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Eine Frage geht mir nicht aus dem Sinn

Autor: virOblationis

Jude ist, wer von einer jüdischen Mutter geboren worden ist“, heißt es gewöhnlich. Dies trifft auf Charlotte Knobloch insofern zu, als ihre Mutter aus Liebe zum Ehemann das jüdische Bekenntnis annahm. – Den Nationalsozialisten als Rassisten hingegen wird Charlotte Knobloch als Halbjüdin gegolten haben.

Nach der Scheidung ihrer Eltern wurde die 1932 geborene Charlotte vom Vater betreut und verbrachte auch viel Zeit bei ihrer jüdischen Großmutter. Da diese nach Theresienstadt deportiert wurde, wo sie später den Tod fand, gab auf Bitten des Vaters die katholische Hausangestellte eines Verwandten, Kreszentia Hummel, die zehnjährige Charlotte als ihr uneheliches Kind aus und brachte das Mädchen bei ihrer Familie im fränkischen Herrieden unter, wo es dann heranwuchs. Wäre die Wahrheit ans Licht gekommen, dann wäre gewiß nicht nur Charlotte Knoblochs Leben in Gefahr gewesen.

Was wurde aus Charlotte Knoblochs Mutter? Es ist mir nicht bekannt. Ihr Vater jedenfalls überlebte den Krieg als Zwangsarbeiter und wohnte ab 1945 wieder zusammen mit seiner Tochter in München. Charlotte heiratete 1951 den aus Krakau stammenden jüdischen Kaufmann Samuel Knobloch und wurde Mutter dreier Kinder. Inzwischen ist sie verwitwet. Sie steht seit vielen Jahren, wie früher ihr Vater, der „Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern“ vor und ist Ehrenbürgerin der Stadt.

Charlotte Knobloch, die von Glaubensgenossen als nicht eben eifrige Beterin charakterisiert wird, die aber immerhin zu den Festtagen in der Synagoge erscheine , engagierte sich in verschiedenen jüdischen Organisationen, bis sie 2006 zur Vorsitzenden des Zentralrates der Juden in Deustchland gewählt wurde. Schon wenige Monate später verkündete sie: „Antisemitische und rechtsradikale Attacken haben eine Offensichtlichkeit und Aggressivität erreicht, die an die Zeit nach 1933 erinnern.“ Nun, da haben die Hörer wohl gestaunt.

Nachdem im Jahre 2007 der traditionelle römische Meßritus von Benedikt XVI. wiederzugelassen worden war, reichte ihr selbst seine Neuformulierung der Karfreitagsbitte nicht, mit der er den Juden entgegenkommen wollte. Freilich wird auch in der neuen Fassung dafür gebetet, daß die Juden in Jesus ihren Heiland erkennen mögen, während das entsprechende Gebet des Novus Ordo (1969) zumindest mißverständlich ist. Würde aber die Kirche weitere Wege zum Heil anerkennen, geriete sie in Widerspruch zu ihren eigenen Grundlagen. – Charlotte Knobloch, die in demselben Jahr 2008 das Bundesverdienstkreuz verliehen bekam, forderte ein Einfrieren des Dialogs der Synagoge mit der Kirche bis zur Rücknahme der Karfreitagsbitte. Geschähe dies nicht – man wisse ja wohin eine „gefährliche Spaltung der Menschheit führt“ etc.; gemeint ist natürlich die NS-Judenverfolgung.

