Die Entstehung der anti-racistischen Ideologie (10)
Der eigentliche Protagonist des Romans „Uncle Tom‘s Cabin“ ist eben jener im Titel genannte Tom, eine anerkannte Persönlichkeit und daher allgemein respektvoll mit „Onkel“ angeredet, ein schwarzer Sklave in Kentucky, der zusammen mit Frau und Kindern ein Blockhaus, „log building“, nahe dem Wohnhaus der weißen Herrschaft, einer Familie Shelby, bewohnt. Vier Jahre vor dem Beginn des im Roman Erzählten hat sich Tom, dessen Nachname nicht erwähnt wird, während eines „camp-meetings“ zum protestantischen Christentum erwecken lassen, und die von ihm bevorzugten Lieder lassen darauf schließen, daß er ein Methodist geworden ist. Tom gilt inzwischen unter den Sklaven der Shelbys als religiöse Autorität, „a sort of patriarch in religious matters“*. Schon vor seiner Erweckung wird Tom ein tüchtiger und zuverlässiger Arbeiter gewesen sein, aber nun ist er de facto der Verwalter des Shelby‘schen Besitztums, während Toms Herr, Mr. Arthur Shelby, eher unglücklich agiert** und sich durch Fehlspekulationen verschuldet; seine Wechsel hat ein Sklavenhändler aufgekauft, der ihn dazu zwingt, ihm Tom zu überlassen. Damit hebt Toms Passion an: er wird von Kentucky weggeführt und in den Süden verkauft.
* Kap. 4
** Schwarze Männer sind eben nicht nur hilfsbereit und vorbildliche Ehemänner; viele erweisen sich auch als nicht nur fleißige, sondern dabei sogar hochbegabte Arbeiter, ohne die alle Werktätigkeit wenig effizient bliebe. So ist ist Tom eigentlich der Leiter des Gutes Mr. Shelbys, Tom „…manages my whole farm…“, so Shelby selbst, Kap. 1.
Zuerst gelangt Tom noch an einen Herrn in New Orleans, der es gut mit ihm meint, Mr. Augustine St. Clare, der von französischen Hugenotten aus Kanada abstammt. Doch nach etwa zwei Jahren stirbt Mr. St. Clare, und Tom gerät in den Besitz eines Plantagenbesitzers namens Simon Legree, der – wie George Harris‘ Besitzer – auf Gewinn verzichtet, wenn er seine Sklaven nur quälen kann. Darin erweist sich die ursprüngliche Natur des weißen Mannes: Er ist ein Sadist. Er ist weniger Mensch als Tier; dies zeigt sich deutlich im Falle des Sklavenjägers Tom Loker, der als eine Art Bulldogge mit menschlichem Antlitz beschrieben wird,* also eigentlich als ein Untermensch. Der tierische Charakter des Mannes zeigt sich schon darin, daß er Alkohol trinkt. Weiße Frauen tun dies im Roman gar nicht und schwarze nur, wenn sie durch stete Mißhandlung ihrer [männlich-weißen] Herrschaft dazu getrieben werden.** Der Sadismus des weißen Mannes kann durch den wohltätigen Einfluß des Geldes, d.h. durch Gewinnstreben, zumindest in Grenzen gehalten werden; dies beschränkt ihn in seiner Neigung zum Quälen schwarzer Sklaven. Regelrecht zivilisiert und frei von seinem Untermenschentum wird der weiße Mann dadurch, daß er sich zum [protestantischen] Christentum bekehrt oder ihm zumindest positiv gegenübersteht;**** noch menschlichere Züge nimmt der weiße Mann an, wenn er unter dem Einfluß einer [weißen] Ehefrau lebt, die ihn fortwährend auf seine Fehler und Schwächen hinweist, so daß er zumindest nachträglich die eine oder andere Scharte auswetzen kann.***** Wie unsinnig sich Männer sonst verhalten zeigt das Beispiel Mr. Shelbys, der ohne Wissen seiner Ehfrau spekuliert und sich verschuldet hatte, womit er schuld ist an Toms Unglück.
