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Gedankensplitter: Globaler Neoliberalismus 3 (13. Febr. ’15)

Während des 18. Jahrhunderts, genauer von der Glorreichen Revolution in England (1688) bis zum Abschluß der Französischen Revolution (1799) erreichte das Bürgertums in Westeuropa eine dominante Stellung innerhalb der Gesellschaft. Wenn in Großbritannien und Frankreich während des 19. Jahrhunderts auch – dauernd oder zeitweise – noch gekrönte Häupter regierten, so dienten sie doch – wie die übrige politische Klasse – vor allem den Interessen des aufkommenden Kapitalismus.

Dessen Blütezeit bildete das 19. Jahrhundert, also die Aera von Napoleons Staatsstreich (1799) bis zum Ausbruch des 1. Weltkrieges (1914). In ökonomischer Hinsicht war dies die Zeit der konkurrierenden Unternehmer und in politischer die der Parteien und Persönlichkeiten im parlamentarischen Wettstreit; die ökonomischen und politischen Anliegen der Bourgeoisie vereinte der Liberalismus ideologisch.

Wie der Wettkampf nur einen Sieger kennt, so geht aus der Konkurrenz von Unternehmen letztlich das Monopol hervor; diese Gesetzmäßigkeit mag verlangsamt und behindert werden, doch innerhalb des Kapitalismus läßt sie sich nicht vollkommen außer Kraft setzen; (s. Die Entstehung der Neuen Linken 5f). Zugleich bilden sich Aktiengesellschaften, durch die sich die Profitmehrung objektiviert, d.h. vom Wollen und Wünschen des einzelnen Unternehmers unabhängig macht  (s. Die geistigen Wurzeln der Neuen Linken 2b). Die Unternehmer verkauften ihre allzu komplex gewordenen Betriebe und wurden zu Geldkapitalisten. An die Stelle des älteren Liberalismus trat im weiteren Verlauf des 20. Jahrhunderts der Neoliberalismus, und zwar weltweit, sichergestellt durch die USA. Politisch wirkte sich dies dadurch aus, daß an die Stelle des Wettstreits ein Parteienkartell trat, dessen zwei Fraktionen gebildet werden von den sparsamen Neoliberalen und der Neuen Linken, die das Geld für vorgeblich gute Zwecke ausgeben will, vor allem die Sozialindustrie, in der ihre eigene Klientel beschäftigt ist. Alle Bestrebungen jenseits dieses Kartells werden von einem zunehmenden Totalitarismus verfolgt und gesellschaftlich erledigt mittels sozialer Ausgrenzung und ökonomischer Deklassierung nach den Regeln der Politischen Korrektheit. – Die Unternehmer, die ihren Betrieb weiterhin selbst leiten, verloren im Verlauf des 20. Jahrhunderts an gesellschftlichem Einfluß, da die politische Klasse immer weitgehender nur noch die Interessen der als Aktiengesellschaften organisierten Großkonzerne und der Geldkapitalisten vertrat.

Es liegt auf der Hand, daß der Monopolkapitalismus darauf aus ist, jede regionale Beschränkung zu überwinden; das Ergebnis stellt die nach zwei Weltkriegen erfolgreich durchgeführte Globalisierung dar. Multinationale Konzerne produzieren, ohne daß man sie noch einem bestimmten Land zuordnen könnte; daher verstehen sie es auch, sich der Besteuerung so weit zu entziehen, daß sie die Steuerlast minimieren und sich so einen Vorteil zu Ungunsten der nationalen Bourgeoisien verschaffen. – Doch gab man sich auch mit diesem Modell des Kapitalismus noch nicht zufrieden. Ab 1946 lehrte Milton Friedman* in Chicago. Sein Neoliberalismus zielte darauf ab, die Nachfrageseite bzw. die werktätigen Produzenten sich selbst zu überlassen, um die Angebotsseite bzw. die Unternehmen zu födern durch Beseitigung von Hemmnissen wie den Anti-Trust-Gesetzen. In den siebziger Jahren wurden neoliberale Konzepte verwirklicht, so in Chile nach dem dort von den USA inszenierten Militärputsch von 1973. Ein markantes Datum stellt der Regierungsantritt Margaret Thatchers** in Großbritannien dar, der 1979 erfolgte.

