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Diplomatische Tauschgeschäfte

Ein Glaubenssatz  der BRD lautet,  die deutsche Industrie habe ab 1953 ausländische Gastarbeiter angeworben, weil diese benötigt worden seien.

 Die Karlsruher Wirtschafts- und Sozialhistorikerin Heike Knortz widerspricht: Nicht die deutsche Wirtschaft sei Initiator der Gastarbeiterzuwanderung gewesen, sondern die Entsendeländer selbst, die damit eigene Probleme im Land zu bewältigen suchten. In diesem Kontext trugen sie  ihre Bitten an die Bonner Ministerien heran und die deutsche Regierung folgte diesen Bitten – aus Motiven der deutschen Außen- und Außenhandelspolitik.

So Knortz Kernaussage, die sie in ihrem Buch “Diplomatische Tauschgeschäfte“ ausführlich belegt.

Eine Rezension des Buches brachte die FAZ: Initiative der Entsendeländer 
Das Buch und eine weitere Kurz-Rezension auf Buch.de

27 Kommentare zu „Diplomatische Tauschgeschäfte“

  • Tobias:

    Das Buch habe ich mir nach Erscheinen gleich gekauft. Theoretisch hätte es zu einer Erschütterung der ‚Wir-haben-die Menschen-schließlich-ins-Land geholt‘-Argumentationskette führen. Hat es bislang aber nicht. Daraus kann man schließen, dass die Fakten den Meinungsmachern seit jeher bekannt waren. 

  • @Tobias

    Meine Vermutung ist, dass genau aus diesem Grund – Erschütterung eines BRD-Glaubenssatzes, auf dem weitreichende Politik aufgebaut ist – Heike Knortz  Buch „tief gehängt“ wird.

  • Anna Luehse:

    Helmut Schmidt am 25.11.2004 „…war es ein Fehler, daß wir zu Beginn der 60er Jahre Gastarbeiter aus fremden Kulturen ins Land holten.“ Er sollte die wahren Hintergründe kennen.

    Stefan Luft bestätigt in Abschied von Multikulti 2006, Die Türken wurden nicht „geholt“, sondern uns regelrecht aufgedrängt. Eine schwache deutsche Regierung gab dem Druck des Herkunftslandes ohne Widerstand nach. Die Türkei hatte eine massives Interesse daran, ihren heimischen Arbeitsmarkt zu entlasten und Devisen einzunehmen, mit denen das hohe Auslandsdefizit verringert werden konnte. Den Bevölkerungsüberschuß ans Ausland abzugeben war daher für die türkische Führung eine reizvolle Möglichkeit,

  • Oliver:

    Eigentlich ist alles gesagt und auch bekannt. Ich finde es mittlerweile nervenzerfetzend, dass unumstößliche Tatsachen einfach übergangen werden und man so weitermacht wie bisher. Helmut Schmidt hat mehrfach darauf hingewiesen, dass das Zulassen von Zuwanderung kulturfremder Ethnien (in seiner Amtszeit) ein Fehler gewesen sei. Gleichwohl wird er dafür nicht in Haftung genommen, ebenso wenig, wie die nach ihm agierenden Protagonisten. Er wird weiter wie ein Popstar gefeiert und genießt seine Ruhestandsbezüge. Er wird mutmaßlich auch nicht in die Situation geraten, in einem U-Bahnhof Bekanntschaften der besonderen Art machen zu müssen.   

  • „“schwache deutsche Regierung““
    aha, hat sich also nicht viel geändert.
    Mit den gleichen Rahmenbedingungen heute zutage ist es klar dass man den Goldesel DE nicht verlieren möchte.
    Esel aber wenn man von deutscher Seite  die Realitaeten nicht sehen will und starrköpfig weiter auf Eis gehen wird….