* „a bull-dog come unto man‘s estate“, Kap. 8
** s. das Beispiel der alten Prue, Kap. 18 – 19; vgl. auch Cassy, Kap. 36
*** vgl. das Beispiel des sklavenhändlers Dan Haley, Kap. 1ff.
**** so Tom Loker, der nach eine Verwundung von einer alten Quakerin gesund gepflegt wird, s. Kap. 37
***** vgl. bes. das Beispiel Senator John Birds, Kap. 9
Wenn Harriet Beecher-Stowe als Anti-Racistin bezeichnet wird, da sie zwar nicht die ideologischen Grundlagen des Racismus in Frage stellt, aber an die Stelle des weißen Racismus puritanischer Provenienz einen schwarzen setzt, der auf ein Afrika der Zukunft hofft, dann läßt sie sich analog dazu auch als Anti-Sexistin bezeichnen, da sie die Dominanz des (weißen) Mannes in diejenige der (weißen) Frau verkehrt; Harriet Beecher-Stowe leugnet nicht die Unterschiedlichkeit der Geschlechter und das Machtgefälle zwischen den Eheleuten, sondern stellt deren Verhältnis zueinander auf den Kopf. Anti-Racismus wie Anti-Sexismus sind danach nicht Negationen von Racismus und Sexismus, sondern sie verkehren die Vorzeichen: schwarzer statt weißer Racismus, weiblicher statt männlicher Sexismus. Genau genommen wäre also von Anti-Weiß-Racismus bzw. Anti-Adams-Sexismus o.ä. zu sprechen. – Weißen Racisten gelten Schwarze wie Tom nach Harriet Beecher-Stowe als Angehörige einer minderwertigen Race, „degraded race“*.
* Kap. 16 (zwei Mal im Text)
Obwohl – oder gerade weil – sich der fromme Tom als der beste Arbeiter auf der Baumwollplantage Simon Legrees erweist, haßt dieser ihn;* Legree beraubt Tom seines Methodisten-Gesangbuches, weil er das (erweckte) Christentum** grundsätzlich verabscheut. – Während sich in Tom das Gute als wahrer Mensch verkörpert, wird der noch unter einem Tier stehende*** und abergläubische Legree vom Geist des Bösen**** angetrieben.
* „…Legree hated him the more for that, yet the consideration was still somewhat of a restraint to him.“ Kap. 40
** „infernal old methodism“, Kap. 32
*** vgl. die Wendung „…[those] brutal men are lower even than animals“, Kap. 32
**** „spirit of evil“, Kap. 40; vgl. dazu die Flasche, aus der er „spirit“ trinkt, Kap. 32
Simon Legrees Plantage ist so etwas wie ein Arbeitslager, aus dem es bisher niemandem gelungen ist zu entkommen, denn er hält mehrere Buldoggen als Bluthunde, die darauf abgerichtet sind, jeden Flüchtigen zu stellen und ihn zerreißen, wenn ihr Herrn sie nicht davon abhält. Legree ist weder durch Gewinnstreben, noch durch das Christentum, geschweige denn eine Ehefrau in seiner weiß-männlichen Grausamkeit gemäßigt. Daher verbraucht er* seine Sklaven [bzw. vernichtet er sie durch Arbeit] innerhalb von zwei oder drei bis zu maximal sechs oder sieben Jahren und erwirbt dann neue**. Es muß ihm selbst mehr oder weniger klar sein, daß er damit nicht besonders profitabel wirtschaftet, doch er sucht sich zu rechtfertigen und sagt: „,… Ich bin mir [doch] ziemlich sicher, daß es [sich] am Ende [als] günstiger [erweisen] wird [als das auf Erhaltung der Arbeitskraft setzende Verfahren];‘ …“*** Tatsächlich wird sich Legree als Sadist damit bloß wohler fühlen, als wenn er verantwortlich handelte.****
; es bleibt unsicher, wieviel Gewinn dies abwirft, wenn Legree persönlich auch meint, dies wäre wohl ein günstigeres Wirtschaften („I‘m quite sure it comes cheaper in the end“) [als das auf Erhaltung der Arbeitskraft setzende].
* „use up“, Kap. 31
** „buy more“, Kap. 31
*** „,… I‘m quite sure it comes cheaper in the end;‘ …“, Kap. 31
**** … [das] ist [halt] meine Art[, damit umzugehen]; -macht weniger Ärger, … „,(Use up, and buy more,) ‘s my way; -makes you less trouble, (and I’m quite sure it comes cheaper in the end;)‘ …“ Kap. 31
Im Grunde genommen handelt es sich bei Legrees Plantage also um ein Gefangenenlager zur Vernichtung racisch Minderwertiger, aus dem dessen Besitzer auch noch Gewinn zu erzielen wünscht, allerdings wenig konsequent. Zu seiner Unterhaltung läßt er sich von den Sklaven jedoch schon einmal etwas nach seinem Geschmack vorsingen, und er wählt unter ihnen eine Concubine aus. Sambo und Quimbo, zwei schwarze Männer, hat Legree als menschliche Bulldoggen abgerichtet.* Die beiden hassen einander gegenseitig und sind einzig ihrem Herrn ergeben, obwohl solch ein Verhalten eigentlich der Eigenart der [schwarzen] Race, „the character of the [black] race“, widerspricht.** – Die Sklaven arbeiten tagsüber auf den Baumwollfeldern und übernachten in roh gezimmerten Baracken, die an einer Lagerstraße errichtet sind.*** Darin hat jeder Sklave nur eine Schlafstelle auf schmutzigem Stroh, das auf dem bloßen Erdboden ausgeschüttet ist.