* geb. 1912, gest. 2006; Wirtschaftsnobelpreis 1976

** Margaret (Hilda) Thatcher, geb. Roberts; geb. 1925, gest. 2013; Premierministerin 1979 – 1990

1980 wurde Ronald Reagan* zum Präsidenten der USA gewählt, und im folgenden Jahr trat er sein Amt an. Seine Politik wies auf die künftige Vervollkommnung des Profitmehrungsprinzips hin, denn er förderte nicht nur – wie man es vielleicht mit Blick auf den us-amerikanischen Neoliberalismus erwartete – die Produktion, die Großkonzerne, deren Fusionen erleichtert wurden, sondern seine „Reagonomics“ begünstigten daneben zugleich die Geldkapitalisten durch Herabsetzung der Spitzensteuersätze. Die Investitionen der Geldkapitalisten waren bereits durch das Investmentbanking systematisiert worden, und um dieses zu entschränken, wurde in den USA das Trennbankensystem des New-Deal von 1933 aufgehoben (1999). So optimierte man die Profitmehrung. Der Kapitalismus vollendete sich.

* geb. 1911, gest. 2004; US-Präsident 1981 – 1989

 

3 Kommentare zu „Gedankensplitter: Globaler Neoliberalismus 3 (13. Febr. ’15)“

  • Unke:

    Für ein (nein: ZWEI!) derart komplexe Themen wie Liberalismus und Neoliberalismus ist so ein Gedankensplitter zu wenig; da muss es zwangsläufig zu (groben!) Fehlern kommen.
    Das jemand etwas grundsätzlich nicht verstanden hat merkt man bei der Behandlung des „Liberalismus“ im 20. Jahrhundert. Dabei ist es doch ganz einfach: der (klassische!) Liberalismus (der sich vor allem gegen Religion bzw. die Kirche und gegen den Adel richtete) war bis 1914 dominant, danach war (und ist) er in der Defensive. Seitdem nämlich hat der Marxismus (als Bolschewismus, kultureller Marxismus, Sozialismus oder Linksfaschismus) die Regie übernommen. Was das strukturell ist ist Gegenstand von ganzen Bibliotheken; durch die Bank ist allerdings eines festzustellen: der rapide Anstieg des Staatsanteils oder: das raketengleiche Wachstum des Staatssektors. Damit einher geht -zwangsläufig!- eine Orgie an (psychischer und physischer) Gewalt (wie soll auch sonst 50% und mehr von den produktiven Menschen eingetrieben werden?). „Reagan“ und „Thatcher“ sind dabei nur zwei Tröpfchen auf dem heißen Stein; zwei einsame Heroen, die versuchten sich dem Lauf der Geschichte entgegenzustellen.
    Interessant übrigens die Erwähnung von Friedman: von den Reformen der „Chicago Boys“ unter Pinochet profitiert Chile noch heute; denn -und so ist das IMMER- jetzt haben die (aktuellen) sozialistischen Machthaber wieder (bzw. immer noch!) Geld zum Stimmenkauf. In der gleichen Zeit ist das Nachbarland Argentinien schon 2x pleite gegangen!

    [vO: Wer meint, Thatcher und Reagan hätten sich als „Heroen“ dem Lauf der Geschichte entgegengestellt, zugleich von den Chicago-Boys schwärmt und in seinen wenigen Sätzen das Thema behandelnd einerseits behauptet, „es ist doch ganz einfach“, aber andererseits meint, es sei zu komplex, als daß ich einen Überblick mittels einiger Absätze zu geben vermöchte, obwohl ich dabei auf zwei längere Beiträge einer ganzen Sammlung von Artikeln über Neoliberalismus und Neue Linke verwiesen habe, muß sich in der Adresse geirrt haben.]

  • Unke:

    Also das würde mich jetzt zwischendurch schon interessieren: was war denn an Thatcher und Reagan so schlimm?

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