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Gedankensplitter (1. Dez. 2016)

Die Bewältigung der jeweiligen Gegenwart stellt stets eine – mehr oder minder schwierige – Aufgabe dar. Der einzelne sieht sich herausgefordert, aber auch ganze Gesellschaften. Bestimmte Politiker mögen für charakteristische Lösungsvorschläge stehen, doch gelegentlich gibt es grundlegende Tatsachen, die keiner, der ernstgenommen werden will, ignorieren kann. Gegenwärtig stellt sich die wirtschaftliche Lage und die gesellschaftliche Position allzu vieler Menschen in den USA offensichtlich so unbefriedigend dar, daß sie bei „more of the same“ nicht weiter mitmachen wollen. [Letzter Satz mit drei „so“ umformuliert; 1. Dez.]

Der designierte US-Präsident Trump wird häufig mit der Losung „Protektionismus!“ identifiziert. Mit entsprechenden Maßnahmen soll vor allem auf die Verlagerung von Arbeitsplätzen ins kostengünstigere Ausland reagiert werden, denn viele Erwerbslose sind mit ihrer Situation auch dann unzufrieden, wenn ihnen ein geringer Anteil am Konsum weiterhin gewährt wird.

Es gab jedoch schon unter US-Präsident Obama erste Anzeichen eines sich entwickelnden Protektionismus, und dies zeigt, wie wenig individuell eine solche Reaktion auf die bestehende Lage in den USA ist; es hangt nicht von der Person Trump ab. – Es geht auch nicht allein um die Verlagerung von Produktionsstätten ins Ausland, sondern ein vorangehender Schritt besteht in der Verdrängung ausländischer Konkurrenten vom Markt oder zumindest deren Behinderung.

Im Jahre 2015 traf dies die Schweizer UBS-Bank. Mehr als 1 Milliarde Euro hatte sie 2012 wegen Libor-Manipulation zu bezahlen, nachdem sie sich in den USA selbst angezeigt hatte. 2015 zeigte sie sich wegen möglicherweise unzulässiger Devisengeschäfte erneut an, wurde zwar für unschuldig befunden; bezahlen mußte die UBS trotzdem, denn 2012 war ihr nach der Selbstanzeige und der Hinnahme der Bestrafung zugesichert worden, sie würde nicht weiter verfolgt; nach der – grundlosen – Selbstanzeige von 2015 gilt die UBS jedoch als „Wiederholungstäterin“ und hat erneut wegen der damaligen Libormanipulation zu bezahlen, und zwar mehr als 200 Millionen US-Dollar; hinzu kommen fast 350 Millionen US-Dollar wegen des unkorrekten Verhaltens einiger UBS-Mitarbeiter bei Devisengeschäften. – Zum Vergleich: Die britische Barclays-Bank hatte ins Gesamt nicht einmal eine halbe Milliarde US-Dollar zu bezahlen, und US-Banken werden noch weitgehender geschont.

VW räumte 2015 ein, die Abgaswerte von Dieselfahrzeugen manipuliert zu haben. Im Herbst 2016 wurde festgestellt, daß in Folge dessen Kosten von mehr als 16 Milliarden US-Dollar für Entschädigungen und Strafen auf VW in den USA zukommen. – Zum Vergleich: General Motors hatte 2015 eine Strafzahlung von nicht einmal 1 Milliarde US-Dollar zu leisten, obwohl der Grund dafür ein weit schwerwiegenderer als im Falle VW’s war, denn die Zündschlösser bestimmter Fahrzeugtypen sprangen gelegentlich von selbst auf „Aus“, wodurch sie den Motor sowie sämtliche Elektronik abschalteten; so traten Unfälle ein, bei denen fast 1400 Personen verletzt wurden und mehr als 100 gestorben sein sollen.

Die Deutsche Bank hatte wegen Beteiligung an der Manipulation des Libor bereits 2013 fast zwei Milliarden US-Dollar als Strafe zu bezahlen. Doch 2016 kündigten sich weitere Belastungen von Seiten der USA an: Wegen bisher zu geringer Steuerzahlungen wollte die EU im August vom US-Konzern Apple Nachzahlungen von bis zu 13 Milliarden Euro fordern, falls es sich herausstellen sollte, daß Apple in Irland niedrige Steuer bezahlt hat für Umsätze, die in anderen EU-Staaten mit höheren Steuersätzen erzielt wurden. Daraufhin drohten die USA ganz unverhohlen mit Sanktionierung von Firmen aus der EU. Frankreich forderte wenige Tage später einen Stop der Freihandelsverhandlungen zwischen EU und USA (TTIP), fand damit beim treuesten Vasallen der USA innerhalb der EU aber natürlich kein Gehör. – Als erstes Opfer ihrer Gegenmaßnahmen erkoren die USA die Deutsche Bank aus. Mitte September forderte das US-Justizministerium wegen angeblicher Unregelmäßigkeiten bei Immobiliengeschäften vorerst 14 Milliarden US-Dollar von der Deutschen Bank; diese hoffte auf Verminderung der Summe – der deutsche Steuerzahler, der wohl finanziell zu Hilfe zu eilen haben würde, auch. Dazu sei angemerkt, daß die Forderung Ende September tatsächlich auf etwa fünfeinhalb Milliarden US-Dollar reduziert worden ist. Doch was folgt als nächstes?

Fazit: Der Trump’sche Protektionismus dürfte kaum angenehm für die EU-Staaten werden, doch immerhin wäre es positiv, wenn sich Illusionen dadurch verflüchteten.

 

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