* „Legree had trained them in savageness and brutality as systematically as he had [trained] his bull-dogs; …“ Kap. 32
** Kap. 32
*** „street of rude shanties“, Kap. 32
Tom erhält die einzigartige Möglichkeit zu entfliehen, was bis dahin niemandem gelungen war; doch er bleibt freiwillig, um seine Leidensgenossen nicht im Stich zu lassen. Legree befiehlt Sambo und Quimbo, Tom unter einem Vorwand zu mißhandeln. Anschließend verlangt er eine Entschuldigung von Tom, die dieser verweigert, da er nichts Unrechtes getan habe. Legree beschließt die baldige Vernichtung Toms. – Als sich eine Gelegenheit ergibt, mißhandelt ihn Legree zusammen mit Sambo und Quimbo; bevor Tom das Bewußtsein verliert, verzeiht er seinen Peinigern und rührt damit die Herzen der beiden Schwarzen, nicht das Legrees. Als Sambo und Quimbo mit Tom allein sind, bitten sie ihn um Verzeihung, die er ihnen gewährt; Sambo [und Quimbo] kommen zum christlichen Glauben.*
* Kap. 40
Mr. Arthur Shelby ist inzwischen verstorben. Sein Sohn George gelangt nach langer Suche auf Legrees Plantage, um Tom freizukaufen. George Shelby findet den sterbenden Tom in einem Verschlag oder Schuppen, „shed“. Er erhält den Leichnam von Legree und bestattet ihn außerhalb der Plantage.* – Nach Kentucky zurückgekehrt läßt George Shelby – gewiß im Einverständnis mit seiner abolitionistisch eingestellten Mutter – sämtliche Sklaven, die ihm gehören, frei. Die wollen erst gar nicht darauf eingehen, weil sie fürchten, die Grundlage ihrer materiellen Existenz zu verlieren. Doch George Shelby erklärt ihnen, daß sie weiterhin auf seinem Gut, „estate“, tätig sein sollen, jedoch nicht mehr als Sklaven, sondern als Lohnarbeiter; George Shelby erfüllt damit seinen Schwur, den er am Grabe Toms abgelegt hat. Schließlich knien alle gemeinsam zum Gebet nieder. [Tom hat ihnen durch seinen Tod die Freiheit erwirkt, und] daran sollen die ehemaligen Sklaven stets denken, wenn sie die ehemals von ihm bewohnte [Block]hütte, eben Uncle Tom‘s Cabin, erblicken[; sie bildet einen Gedächtnisstätte, „memorial“, vergleichbar dem Abendmahl, das von manchen Protestanten als bloße Gedächtnisfeier verstanden wird].** [So wird endlich auch der Titel des Romans verständlich.]
* Kap. 41
** Kap. 44 – Das symbolische Abendmahlsverständnis kann im Englischen als „(symbolic) memorialism“ bezeichnet werden.
Bis dahin war es keinem weißen Herrn des Romans gelungen, einen schwarzen Sklaven freizulassen, weil der Tod ihm stets einen Strich durch die Rechnung gemacht hatte. Nun erst, nach Toms Passion, gelingt dies. Während sich George Harris mit seiner Familie nördlich des Ohio in Sicherheit gebracht hatte, faßt mit Toms Todesleiden endlich die Befreiung der Sklaven auch südlich des Flusses Fuß. Anscheinend trägt das freiwillig von Tom auf sich genommene Sterben den Charakter stellvertretenden Leidens: Tom ist offenbar an Stelle derjenigen weißen Männer gestorben, die guten Willens ihre Sklaven freizulassen gedachten, dies aber gegenüber der Macht des Todes nicht durchzusetzen vermochten. Für diese weißen Männer ist Tom gestorben, so daß sie nun lebendig bleiben und – gleich George Shelby – ihre Sklaven in die Freiheit (des Lohnarbeiters) zu entlassen vermögen.
