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Gedanken zum EU-Beitritt der Türkei

Gastautor: Sushi Sascha

Ich bin aus mehreren Gründen gegen einen EU-Beitritt der Türkei,  einer davon ist, dass die Türkei sich beharrlich weigert, ihre Geschichte nach wissenschaftlichen Kriterien aufzuarbeiten. Lieber gibt man sich mit Mythen und Geschichten über Friedfertigkeit und Toleranz ab, statt sich der – wenn auch schmerzhaften- Wahrheit zu stellen. Da ja immer wieder davon zu hören ist, wie gut und rettend die türkische Regierung zu den Juden in den Zeiten des Dritten Reiches gewesen sei, will ich mal mit dieser Mär ein wenig aufräumen.

Im Osmanischen Reich waren die Juden eine relativ heterogene Minderheit innerhalb eines Gemengelage aus etlichen Ethnien religiöser Gemeinschaften. Die bekannteste jüdische Religionsgemeinschaft dürften hier die Sepharden gewesen sein. Die viel gepriesene und  ständig behauptete Toleranz im Osmanischen Reich ihren Minderheiten gegenüber war lediglich eine situative und pragmatische, deren Rahmenbedingung, der Bereitschaft zur Toleranz, sich durch die Jahrhunderte ständig änderte.

Während des 19. Jahrhundert nahm die jüdische Bevölkerung im Osmanischen Reich sprunghaft zu; dies geschah aus Gründen der internen Wanderbewegungen innerhalb des Reiches einerseits und der Immigration aus Teilen des zusammenfallenden riesigen Reiches. Und es zog sie zumeist in die von christlichen Mehrheiten bewohnten europäischen Teile des Vielvölkerstaates. Und gerade dort kam es dann auch zu den ersten antijüdischen Übergriffen.

Juden in der heutigen Türkei stellten keinesfalls die Oberschicht, sondern vielmehr Arbeiter, Handwerker und Kleingewerbetreibende. Somit waren sie von der friedlosen der Jungtürken im Jahre 1908 wirtschaftlich ganz besonders betroffen, denn als Preis für den Anschluss an die Moderne gaben die neuen Machthaber das Vielvölkerkonzept auf und setzten mit brutalen Mitteln auf eine Türkisierung. Dies betraf nicht nur die politische und kulturelle Situation der Minoritäten, sondern es kam auch zu Berufsverboten, gezielten wirtschaftlichen Verdrängungen und Entlassungen gegen religiöse Minderheiten. Und mit der Gründung des Staates im Jahre 1923 fielen dann vollends alle Minderheitenrechte weg.

Nach dem Genozid an den Armeniern begann die Türkei  große Teile ihrer ursprünglichen Bevölkerung endgültig zu verdrängen. Durch den Wegfall aller Minderheitenrechte entstand ein großer gesellschaftlicher Druck,  der zu totaler Verarmung mit Folgen des Massenexodus führte. Hunderttausende verließen wegen der Repressalien das Land. Vorsichtigen Schätzungen  zufolge sind ca. 70.000 Juden nach Westeuropa geflüchtet – vor allem nach Belgien,  in die Schweiz, nach Deutschland, Frankreich, Italien, Österreich und den Niederlanden; der größte Anteil floh nach Frankreich.

Zwar schützte die türkischen Juden in Deutschland ihre Herkunft nicht vollends, aber sie fühlten sich zunächst wegen ihrer fremden Staatszugehörigkeit sicherer als zuvor. Ein Trugschluss, wie sich später herausstellte. Zwar nahmen die nationalsozialistischen Machthaber zunächst Rücksicht auf Reaktionen neutraler Staaten wie der Türkei, denn es bestanden von Seiten der Türkei durchaus Sympathie für Deutschland und den Nationalsozialismus, einem Bündnis (wie im Ersten Weltkrieg) wich Ankara aber mit seiner praktizierten einseitigen Neutralität aus. Das hinderte die Türkei allerdings nicht daran, vielen deutschen Wissenschaftlern Zuflucht zu gewähren, um dem Gedanken der türkischen Modernisierung Vorschub zu leisten. Aber für Juden, die vor den Nazis flohen, war die Türkei kein geeignetes Ziel, da die türkische Regierung Maßnahmen gegen die Juden förderte und duldete um eine jüdische Einwanderung möglichst zu unterbinden. Deshalb hatte die Türkei  auch bereits 1938 die Immigration von ausländischen Juden untersagt!

