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Eine wichtige Übung: Distanzierung

Forist Nörgler vermerkte in seinem Kommentar zu  „Medienhatz gegen den Papst“  sehr honorig , wie arm und kleinkariert doch eine Welt sei, in der es  nicht mehr darum gehe WAS jemand sagt, sondern nur noch, WO er es sagt.  Honorig deshalb, weil das, was einer WO sagt, eben nicht zweitrangig ist –  sondern  ausschlaggebender Punkt bei der Bewertung von Aussagen, Texten oder Abhandlungen. Und nicht nur WO, sondern auch WER.

Machen wir doch mit folgendem – auszugsweise zitierten – Text einfach die Probe auf’s Exempel. [Bild ist von mir selbst]

Macht hat, wer von anderen Distanzierungen verlangen kann, ohne sich selbst distanzieren zu müssen.  Ganz ohnmächtig ist, wer gezwungen werden soll, sich von sich selbst zu distanzieren.

Deutsche Bischöfe distanzieren sich – verhalten – vom Papst [wegen der „Fehler im Vatikan“], merklich von ihrem Mitbruder Walter Mixa [wegen dessen Holocaust-Abtreibungs-Äußerung] und wieder und wieder von den Pius-Brüdern.

Die Piusbrüder wiederum sollen sich von ihrem Bischof Williamson und von „antisemitistischen Strömungen“ distanzieren: „Es fehlt bislang eine ernsthafte Distanzierung der Betreffenden von solchen inakzeptablen Haltungen“,  heißt es dazu in der Erklärung der Deutschen Bischöfe zum gegenwärtigen Weg der Katholischen Kirche vom 5 März 2009.

Williamson seinerseits soll sich endlich vorbehaltlos von sich selbst distanzieren. Und Mixa hat nach Angaben des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, „Gelegenheit, vor den anderen Bischöfen klarzustellen, was er gesagt habe“  – auch das eine Distanzierung von sich selbst.

Die Bewertung, wer sich ausreichend distanziert hat und wer nicht, vollendet das Ritual. Gute Distanzierer wie die „Mehrheit der deutschen Bischöfe“ sind wohlgelitten, mangelhafte Distanzierer wie der Papst eine schwere Belastung. Divide et impera.

Mit klarem Instinkt, dass Distanzierungen der eigenen Stellung abträglich sind, hat der ZdJ die Behauptung zurückgewiesen, er habe sich von seinem Generalsekretär Kramer distanziert [„Wir weisen Spekulationen in einem Medienbericht der FAZ zurück, wonach sich der ZdJ von seinem Generalsekretär Stefan J. Kramer distanziert habe.“]

Auch alle anderen wären gut beraten, bei „Ich-distanziere-mich“ nicht mehr mitzuspielen.

……
So weit eine [auszugsweise]  Abhandlung über die deutsche Distanzieritis. Bleibt nur die Frage, wie gut diese Abhandlung die deutsche Manie getroffen hat.  Und wer sie wo veröffentlichte. Alle, die für sich die  Probe auf’s Exempel machen möchten,  bewerten zuerst  den Text – und schauen dann nach der Textquelle.

11 Kommentare zu „Eine wichtige Übung: Distanzierung“

  • Ich fühle mich geehrt, hier aufgegriffen worden zu sein. 😉 Und leider ist diese „Abhandlung“ zum Distanzierkrampf sehr gut getroffen. Ich habe es wirklich zu einseitig umschrieben. Erweitern wir die Faktoren doch: „WO“,  „WIE“ und „WER“ und erst dann, „WAS“. Bestimmt würden mich viele Mainstreamforisten auch für das virtuelle Habitat verurteilen, in dem ich mich herumtreibe. Bestimmt würden mich viele Mainstreamforisten auch für das „WIE“ verurteilen, dass sie für polemisch und hetzerisch halten. Dann kommt das „WER“: Ein Konservativer. Die kann man ja bekanntlich sowieso vergessen. Und erst dann kommt das „WAS“ – es kommt erst dann, denn in der Botschaft könnte ja trotzdem ein Fünkchen Wahrheit stecken. Mit ihr muss man sich aber gar nicht beschäftigen, wenn das „WAS“ durch das „WER“, „WO“ und „WIE“ genügend diskreditiert wurde.