Dies ist ein Aspekt des durch Tom vollbrachten Erlösungswerkes; ein zweiter kommt hinzu, denn wie er dem weißen Mann guten Willens die Möglichkeit zur Vollbringung des wohlgefälligen Werkes (der Sklavenbefreiung) eröffnet hat, so rettet Tom auch die weiße Frau. Letzteres wird im Roman nur ganz kurz geschildert, und es ist doch von größter Bedeutung. Hinzu kommt, daß die – unmündig gehaltene – weiße Frau bildlich als fünf- bis sechsjähriges Mädchen dargestellt wird, als Tochter Mr. St. Clares. Sie trägt den Namen Evangeline, doch – gewiß nicht zufällig – wird sie ganz allgemein Eva genannt,* gleich der Stammutter aller [weißen] Menschen.
* „,[My name is] Evangeline…though (papa and) everybody (else) call me Eva. …‘“ Kap. 14
Eva(ngeline) befindet sich auf einer Schiffsreise zusammen mit Mr. St. Clare, als die beiden Tom kennenlernen. Als das Schiff einmal anlegt, fällt Eva(ngeline) ins Wasser, und Tom rettet sie, bevor Mr. St. Clare dasselbe versuchen kann. – Von der inneren Logik des Erzählten her müßte Evangeline die Ehefrau, nicht die Tochter Mr. St. Clares sein. Deren Rettung durch Tom, klarer und eindeutiger in ihrer Aussage, wäre wohl zu pikant für den Roman gewesen. – Die im Buch als Ehefrau St. Clares auftretende Person ist eigentlich nur eine Karikatur; sie befaßt sich ständig mit eingebildeten Beschwerden und gleicht damit überhaupt nicht den übrigen weißen Frauen des Romans.
Eva(ngeline) wendet sich [vom weißen Mann ab und] Tom zu. Sie bekennt, daß sie ihn glücklich machen möchte.* Sie [liebt überhaupt alle Schwarzen und] möchte ihr Leben geben für deren Freiheit;** Eva(ngeline) stirbt tatsächlich bald[, doch ihr Tod hat nicht wie derjenige Toms heilstiftende Wirkung]. Eva(ngeline) ist durch eine latente Tuberkulose belastet, und diese Krankheit bricht offen aus, nachdem Eva(ngeline) mit einem – ihrem vorgeblich kindlichen Lebensalter entsprechend ebenfalls nicht erwachsenen – weißen Vetter, der sich sogleich als Sadist zeigt, einen Ausritt unternommen hat;*** danach stirbt Eva(ngeline).**** – Die Autorin weist bildlich verklausuliert und durch Herabsetzung der Altersangabe in noch zusätzlich entstellter Weise darauf hin, daß es der gemeinsame (Aus)ritt des weißen Mannes mit der weißen Frau ist, welcher letztere sterbenskrank macht und ihr schließlich den Tod bringt.
* „I want to make him happy.“ Kap. 14
** s. Kap. 24
*** Kap. 23
**** Kap. 26
Eva(ngeline) hat ein engelhafteres Wesen als andere Menschen.* Sie ist anscheinend frei von jeglicher sündhaften Neigung, denn von ihrem Geist perlt alles Böse ab wie Tau von einem Kohlblatt: kein Tropfen dringt darin ein.** Diese [Stammutter aller weißen] Frau[en] rettet Tom,*** während die geschlechtliche Verbindung mit dem weißen Mann ihr den Tod bringt. – Harriet Beecher-Stowes Halbschwester Isabella Beecher-Hooker hatte als Angehörige der us-amerikanischen Frauenbewegung den Standpunkt vertreten, dem Manne sei eine Vorherrschaft notgedrungen so lange einzuräumen, wie die Frau, ins Besondere als Mutter, einen Beschützer brauche; die Verhältnisse ließen sich umkehren, wenn dieser Grund entfiele.**** Für dieses Problem liefert Harriet Beecher-Stowes Roman die Lösung: Es ist ja derselbe weiße Mann, der die weiße Frau wie den schwarzen Sklaven unterdrückt,***** und mit der Befreiung der Schwarzen wird auch die Befreiung der weißen Frauen anheben; Anti-Sexismus benötigt Anti-Racismus.
* „…more angel than ordinary…“, Kap. 19
** „…evil rolls off Eva’s mind like dew off a cabbage-leaf [Kohlblatt], — not a drop sinks in.“ Kap. 20
*** Das weiß-racistische Gegenbild führt der us-amerikanische Film „King Kong (1933)“ vor Augen, wo ein von den farbigen Eingeborenen vergötzter Riesenaffe, sozusagen deren männliches Urbild, die blondierte weiße Frau in bedrohlicher Weise begehrt.