  • Blond:

    Nu ich wieder mit `nem neuen OT
    VON WEGEN : ARMUT MACHT KRIMMINELL:
    http://www.faz.net/s/Rub77CAECAE94D7431F9EACD163751D4CFD/Doc~EBB28B16646BD49FB932E9096DCE4780D~ATpl~Ecommon~Scontent.html
    Kriminalität
    54 Kilo Drogen bei Airline-Besatzung gefunden
    21. Januar 2009 Die gesamte Besatzung einer Maschine der südafrikanischen Fluglinie South African Airways ist wegen des Verdachts des Drogenschmuggels in London festgenommen worden. Die britische Polizei fasste die zehn Frauen und Männer inklusive Kapitän und Co-Pilot, …

  • Fabian:

    Die JF hatte auch schon eine Rezension veröffentlicht: http://www.jf-archiv.de/archiv08/200843101778.htm

    Ich hatte das Buch mal angelesen. Es ist halt sehr wissenschaftlich geschrieben und die Kernthesen hätten ruhig knackiger formuliert werden können. So klang es mehr danach, als wenn es das Außenministerium und weniger das Wirtschaftsministerium die Masseneinwanderung wollte, dennoch es deutscher Wunsch war. Der massive außenpolitische Druck, nicht nur der entsprechenden Länder, sondern auch der USA, wird kaum erwähnt. Dazu hätte ich gerne mehr gelesen.

  • frank:

    Was denn, die Türken haben also doch nicht Deutschland wiederaufgebaut? Da bin ich aber überrascht! Nein im Ernst, die damals verantwortlichen deutschen Politiker haben uns viele Kuckuckseier ins Nest gelegt, und jetzt will die Brut ihren Teil vom Kuchen abhaben. Und dieser Teil geht gegen 100%.

  • Sir Toby:

    # frank

    „Und dieser Teil geht gegen 100%.“

    Mhh, … aber werden sie sich schon mit 100% zufrieden geben? Oder werden sie dann nicht einfach ihr ’natürliches Recht auf mehr‘ einfordern??

  • Anna Luehse:

    #Fabian
    Im Dezember 1960 war der Vertreter der türkischen Botschaft in Bonn vorstellig geworden und hatte erklärt, die Türkei wolle als NATO-Partner gegenüber Griechenland nicht diskriminiert werden. Das deutsch-griechische Abkommen war im März 1960 vereinbart worden. (…)Der Vorläufer der heutigen Bundesagentur für Arbeit richtete in Istanbul eine Verbindungsstelle ein, die binnen kurzem von Auswanderungswilligen regelrecht gestürmt wurde. (…) Dennoch hatte die deutsche Seite zumindest zunächst einen kleinen Sicherheitsriegel in das Abkommen von 1961 eingebaut: Die Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis war auf nur zwei Jahre befristet, und von einem »Familiennachzug« war nicht die Rede.

    (…) Im Dezember 1962 forderte die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände das Bundesarbeitsministerium schriftlich auf, die Befristung aufzuheben. Auch aus der Türkei wurde der Druck in diese Richtung verstärkt und die deutsche Regierung somit regelrecht in die Zange genommen. Im September 1964 trat eine Neufassung des deutsch-türkischen Abkommens in Kraft, das keine Befristung mehr enthielt. Für die Türkei und das deutsche Kapital war das ein Sieg auf der ganzen Linie. Erst jetzt waren »die Weichen für eine dauerhafte Zuwanderung nach Deutschland gestellt.
    Quelle: Großer Wendig Band 3
    Lesenswert: Rede von Walter Hallstein anlässlich der Unterzeichnung des Assoziationsabkommens zwischen der EWG und der Türkei (Ankara, 12. September 1963)
    http://www.ena.lu/

  • Fabian:

    @“Anna Luehse“: Vielen Dank für den Hinweis.

  • Sir Toby:

    „Der Vorläufer der heutigen Bundesagentur für Arbeit richtete in Istanbul eine Verbindungsstelle ein, die binnen kurzem von Auswanderungswilligen regelrecht gestürmt wurde.“

    „Erst jetzt waren »die Weichen für eine dauerhafte Zuwanderung nach Deutschland gestellt.“

    Ich wehre mich entschieden gegen die Begriffe ‚Auswanderungswillige‘ und ‚dauerhafte Zuwanderung‘ – das ist die komplette Kapitulation vor einer Begriffsprägung, die von ‚den Guten‘ überhaupt erst um die Wende der siebziger zu den achtziger Jahren durch ihre totale mediale Überlegenheit eben medial durchgesetzt worden ist!

