die – zwei Jahre darauf in „Kulturkritik und Gesellschaft“ veröffentlichte – Behauptung auf, „nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, ist barbarisch“. Dieser Ausspruch fand während der fünfziger Jahre wenig Beachtung. Adorno selbst jedoch tat das Seine dazu, daß er später, unter veränderten Rahmenbedingungen, größte Bekanntheit erlangte. Während Eichman- (1961) und [erster] Auschwitz-Prozeß (1963 – 1965) zum Verständnis der nationalsozialistischen Judenverfolgung als eines in der Menschheitsgeschichte einzigartigem Geschehen in entscheidender Weise beitrugen, griff Adorno seinen Satz von 1949 wieder auf, indem er ihn 1962 in einem Aufsatz („Engagement“) reflektierte. Hinzu kam vier Jahre darauf die „Negative Dialektik“, deren erste von zwölf „Meditationen zur Metaphysik“ im Dritten Teil des Buches „Nach Auschwitz“ überschrieben ist. Darin kam Adorno auch wieder auf den Satz von 1949 zu sprechen. Vordergründig widersprach er ihm nun, tatsächlich ging er noch darüber hinaus: „… darum mag falsch gewesen sein, nach Auschwitz ließe kein Gedicht mehr sich schreiben. Nicht falsch aber ist die minder kulturelle Frage, ob nach Auschwitz noch sich leben lasse…“* Durch das noch Grundsätzlichere hebt er das Beschränktere, das nur auf die Kultur Bezogene, auf.

* Negative Dialektik, Dritter Teil: Modelle, III. Meditationen zur Metaphysik, 1. Nach Auschwitz

Seit der Mitte der vierziger Jahre hatte sich „Auschwitz“ in Adornos Denken als eine feste Größe etabliert, als Synonym der nationalsozialistischen Judenverfolgung, der er Einzigartigkeit zuschrieb. Dies wird deutlich schon in dem 1944 verfaßten Teil der „Minima Moralia (1951)“ ausgesprochen: Adorno räumt ein, daß „Hegels Geschichtsphilosophie diese Zeit…[samt] Hitlers Robotbomben (sc. V1- und V2-Raketen) (,) neben dem frühen Tod Alexanders [d. Gr.] und ähnlichen Bildern [eingeschlossen hätte], …in denen der Stand des Weltgeistes unmittelbar symbolisch sich ausdrückt.“ Doch damit wäre sie erschienen wie jede andere Phase der Geschichte. Dagegen setzt Adorno seine Sicht der Dinge. Er spricht davon, daß „die Quantität der Opfer (sc. „Millionen Juden[, die] ermordet worden“ sind)* in eine neue Qualität der gesamten Gesellschaft, die Barbarei, umschlägt“.** – Ob es Adornos Denken beeinträchtigt hätte, wenn er die weit höheren Zahlen von unter der Herrschaft Stalins in der UdSSR Ermordeten gekannt hätte? Wohl kaum, denn die Juden sind für Adorno nicht wie andere gestorben, sondern „vom absolut Bösen (sc. Hitlers Faschismus) als das absolut Böse gebrandmarkt“*** und deshalb umgebracht worden. Wie aber sollte das „absolut Böse(n)“ übertroffen werden?

* Woher wußte Adorno dies bereits 1944?

** Minima Moralia, Erster Teil Nr. 33

*** Dialektik der Aufklärung, Elemente des Antisemitismus. Grenzen der Aufklärung

Es war Adorno ebenso unerträglich, daß Auschwitz in ein System der Geschichtsphilosophie einbezogen würde, wie er es ausgehalten hätte, daß er selbst als Philosoph in einem System seinen Platz finde; und auch hier gilt nach Adorno wieder: „Das Ganze (sc. das philosophische System) ist das Unwahre.“* – Alle Philosophie (außer derjenigen des Rhetorikers Adorno) ist von begriffsgetragener Sprache geprägt, und so herrscht in ihr das Allgemeine, das bereits zuvor die Gesellschaft erfaßt hat: „In ihren unabdingbar allgemeinen Elementen schleppt alle Philosophie…Unfreiheit mit sich, in der die[jenige] der Gesellschaft sich verlängert [darbietet].“** Das gesellschaftlich herrschende Allgemeine findet seinen schärfsten und endgültigsten Ausdruck im Faschismus, sozusagen dem puren Allgemeinen, dem das nach der „Dialektik der Aufklärung“ das Besondere exemplarisch verkörpernde Judentum entgegengesetzt ist. Zwischen beiden steht Auschwitz als Drohung des Allgemeinen, die Existenz des Besonderen gänzlich aufzuheben.