Zu Beginn dieses Jahres wurde die 1988 verhängte Exkommunikation gegen die Bischöfe der Priesterbruderschaft St. Pius X. aufgehoben. Einer der vier nun bestreitet die Existenz von Gaskammern und setzt die Zahl der jüdischen Opfer der NS-Verfolgung – vorsichtig formuliert – äußerst niedrig an. Ungeachtet aller Distanzierungen von Würdenträgern der Priesterbruderschaft, forderte die einflußreiche Jerusalem Post den Staat Israel auf, die diplomatischen Beziehungen zumVatikan für drei Monate einzufrieren: Anzumerken wäre, daß Israel sich ohnehin nie vollständig an die Bestimmungen des 1993 mit dem Vatikan geschlossenen Grundlagenvertrages gehalten hat – Jedenfalls hieß es von seiten Charlotte Knoblochs (nach dpa): „Für mich als Überlebende ist momentan das Gespräch nicht fortzusetzen“ und forderte die Kirche zu einer Rücknahme der Aufhebung der Exkommunikation auf.

Eine Frage geht mir nicht aus dem Sinn: Wie oft mag Charlotte Knobloch bei solchen Äußerungen wohl an die fromme Kreszentia Hummel denken, deren Familie sie unter Gefahr für das eigene Leben bei sich aufnahm?

15 Kommentare zu „Eine Frage geht mir nicht aus dem Sinn“

  • AvK:

    Die letzte Frage vermag ich nicht zu beantworten, da ich nicht in den Kopf der Frau zu schauen vermag. Zusätzlich muss ich anmerken, daß ich in Kirchenfragen nicht sehr bewandert bin. Als ich das hier durchgelesen habe

    Als das Interview bekannt wurde, hätten die vier Bischöfe das Dekret bereits in den Händen gehabt. Ferner erklärte der Kirchenfürst, daß „die volle Gemeinschaft kommen werde“.

    und eure zwei Beiträge dazu, bestätigt das meinen von Anfang an bestehenden Verdacht, daß es in diesem Streit nicht so sehr um die Aussagen Williamsons geht sondern um grundsätzliche Fragen der Macht. 

  • AvK:

    Nachtrag. Der Vatikan sollte vielleicht das Einfrieren des Dialogs gelassen hinnehmen. Ein wenig Abstand voneinander kann sehr hilfreich sein.

  • Anna Luehse:

    # AvK “ …bestehenden Verdacht …fragen der Macht“ Dies Meinung teilt auch A. Lichtschlag von eigentümlich frei: http://ef-magazin.de/2009/01/31/928-die-piusbrueder-richard-williamson-und-die-politische-korrektheit-ii-papst-benedikt-unter-schwerem-beschuss

  • frank:

    Charlotte Knobloch ist eine der schärfsten Kämpferinnen für die Ausweitung der Zensur in Deutschland, und daher kann ich diese Person nicht ausstehen. Ein Interview im Deutschlandfunk vom April 2008 offenbarte ihre offensichtliche Missachtung des Grundgesetzes: Hr. Gut Mensch:“Frau Knobloch, es gibt in jedem Jahr eine enorme Zahl von antisemitischen, ausländerfeindlichen und rechtsextremistischen Gewalttaten, Schmierereien, das Internet ist ein Tummelplatz für antisemitische Hetze und Fremdenhass. Aber oft ist es so, dass ein öffentlicher Aufschrei nur noch sehr selten zu vernehmen ist – bei wirklich ganz dramatischen Vorgängen. Hat da ein Gewöhnungsprozess stattgefunden, oder ist das Gleichgültigkeit?“ Knobloch:Vor allem das Internet ist ein Thema, das man wirklich auch breitgestreut sich zu Gemüte führen sollte. Also wir haben vom Zentralrat ja einen Teilerfolg erzielt – die einstweilige Verfügung gegen Youtube ist jetzt in den letzten Tagen durchgegangen.“

  • BerlinerJung:

    Mir kommt das wie ein Zoff unter verkrachten Geschwistern vor.

  • Der konservative Katholizismus, für den jetzt immer mehr Papst Benedikt, vor allem aber auch die nun rehabilitierten Piusbrüder stehen, ist nicht nur implizit, sondern Explizit der natürliche Gegenspieler zur Gleichheitsphilosophie der politisch korrekten Hohepriester [aus dem Text von EF, den Anna verlinkte]

    Deshalb auch die ungeheure mediale Hexenjagd, die an die dunkelsten Zeiten Deutschlands erinnert.