    Es waren mit absoluter Sicherheit keine ‚Auswanderungswilligen‘, die sich bei diesen ‚Verbindungsstellen‘ eingefunden/gemeldet haben, sondern GASTARBEITER!!!!!!!

    Ich hebe das deshalb so hervor, weil hier der Kern des Problems liegt. Ich bin Mitte der sechziger Jahre eingeschult worden, und ich habe bis zur Wende zu den achtziger Jahren doch jeden verdammten Tag erfahren, wie die Leute empfunden wurden – als Gastarbeiter. Und genauso haben sie sich selbst auch gesehen. Ich gehe jede, aber wirklich jede Wette ein, dass ihr, wenn ihr einen dieser Türken (und für die anderen Gastarbeitergruppe gilt haargenau das gleiche) aus dieser Zeit sprecht und der Mann nicht zwischenzeitlich zum Islamisten geworden ist, dann wird er euch genau dasselbe erzählen „Wir wollten nur ein paar Jahre bleiben … um Geld zu verdienen.“ Aber dann „… haben wir irgendwie vergessen heimzugehen“ … „… es hat uns aber auch keiner dazu aufgefordert“, wird dann vielleicht noch als Entschuldigung kleinlaut hinterhergeschoben.

    Was insofern falsch ist, als es faktisch zwar richtig ist, aber der Betreffende weiß natürlich auch, dass in der Zwischenzeit die gesellschaftliche Stimmung durch 68 gekippt war, und auch wenn die GASTARBEITER in ihrer überwältigenden Mehrheit wohl absolut keine Ahnung hatten, was da aus welchen Gründen und zu welchen Zielen vor sich ging, haben sie doch etwas anderes gespürt: Die trauen sich nicht uns heimzuschicken! Und das haben sie ganz pragmatisch zum eigenen Vorteil genutzt, indem sie noch ein Jährchen dran gehängt haben … und noch ein Jährchen … und noch eins … und dann fingen die ’neuen Deutschen‘ , ‚die Guten‘ an öffentlich loszuheulen, wie kalt und grausam das Schicksal des Gastarbeiters doch ist …. viel Arbeit gibts für wenig Geld, und dann muß er auch noch ins Puff, weil seine Matraze in Anatolien oder Sizilien bleiben muß …. und seine Kinder sieht er nur im Urlaub …. und all das nach Auschwitz!!!

    Aber …. Rettung naht, denn hier kommt die SPD! Mal wieder! Und wieder hat sie einen tollen Vorschlag, der den Deutschen, die zwischenzeitlich einen Evolutionssprung vom ‚gemeinen Deutschen‘ zum ganz neuen Angehörigen des ‚Willy-Brandt-Volkes‘ gemacht hatten, ganz doll warm ums Herz werden ließ (das war so die Zeit, als die BILD diese ‚Ein Herz für Kinder-Kampagne‘ fuhr): FAMILIENZUSAMMENFÜHRUNG. Und so wuchs zusammen, was nicht zusammengehört.

    Was die Herren GASTARBEITER mit ihrer bauernschlauen Wahrnehmung und Ausnutzung der gewendeten Stimmung unter den vormaligen Deutschen, aber nicht realisiert haben, ist, dass sie damit den unausgesprochenen psychologischen Vertrag brachen, der sie als ‚revierfremde Gastarbeiter‘ definierte, die selbstredend nach einer Zeit X wieder zu gehen hätten, und damit natürlich auch ihre Rolle veränderten: Vom ‚revierfremden Gastarbeiter, der nur für eine Zeit X‘ in einem eigentlich fremden Revier geduldet wird, um ‚ein bischen Geld‘ zu verdienen, zum Revierherausforderer und Konkurrenten des eigentlichen Revierhalters – also der vormaligen Deutschen!