* Minima Moralia, Erster Teil, 1944, Nr. 29

** Negative Dialektik, Einleitung

Da man den einzigartigen Judenmord nicht rächen könne, ohne in gleichartige Barbarei zu verfallen,* bleibe nur das fortwährende Erschrecken und die Kritik des übrig Gebliebenen oder neu Erstehenden, denn die „Behauptung, daß Hitler die deutsche Kultur zerstört habe, ist nichts als ein Reklametrick“, da alles, was an ihr nicht dem Faschismus entsprach, schon „längst zuvor die abgespaltene und apokryphe Existenz [führte], deren letzte Schlupfwinkel der Faschismus ausfegte.“ Auch die Emigranten unterschieden sich davon nicht wesentlich, denn „zweideutige Figuren wie [der Schriftsteller] Fallada (sc. Hans Fallada, geb. 1893, gest. 1947) unter Hitler [sagten] mehr Wahrheit…als die eindeutigen Prominenzen [wie Thomas Mann?], denen die Transferierung ihres Prestiges [ins Exil] gelang.“** – Gegenüber vertrauten Personen äußerte sich Adorno weniger zurückhaltend in bezug auf Rache, so in einem Brief aus dem Jahr 1943: „Ich habe nichts gegen die Rache als solche, wenn man auch nicht deren Exekutor sein möchte – nur gegen deren Rationalisierung als Recht und Gesetz. Also: möchten die Horst Güntherchen in ihrem Blut sich wälzen und die Inges den polnischen Bordellen überwiesen werden, mit Vorzugsscheinen für Juden [wie mich].“ In bezug auf Bordellbesuche kannte sich der vorgebliche Jude Adorno ja aus, der seine Ehefrau liebevoll „Giraffe“ nannte.

* Minima Moralia, Erster Teil Nr. 33

** Minima Moralia“, Erster Teil Nr. 35

Auschwitz wird einerseits zur ideologischen Grundlage der Negativen Dialektik Adornos, es dient als Argument für das Negieren alles Bestehenden: „Das Gefühl, das nach Auschwitz gegen jegliche Behauptung von Positivität des Daseins als Salbadern, Unrecht an den Opfern sich sträubt, [nämlich] dagegen, daß aus ihrem (sc. der Opfer) Schicksal ein sei‘s noch so ausgelaugter Sinn gepreßt wird, hat [durch Auschwitz] sein objektives Moment nach [den dort geschehenen] Ereignissen [erhalten], welche die Konstruktion eines Sinnes (der Immanenz, der von affirmativ gesetzter Transzendenz ausstrahlt,) zum Hohn verurteilen.“* – Andererseits wird die Auschwitz-Verhinderung zur Grundlage der Ethik für die gesamte Menschheit erklärt: „Hitler hat den Menschen im Stande ihrer Unfreiheit einen neuen kategorischen Imperativ aufgezwungen: ihr Denken und Handeln so einzurichten, daß Auschwitz nicht sich wiederhole, nichts Ähnliches geschehe.“**

* Negative Dialektik, Dritter Teil: Modelle III. Meditationen zur Metaphysik, 1. Nach Auschwitz; (auch runde) Klammern zur Erleichterung des Verständnisses von mir, vO

** Negative Dialektik, Dritter Teil: Modelle, 2. Metaphysik und Kultur

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„Es gibt kein richtiges Leben im falschen“, schreibt Adorno in seinem fast populären Buch „Minima Moralia“.* Doch verstand er es, sich zumindest sehr komfortabel im falschen Leben einzurichten. Der zuvor zitierte Satz schließt einen 1944 zu Papier gebrachten Abschnitt über das Wohnen ab: Während Adorno in Kalifornien zu dieser Zeit verschiedenste Annehmlichkeiten und einigen Luxus genoß, verloren die Deutschen und andere Europäer zu Millionen ihr Obdach, wenn nicht gar das Leben durch westalliierte Bombardements ihrer Wohnviertel. „Asyl für Obdachlose“ überschreibt Adorno den Abschnitt über das Wohnen, in dem er lamoryant beklagt, die „traditionellen Wohnungen“ hätten „etwas Unerträgliches angenommen“ und die „neusachlichen“ seien „für Banausen angefertigte Etuis(,) oder Fabrikstätten…ohne alle Beziehung zum Bewohner“. Die Zerstörung durch Bombenflugzeuge sei nur folgerichtig: „Diese (sc. Häuser) taugen nur noch dazu, wie alte Konservenbüchsen fortgeworfen zu werden.“ Ach, „es gehört [geradezu] zur Moral, nicht bei sich selber zu Hause zu sein. … Es gibt [eben] kein richtiges Leben im falschen.“ So spricht sich Adornos Selbstbezogenheit und Gefühllosigkeit gegenüber dem Elend anderer Menschen deutlich aus.

* Erster Teil, Nr. 18

In seine Nähe ließ er nur Personen, die ihm ganz ergeben waren, so vor allem seine Frau Gretel, die das ehebrecherische Verhalten ihres Mannes kannte und stillschweigend hinnahm. Als sie zusammen mit Rolf Tiedemann, einem ehemaligen Assistenten ihres Gatten (1964 – 1965),* die „Ästhetische Theorie“ aus dem Nachlaß herausgab, wurde im Nachwort sogar die Sprechweise des Verstorbenen nachgeahmt, sein Zusammenziehen von „sich“ und zugehörigem Verb, da in jene „nach Adornos Einsicht aller Geist notwendig sich verstrickt“.**

* geb. 1932; vor seiner Promotion (1964) war er Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Adorno (1959 – 1964). Ab 1970 gab er Adornos „Gesammelte Schriften in zwanzig Bänden“ heraus.