  • @ Nörgler

    Ich fand deine Aussage korrekt. Dein Post hat mir außerdem einen guten Aufhänger geboten – ich hätte diese Abhandlung über Wesen und Art von Distanzierungen aber auch ohne deinen vorherigen Kommentar gebracht. Trotzdem danke für die Steilvorlage 😉

  • Immer wieder gerne.

  • Sehr guter Beitrag. Möglicherweise verfolgen mich diese drei Worte auch noch einmal, weil ich sie hier einstellte.

  • Wahr-Sager:

    Guter Artikel. Eigentlich sollte es in erster Linie auf den Inhalt ankommen und nicht auf von Lobbyisten propagierte Absichten, die davon abhalten sollen, sich solche Inhalte anzuschauen.
    Und so gilt auch dank erfolgreicher Umerziehung die von euch verlinkte Seite in unserer von linkem Zeitgeist geprägten Welt als anrüchig (um es mal verallgemeinernd auszudrücken).
    Wenn ein sog. „Holocaust-Leugner“ verurteilt wird, kommt es nicht darauf an, aus welchen Gründen er „leugnet“ – das wird gar nicht hinterfragt – sondern es wird ihm vielmehr eine böswillige Absicht unterstellt. Wie tief eine Freundschaft zu jemandem ist, lässt sich leicht feststellen, indem man sich dem jeweiligen Freund als „Holocaust-Leugner“ präsentiert…
     

    Und nicht nur WO, sondern auch WER.

    So wie der jüdische Jazzmusiker Gilad Atzmon, der mal äußerte, dass der wahre Feind nicht Hitler, sondern Stalin gewesen sei und der Holocaust eine komplette, von Amerikanern und Zionisten initiierte Fälschung ist. Die Deutschen sollten dies endlich erkennen und sich nicht länger schuldig und auch nicht verantwortlich fühlen: „Ihr seid die Opfer“.
    Aufgrund seiner Glaubenslehre kam Atzmon nicht hinter Schloss und Riegel.

  • Wahr-Sager:

    Judith hat übrigens schon mal einen guten Beitrag zum Thema Distanzieren geschrieben. 😉

  • http://www.blauenarzisse.de/v2/index.php?option=com_content&task=view&id=223&Itemid=34

    Großer Gott, das Bild könnte treffender nicht sein, was den Zeitgeist anbelangt.

    Aber was für einen Gegensatz zum selbstpropagierten Leitbild (-> Individualismus) eben jenes Zeitgeistes die Realität doch darstellt!

    Auf den Schock muss ich gleich mal ein Glas Wein trinken.

  • frank:

    Sehr schön, der Beitrag bringt es auf den Punkt. Auch das Dementieren und Verurteilen ist in Deutschland ein Volkssport, nein eher ein Politikersport. Beispiele:
    – Politiker xy verurteilte den Völkermord im Sudan. (damit wäre das Problem erledigt)
    – Helmut Kohl dementierte Berichte, er wäre ein notorischer Lügner (und schon ist die Attacke weggewischt)
    Unsere Politiker verurteilen alles Mögliche, was gerade auf dem moralischen Tablett der Nation liegt, und sie dementieren jegliche Kritik.

  • frank:

    Auf der Wikipedia-Seite zum Begriff „Dementi“ ist die 10-Phasen-Regel recht lustig.

  • Das klingt ja fast wie die „Phasen eines Projektes“

    -Begeisterung
    -Verwirrung
    -Ernüchterung
    -Schönreden des Fehlschlags
    -Suche nach den Schuldigen
    -Bestrafung der Unschuldigen
    -Auszeichnung der Unbeteiligten

    Andererseits, ich habe schon immer viel von Dieter Hildebrandt gehalten. 😉

  • AvK:

    Wer sich nicht distanziert, fliegt. Vor solche Alternative gestellt,  tut der Deliquent eben lieber, was ihm befohlen wird.

    Vor allem, weil er, ist er erst einmal in der Schusslinie, darauf wetten kann, daß jetzt all jene aus ihren Löchern hervorkommen, die noch eine Rechnung mit ihm offen hatten oder sich einfach selbst produzieren möchten. Das ist umso reizvoller, als der Beifall der politisch korrekten gewiss ist.

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