    Und so sehen wir also auf zwei Seiten, über zwei separate Stränge sozusagen, das Bild eines Austauschs, eines Wechsels, eines Rollentausches. Auf der einen Seite die vormalige Deutschen, die sich vom gemeinen ‚Deutschen‘ über den ‚Angehörigen des Willy-Brandt-Volkes‘ bis zum heutigen ‚Angehörigen der Bevölkerung in Deutschland‘ entwickelte, und auf der anderen Seite, die vormaligen Gastarbeiter, die sich durch eigene Chuzpe und die Bereitstellung eines entsprechenden gedanklichen Überbaus durch die vormaligen Deutschen selbst, zum derzeitigen ‚Zuwanderer‘ und absehbaren ‚Angehörigen der neuen  Bevölkerungsmehrheit‘ in Deutschland (die es selbstverständlich anzuerkennen gilt, denn: Lehrsatz der Alltagspsychologie: Der Weg zur Heilung beginnt mit der Anerkennung der Realität (und der eingeschlossenen Weigerung diese verändern zu wollen!).

    Fast wie bei den beiden Strängen der Doppelhelix der DNS, bei denen ja auch jeder immer wieder ‚auf die andere Seite‘ wechselt und so einen kompletten Polaritätswechsel symbolisiert. Nur: Mit ‚Zuwanderung‘ hat das alles nichts zu tun. Es ist und bleibt eine Eroberung, bei dem sich die Eroberer um die Wahrheit herumlügen, weil sie schlicht zu blöd sind sie zu begreifen …. und die Eroberten lüge sich um die Wahrheit herum, weil sie sich zu schwach fühlen sie zu ertragen, denn sie fühlen sich eben auch zu schwach, das, was sie wahrnemn könnten, wenn sie denn wollten, zu ändern.

    Und so bewegt sich alles immer weiter auf die komplette PERVERTIERUNG der Verhältnisse im Wortsinne zu: einer kompletten VERDREHUNG  DES  EIGENTLICHEN nämlich. Und ich bitte um Entschuldigung, dass ich nicht gewillt bin das nicht auszusprechen.

  • Anna Luehse:

    #Sir Toby Die Bezeichnung „Auswanderungswillige“ ist ein Zitat aus dem Wendig. Es ist nicht exakt erkennbar, ob hier Stefan Luft zitiert oder nur interpretiert wird. Ich werde mich an den Verlag wenden, damit in einer weiteren Auflage ggfs. der Begriff korrigiert werden kann.

  • Anna Luehse:

    #Sir Toby Aus den Gastarbeitern wurden Fremdarbeiter, aus Ausländern wurden Mitbürger, die Liste ließe sich fortsetzen. Mit der Sprache nimmt man einem Volk auch seine Identität. Vorausgegangen ist eine gezielt eingesetzte Umerziehung von uns Deutschen allerdings an anderem Ort geplant und – wie wir feststellen können – erfolgreich durchgeführt. Es wäre ein eigenes Thema. 1970 immerhin unter der Regierung Brandt gab es einen Anwerbestop für Ausländer. Ein wesentlicher Punkt, warum dieser Stop keine Wirkung zeigte ist m.E. die Familienzusammenführung, die stets nur in einer Richtung gesehen wird. Die täglichen Probleme, die wir heute zu beklagen haben, sind vor allem durch den Massenzuzug von Moslems, deren Kultur uns absolut fremd ist und bleiben wird, entstanden. Und unter dieser Gruppe sind es vor allem die Türken. Aber wer hat die Schleusen geöffnet ? Wer hat großzügig den Griff in unsere Sozialkassen für jedermann ermöglicht ? Mein Zorn richtet sich gegen eben diese Politiker und Abgeordnete die dieses alles per Gesetz festzurren.

  • Sir Toby:

    # Anna Luehse

    “ Wer hat großzügig den Griff in unsere Sozialkassen für jedermann ermöglicht ? Mein Zorn richtet sich gegen eben diese Politiker und Abgeordnete die dieses alles per Gesetz festzurren.“

    Letztlich gibt es (leider) keinen Grund auf diese Politiker zornig zu sein, denn was immer man über diese Leute sagen kann … – sie haben nicht in der Wahlkabine neben den Wählern gestanden und ihnen mit entsicherter Pistole im Nacken ‚empfohlen‘ gut über ihre Wahl nachzudenken. Nein, in der Wahlkabine war der Wähler alleine – und ist es bis heute. Die ‚Probleme‘ sind letztlich Ausdruck von Desinteresse, Feigheit und Kurzsichtigkeit auf seiten des Wählers. Wir stehen vorm Spiegel! Wie es die Esoterik sagt: Wenn Du die Welt ändern willst, ändere dich selbst.