**** s.o. Teil (4)
***** s.o. Teil (7)
Bis dahin waren Frauen- und Sklavenbefreiung von den Vertreterinnen der us-amerikanischen Frauenbewegung lediglich nebeneinander vertreten worden, indem man auch die Sklavenbefreiung forderte. Doch diese Position krankte an einem inneren Widerspruch, denn die Schwarzen, zumindest die Männer, würden als Verbündete erst wirksam werden können, wenn sie die Freiheit erlangt hätten, doch eben dann fielen sie als Bundesgenossen aus, weil sie den weißen Männern gleich werden würden. – Erst Harriet Beecher-Stowe gelang es, in „Uncle Tom‘s Cabin“ eine neue Perspektive für den gemeinsamen Kampf gegen den weißen Mann aufzuzeigen: Die Schwarzen würden den Weißen nicht einfach gleich werden, sondern sich kulturell über deren Zustand hinaus entwickeln* und eben dadurch der weißen Frau auf irgendeine Weise zu der ihr zukommenden Vorherrschaft verhelfen, ist sie doch durch und durch Mensch, während der weiße Mann ständig zum Tierischen abzusinken droht, weshalb ihm vor allem auch das Alkoholtrinken zu untersagen ist.
* In der DDR nannte die Propaganda so etwas „überholen ohne einzuholen“.
Im Roman werden Beispiele dafür geschildert, wie das üble Verhalten der weißen Männer auf deren schwarze Sklaven abfärbt, z.B. im Falle von Mr. St. Clare und seinem Adolph;* m.a.W. der Weiße ist schuld am gegenwärtig noch vorhandenen Fehlverhalten des Schwarzen. – Die Umkehrung der Verhältnisse wird sich auf evolutionärem Wege** oder revolutionärem Wege*** durchsetzen; letzteres erfolgt, wenn die [von Aufklärungsphilosophie und Liberalismus geforderte] Gleichheit sich nicht verwirklicht.**** – In Nordamerika herrscht z.Z. von „Uncle Tom‘s Cabin“ Sklaverei; dies gehört zum Zeitalter des Kampfes und Krieges, „struggle and conflict“.***** [Je weiter jedoch die Schwarzen sich erst emanzipieren und dann ihre Kultur als überlegene erweisen, um so weitgehender wird auch Eva(ngeline) frei werden von der Bevormundung durch den weißen Mann. So wie das Zeitalter der angelsächsischen Race den Schwarzen und den weißen Frauen Unterdrückung beschert hat, wird das Zeitalter der schwarzen Race auch letzteren Befreiung bringen. Damit wird der weiße Mann von den zukünftigen Machtverhältnissen an das untere Ende befördert, wohin er auf Grund seiner mangelhaft menschlichen Natur auch gehört, d.h. die biologische und die kulturelle Ordnung werden endlich zur Deckung gebracht werden.
* s. bes. Kap. 18
** Sklavenbefreiung, Bildung etc., Aufbau des afrikanischen Zukunftskontinentes
*** Sklavenaufstand o.ä.; Umsturz, Aneignung von Bildung etc., Aufbau des afrikanischen Zukunftskontinentes
**** vgl. Kap. 23
***** Kap. 43
Schematisch läßt sich dies folgendermaßen darstellen:
Gegenwart Zukunft
Vorherrschaft Weißer Mann Schwarze(r Mann)
obigem unterstellt / der untersten Stufe übergeordnet weiße Frau weiße Frau
allen unterworfen Schwarze(r Mann) weißer Mann
[…] Zum Originalartikel […]
Diese Analyse hat mich schwer getroffen. Ich hab das Buch als 8-jähriges Kind gelesen. Es hat mich mehr berührt als jedes Buch vorher (und lange nachher), und ich habe alles, alles darin für wahr gehalten. Die Zweifel kamen erst ca. 50 Jahre später. Harriet Beecher-Stowe hat es verstanden, die Gefühle ihrer Leser anzusprechen und mit ihnen Klavier zu spielen. Ich bin damals – und das hat mich lange geprägt – auf all diese Auslöser hereingefallen. Der Roman hat auch eine Flut von Romanen und Filmen nach sich gezogen – immer mit demselben Tenor. So verführt, missbraucht, von der Sachlichkeit und Ernsthaftigkeit weggelockt und jahrelang dumm gehalten worden zu sein – das ist bitter!
@schwebchen
Muss Dir leider beipflichten. Erschreckend. Danke, Manfred, für die geleistete Aufklärungsarbeit.
[Anm.: Die Artikelreihe ist nicht mit Autorennamen versehen. Sie stammt aber, wie auch die übrigen Beiträge auf dieser Seite seit dem Frühjahr 2011, so weit nicht anders gekennzeichnet, von mir, vO.]