  • gast:

    Die Exkommunikation wurde wegen eines bestimmten Vergehens verhängt. Dieses wurde zurückgenommen, somit wurden die Gründe für die Exkommunikation hinfällig.

    Kann man nun mit Hinweis auf ein anderes, weltliches, Vergehen fordern, dass die Strafe aufrechterhalten bleibt, obwohl deren Grund nicht mehr besteht?  Zumal dieses weltliche Vergehen  überhaupt nicht kirchenrechtlich zu bestrafen ist. Versucht mal, das auf die weltliche Gerichtsbarkeit zu übertragen…

  • Der Papst hat den konservativen Geistlichen Gerhard Maria Wagner zum Weihbischof berufen. Trotz aller Medienhysterie vollkommen unbeeindruckt und der Spiegel hat schon Schaum vorm Mund.

    Klasse.

    Marina vom DK-Team

  • BerlinerJung:

    Grad gefunden

    Israel erwägt nach Angaben des Außenministeriums keinen Abbruch der diplomatischen Beziehungen zum Vatikan. Ministeriumssprecher Igal Palmor erklärte, bei gegenteiligen Äußerungen von Religionsminister Jitzhak Cohen handele es sich um dessen persönliche Meinung.

    Tztz hören die in Israel etwa nicht auf Knobloch und die Pressefritzen von Bams, Welt und Spiegel.  😉

  • Sir Toby:

    „Tztz hören die in Israel etwa nicht auf Knobloch und die Pressefritzen von Bams, Welt und Spiegel.“

    Das ist wirklich UNERHÖRT!! Das verlangt nach einer sofortigen Rüge durch unsere Qualitätspresse!!!

  • virOblationis:

    Hier weiterführende Information zu Marinas Mitteilung:
    http://www.kath.net/detail.php?id=21993

    Der Linzer Diözesanbischof Ludwig Schwarz hat zur Ernennung folgende Erklärung abgegeben:

    „Ich danke Gott und freue mich darüber,… [hüstel]

    Weitere Reaktionen:
    http://www.kath.net/detail.php?id=22000

  • Anna Luehse:

    http://www.dw-world.de/dw/function/0,,12356_cid_3994307,00.html
    Israel bricht Beziehungen zum Vatikan nicht ab. JERUSALEM: Israel erwägt nach Angaben des Außenministeriums wegen des den Holocaust leugnenden Bischofs Richard Williamson keinen Abbruch der diplomatischen Beziehungen zum Vatikan. Ministeriumssprecher Igal Palmor erklärte, bei gegenteiligen Äußerungen von Religionsminister Jitzhak Cohen handele es sich um dessen persönliche Meinung. Auch ein Besuch Papst Benedikt XVI. in Israel sei weiterhin möglich, sagte Palmor.

  • Aus virOblationis letztem Link

    Josef Pühringer, Landeshauptmann von Oberösterreich, mischte sich am Sonntag in eine autonome Bischofsentscheidung des Vatikans ein – Jetzt überlegen gläubige Katholiken einen Wahlboykott der ÖVP bei den kommenden Landtagswahlen

    Wenn den Katholiken ein Wahl-Boykott der ÖVP gelänge, gäbe das einen ungeheuren Schub – und der nächste Politiker des Mittelmaßes  würde dreimal überlegen, bevor er sich zu innerkirchlichen Belangen unmaßgeblich äußert.

  • virOblationis:

    @ Judith

    Die meisten der heutigen Katholiken leiden an geistlicher Knochenerweichung und taugen daher nicht für den Kulturkampf.

  • […] schicken. Einige Foristen haben auch schon wunderschöne Beiträge für Vaterland verfasst, wie z.b virOblationis hier, Sir Toby hier, Sushi Sascha hier und NureinGast […]

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