    Und was Brandt und seine politischen Freunde betrifft… – es geht hier nicht um irgendwelche Einzelentscheidungen, sondern es geht darum, dass er für die Ausnutzung einer beireits angelegten Bereitschaft beim deutschen Wahlvolk steht, Probleme durch ‚Weichheit‘, Nachgeben und letztlich ‚Unterwerfung‘ zu lösen. Was natürlich keine Lösung ist, sondern nur erst mal als solche erscheint. Ich bin bestimmt kein Freund unbilliger oder unsinniger Härte, aber was diese vorgebliche ‚Menschlichkeit‘ – natürlich als Gegensatz zur bösen Härte spießiger Konservativer (hinter denen natürlich wieder letztlich der Nazi als Totschlagargument droht und dräut) – uns eingebracht hat, können wir doch heute bewundern … und je länger noch umso viel mehr. Brandt steht, weit über seine konkrete Regierungszeit hinaus für die Etablierung einer Denk- und Fühl-Haltung als Monokultur die das politische Denken und Empfinden (und damit letztlich Handeln) in der Bundesrepublik Deutschland bis auf den heutigen Tag bestimmt. Und das alles, um endlich auch mal an die Macht zu kommen.

    Und was den Anwerbestopp betrifft … war das nicht Schmidt? Und es war auch nicht 1970, sondern ich habe eher 73 oder 74 im Kopf…

  • Sir Toby:

    # Anna Luehse

    Den Begriff ‚Fremdarbeiter‘ habe ich in diesem ganzen Zusammenhang nur ein einziges Mal gehört, nämlich als Lafontaine ihn benutzt hat vor … ca. 1 oder 2 Jahren, und damit dann die übliche ‚heiße‘ Diskussion der üblichen Verdächtigen auslöste.

  • virOblationis:

    @ Sir Toby

    Großartig finde ich die Charakterisierung der modernen, gutmenschlichen Deutschen als „Angehörige(n) des Willy-Brandt-Volkes“.  Sein Kniefall als Kanzler bezeichnet den Beginn einer ganzen Ära, denke ich. Man lernte es, nicht mehr die eigenen Interessen zu vertreten, sondern vor den anderen (nicht einmal unbedingt Gegnern) wieder und wieder bedingungslos zu kapitulieren und auf deren Wohlwollen zu hoffen; nachgewirkt hat dabei vielleicht das damals durch die beginnende Schuldenpolitik gerade verblassende Wirtschaftswunder, d.h. die ersehnte Rückkehr dieser Zeit.

  • Anna Luehse:

    # Sir Toby „Letztlich gibt es (leider) keinen Grund auf diese Politiker zornig zu sein…n der Wahlkabine war der Wähler alleine“ Über die wirklichen Wahlangebote hat Prof. v. Arnim in seinen Büchern ausführliche Analysen erstellt. Ich will keineswegs die Verantwortung des Einzelnen ausklammern, ich versuche so realistisch wie möglich die tatsächlichen Gegebenheiten zu erkennen – Irrtum inbegriffen, um dann meine Entscheidungen zu treffen. Aber ich verurteile auch jene nicht, die sich nur über die offiziellen Medien informieren können und nicht bemerken, wie stark sie in eine bestimmte Richtung zu denken beeinflußt werden. Ebenso könnte man fragen, warum Lehrer es zulassen, daß sie ihren Schülern ein falsches Geschichtsbild vermitteln (müssen). Mein Zorn richtet sich deshalb gegen die Politiker, weil sie in ihrer Funktion, die sie freiwillig angestrebt haben, eine Verantwortung tragen, von der ich sie nicht freispreche. Ich glaube, wir sind gedanklich gar nicht auseinander. Ohne die Gesamtsituation seit 1945 im Auge zu behalten, lassen sich m E. manche Dinge nicht erklären.