** Das [von mir, vO, in seinem Sinn entstellte] Zitat ist entnommen dem „Editorischen Nachwort“ der „Ästhetischen Theorie“.

Während sich andere Menschen bedingungslos zu fügen haben, darf sich Adorno ihnen gegenüber als „autoritärer Charakter“ aufspielen und die Polizei rufen, die die Studenten entfernt, die das Institutsgebäude nicht verlassen haben, obwohl Adorno sie dazu aufgefordert hatte. Ihnen wurde eine „Besetzung“ vorgeworfen; nach ihrer Aussage hätten sie nur um einen Raum für eine ihrer zu jener Zeit zahllosen Diskussionen gesucht. Aber sie hatten es gewagt, Adorno nicht zu gehorchen. – Dieser Vorfall ereignete sich am 31. Januar 1969.

Eines Tages danach stand an der Tafel: „Wer nur den lieben Adorno läßt walten, der wird den Kapitalismus sein Leben lang behalten“ – die erste und dritte Zeile des ursprünglich protestantischen Kirchenliedes „Wer nur den lieben Gott läßt walten“ nicht ganz gelungen umformend.* Trotz der Rede von Kritischer Theorie etc. war Adorno alles andere als ein Marxist; dies begann den Studenten des Jahres 1969 zu dämmern. Der inzwischen emeritierte Horkheimer, dessen Ruhm von demjenigen Adornos bereits überstrahlt wurde, hatte neben der Ablehnung alles Bestehenden auch die Herrschaft der Triebe über die Vernunft verkündet; dieser Aspekt der Lehre der Frankfurter Schule fehlte bei Adorno, der solches allenfalls abseits der Öffentlichkeit praktizierte.

* Die erste Strophe lautet: „Wer nur den lieben Gott läßt walten / und hoffet auf ihn alle Zeit, / den wird er wunderbar erhalten / in aller Not und Traurigkeit. / Wer Gott, dem Allerhöchsten, traut, / der hat auf keinen Sand gebaut. //

So umringten ihn am 22. April 1969 drei Studentinnen der „Basisgruppe Soziologie“ im Hörsaal VI der Frankfurter Universität. Sie öffneten ihre Lederjacke, unter der sie unbekleidet waren; die drei entblößten also ihre Brüste. Sie tanzten im Kreis um Adorno, die von Horkheimer propagierte Sinnlichkeit sozusagen sichtbar vor Augen stellend. Adorno floh daraufhin mit der Aktentasche vor dem Gesicht aus dem Hörsaal, den er danach nie wieder betrat. Adorno sagte weitere Lehrveranstaltungen ab, trat einen Erholungsurlaub an und verstarb alsbald im Schweizer Kanton Wallis.

3 Kommentare zu „Die Frankfurter Schule 4: Adorno“

  • Theosébeios:

    Adorno wird wohl nicht durch den Anblick der Barbußigen so plötzlich dass Zeitliche gesegnet haben 🙂

    Ein interessanter Artikel, und ich hoffe die Zeit zu finden, auch die anderen Beiträge zu lesen. Adornos „Negative Dialektik“ ist zweifellos ein Basistext zum Verständnis der antiidentitären Differenz-Apostel, die heute die Universitäten beherrschen, wobei vielleicht manche gar nicht mehr wissen, wem sie ihre „Weisheit“ zu verdanken haben. Sie schreiben richtig, dass A. keineswegs Marxist war, aber er dachte in einer Geistesströmung (Linkshegelianismus), durch die auch der Marxismus seine Färbung erhielt.

    Da Sie sich gut auskennen mit der Frankf. Sch. interessierte mich Ihre Bewertung des kürzlich verstorbenen Alfred Schmidt. Als junger Student bekam man den „strukturalistischen Angriff auf die Geschichte“ dieses großen „Frankfurter“ Talents um die Ohren geschlagen. Als ich ihm 40 Jahre später auf einem Schopenhauer-Kongress begegnete, konnte ich gar nicht begreifen, wie er wurde, was er nun zu sein schien. Interessant ist auch der Werdegang des (2009 bereits verstorbenen) Adorno-Schülers Werner Becker, der 1972 eine scharfsinnige Kritik der Marxschen Wertlehre veröffentlichte und schon kurz nach Adornos Tod im liberalkonservativen Lager angekommen sein muss.

    P.Scr.: Die Lesbarkeit gewinnt sicher noch nach Beseitigung einiger Tippfehler (larmoyant).

  • virOblationis:

    @ Theosébeios

    Alfred Schmidt hat mich bisher nicht so sehr interessiert. – Wenn ich es recht verstehe, verweist seine Auseinandersetzung mit dem Strukturalismus, von Marx ganz abgesehen, auf die grundsätzliche Problematik von diachroner und synchroner Betrachtung in der Geschichtswissenschaft.

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