  • Sir Toby:

    # Anna Luehse

    Ich bezog mich dabei hauptsächlich auf das, was ich als Kind/Jugendlicher erlebt habe … diese ‚Brandt-Mania‘. Sie (die Wähler)   w o l l t e n   nicht wissen. Sie wollten den leichten Weg, sie wollten das große Vergessen – natürlich nicht in bezug auf Auschwitz, aber auf alles andere. Und man darf nicht vergessen – ohne dass ich bei v. Arnim mitsprechen könnte, da ich seine Bücher nicht gelesen habe – es gibt mindestens seit Ende der achtziger rechte Parteien, die vom Wähler zur Zeit der Asyl-Sturmflut Anfang der neunziger Jahre ja auch genutzt worden sind. Taktisch zwar nur, aber damit hat er doch gezeigt, dass er sie zur Kenntnis genommen hatte. Aber dann hat er eben Rot-Grün gewählt, als ihm Kohl nicht mehr geschmeckt hat. Ansonsten kann ich mich immer nur wieder an meine Erfahrung halten, in der der Wechsel zu Kohl für mich ein Signal war. Kohl, ansonsten nicht mein Fall, wollte damals eine Rückführung der Türken. Er hat sich nicht durchgesetzt, weil aus dem Volk kein Interesse an einer Durchsetzung in dieser Frage bestand. Sie wollten einen ökonomischen Wechsel, keinen kulturellen. Kann man ja auch alles wollen. Und bekommen. Aber dann eben auch nicht jammern, wenn die Konsequenzen unter anderem so aussehen, dass man ‚abgeschafft‘ wird.

  • Sir Toby:

    # Anna Luehse

    „Ebenso könnte man fragen, warum Lehrer es zulassen, daß sie ihren Schülern ein falsches Geschichtsbild vermitteln (müssen).“

    Gegen kollektive Megatrends sind Einzelne machtlos. Eine Bekannte eines meiner besten Freunde ist Geschichtslehrerin. In Bayern. Angeblich ja der Hort des Konservatismus in diesem Staat. Ich weiß im Moment nicht mehr das konkrete Thema … irgendwas zur Vorgeschichte des III. Reichs glaube ich. Egal – in jedem Fall etwas, das auch bereits mit stillem Tabu belegt ist. Als sie das Thema mal anschnitt, erntete sie von ihren Schülerinnen und Schülern hochgezogene Augenbrauen … so im Stil ‚Wollen Sie uns hier etwa national (-sozialistisch) indoktrinieren? Das hätten wir von Ihnen aber nicht gedacht …‘ . Die Frau ist Mitte Dreißig, hat über zweiten Bildungsweg Abi gemacht, dann studiert, und ist froh eine Stelle gekriegt zu haben. Die will sie natürlich nicht verlieren. Deshalb läßt sie in Zukunft Wahrheit Wahrheit sein, und erzählt halt nur noch das, was ihre Schüler hören wollen. Das eigentlich verwunderliche sind aber die Schüler … man sollte meinen, die wären schon mal im Internet gewesen und hätten irgendwas mitgekriegt, was heutzutage hier abgeht…

  • virOblationis:

    Ich frage mich, wie weit die Umgestaltung des ethnisch homogenen Volkes zu einer gemischten Bevölkerung dem Vorbild USA nacheifern sollte; solche Motivation hierzulande wäre Ausdruck einer geistigen Hegemonie der Vormacht des Westens (neben der machtpolitischen).

  • Sir Toby:

    # Anna Luehse

    „Aber ich verurteile auch jene nicht, die sich nur über die offiziellen Medien informieren können und nicht bemerken, wie stark sie in eine bestimmte Richtung zu denken beeinflußt werden.“

    Ich komme da immer wieder auf die siebziger Jahre zurück. Menschen sind doch keine Roboter. Sie lesen doch nicht einfach etwas in der Zeitung oder sehen etwas im Fernsehen – und richten ihr Handeln dann einfach danach aus, was sie gelesen oder gesehen haben. Ich sehe beispielsweise im Fernsehen einen Bericht über eine Demonstration, bei der es zu einer heftigen Straßenschlacht kommt. Das ist ein Reiz, und der löst etwas aus; Zustimmung oder Ablehnung. Und wenn ich das beispielsweise auf dieses Thema ‚Familienzusammenführung‘ beziehe, dann wird doch auch ein Empfinden in mir ausgelöst: Ich fühle mich wohl dabei, oder unwohl, oder vielleicht auch nur ’nicht unwohl‘. Und wenn sich die Wähler dabei unwohl gefühlt hätten, hätten sie die Chance gehabt anders zu wählen – egal, was Prof. Arnim dazu sagen mag (wobei ich nicht weiß, ob seine Aussagen sich auch auf die siebziger Jahre beziehen).

    Denn man darf ja nicht vergessen, dass die CDU von damals ja noch nicht die CDU von Arbeiterführer Rüttger war. Da war schon noch eine Widerständigkeit aus dem Empfinden heraus vorhanden, gerade auch im Mittelbau. Das sage ich ohne jemals CDU-Mitglied gewesen zu sein, einfach aus meiner Erfahrung dieser Zeit heraus, und was sich in der Rückschau aus der eigenen Erfahrung heraus diesbezüglich schlußfolgern läßt. Kohl etwa war ja damals einer der ‚Modernisierer‘ und hat sich dazu ja extra Leute wie Geissler geholt. Die wollten halt gewählt werden, und haben sich dann bemüht sich in eine Richtung zu entwickeln von der sie gemerkt haben ‚Das Volk will das so, und wenn wir das anders sehen, dann können wir das zwar tun, aber dann bleiben wir halt für die nächsten wenigstens 20 Jahre weg vom Fenster‘ … und das macht natürlich keinen Spaß. Aber wenn selbst ein Modernisierer wie Kohl die Rückführung (heute kann man so einen Begriff ja nicht mal mehr denken…) wollte, dann kann man sich schon vorstellen, was da noch an nicht-moderner Substanz vorhanden war. Aber wie ich schon gesagt habe: Das Volk wollte nicht! Und es will immer noch nicht. Muß man ja auch nicht. Aber dann darf man sich natürlich hinterher nicht über die Folgen beschweren.

  • Sir Toby:

    # virOblationis

    „Ich frage mich, wie weit die Umgestaltung des ethnisch homogenen Volkes zu einer gemischten Bevölkerung dem Vorbild USA nacheifern sollte; solche Motivation hierzulande wäre Ausdruck einer geistigen Hegemonie der Vormacht des Westens“

    Das lief unbewußt ab. Würde ich sagen. Es ist ja auch überall abgelaufen, in ganz Europa. Es ist halt kein Interesse an kollektiver Eigenheit mehr vorhanden. Der einzige Begriff, dem noch ein ‚eigen‘ vorangestellt werden kann, und dabei noch mit Interesse belegt wird, ist das Eigen-Heim. Aber das ist für ein kollektives Eigenleben halt doch ein bischen wenig…

  • virOblationis:

    Sir Toby schrieb:
    „Es (sc. die Auflösung homogener Ethnien) ist ja auch überall abgelaufen, in ganz [West- und Mittel-]Europa.“

    Ja, in der Tat. Und dies spricht dafür, daß man damit tatsächlich dem Vorbild des Hegemons nacheiferte. – Das Pendant hat man wohl in der Russifizierung der verschiedenen Sowjetrepubliken bis hin zum „Oblast Kaliningrad“ im nördlichen Ostpreußen zu sehen.

  • virOblationis:

    Nachtrag:
    „Von den USA lernen,
    heißt siegen lernen.“
    Um so mehr galt dies ab 1989.

  • Anna Luehse:

    #Sir Toby # virOblationis Eine gute Erklärung über die Abläufe nach 1945 und damit über die Entwicklung deutschen Denkens bis heute finden Sie unter: http://www.deutschlandjournal.de/Deutschland_Journal_Ausgabe_20/10Charakterwasche.pdf Einige Leseausschnitte unter:
    http://www.horst-koch.de/joomla_new/content/view/157/163/

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