Dabei hatte die Türkei durchaus Möglichkeit,  Einfluss zu nehmen und rettend einzugreifen. Aber es blieb bei Einzelinitiativen einiger türkischer Diplomaten – die Türkei als Staat war nicht daran interessiert,  türkische Juden zu retten. Man war lediglich daran interessiert, eine Rückwanderung derselbigen zu unterbinden.  Auch eine ganz klare und direkte Aufforderung der deutschen Regierung an den türkischen Staat, die geflohenen türkischen Juden wieder aufzunehmen, ließ die türkische Regierung ab 1942 immer wieder verstreichen. Die türkische Regierung handelte eher gegenteilig, indem sie den türkischen Juden die schützende Staatsangehörigkeit entzog und sie so den deutschen Zugriffen auslieferte.

Dies ist mittlerweile durch die deutsche Gründlichkeit, alles schriftlich zu fixieren, hinreichend belegt und zahlreiche unabhängige Wissenschaftler haben alle europäischen Archive durchstöbert um diesen Teil der Vergangenheit auch aufzuarbeiten. Alle Archive zeigten sich übrigens kooperativ, bis auf das türkische Nationalarchiv. Auch das türkische Außenministerium hält seine Akten lieber weiter unter Verschluss, damit die allgemeine türkische Propaganda keinen Schaden nimmt.

Für den ultranationalistischen Türken mögen diese Sätze sicherlich eine Provokation darstellen, aber es entspricht der Wahrheit und ist in entsprechender Literatur unabhängiger Wissenschaftler nachzulesen.

…..
In eigener Sache:

Zu dem Thema gibt es von der Deutschland-Bewegung ein sehr gutes Themenblatt, das einige Argumente gegen einen EU-Beitritt der Türkei auflistet –> pdf-datei

Einen Artikel in der Welt, der 10 Gründe gegen den EU-Beitritt der Türkei anführt. Schon etwas älter, aber immer noch aktuell.

13 Kommentare zu „Gedanken zum EU-Beitritt der Türkei“

  • Merkel und Sarkozy wenden sich jetzt also angeblich gegen den EU-Beitritt der Türkei…Ich bin gespannt, welche Halbwertszeit diese Ankündigung besitzt.

  • Wahr-Sager:

    Bestimmt überlegen sie es sich nach der Wahl anders…

  • @ Nörgler

    Keine – weil es eine Halbwahrheit ist, die man nur deshalb so äußern kann, weil die meisten keine Ahnung haben, wie die EU funktioniert und die Politik im Verbund mit den Medien an einem vollumfänglich informierten Bürger auch gar nicht interessiert ist.

    Die Schröder/Fischer/Regierung  hat  – drei Wochen vor der vorgezogenen Bundestagswahl 2005 – auf EU-Ebene Verträge abgeschlossen, die den Beitritt der Türkei zur EU tief verankerten. Verträge mit der EU sind rechtsverbindlich auch für jede Nachfolgeregierung [in dem Fall die GroKo], da die EU nicht nach jedem Regierungswechsel in einem der 27 Mitgliedsländer jeden Vertrag neu aushandeln kann. – was  auch logisch ist, denn sonst gäbe es nicht einmal ein Minimum an Stabilität . Deshalb auch Merkels Hinweis auf ihre Vertragstreue.

    Heißt aber auch: Wenn die Türkei alle Kapitel erfüllt, dann kann sie auch beitreten. Ob diese Kapitel erfüllt sind oder nicht – das entscheidet nicht Merkel in Deutschland oder Sarkozy in Frankreich- das entscheidet die EU. Und die will die Türkei unbedingt in der EU haben.

    Kurz: Die Töne von Sarkozy und Merkel sind reines Wahlkampfgetöse, weil sie wissen, dass man
    a. mit Steuerschräubchenpolitik alleine keinen Bundestags-Wahlkampf bestreiten kann [zu blutarm]
    b. alle anderen großen nationalen Themen tabu sind und sowieso absoluter Konsens unter den etablierten Parteienkartell SPD/CDU/CSU/Grüne/Linke/FDP herrscht. [Zuwanderung=alternativlos, Integration=alternativlos, Ausländergewalt=gibt es nicht, sind nur Einzelfälle, Gescheiterte Integration=gibt es nicht, sind nur Einzelfälle wegen mangelnder Bildung, Islamisierung= gibt es nicht, sind nur Einzelfälle wegen mangelnder Bildung, EU-Reformvertrag=alternativlos, Euro=alternativlos, EU-Mitgliedschaft=alternativlos]

    Heißt: Merkel und Sarkozy lügen nicht, wenn sie sagen, sie wollen keinen Beitritt der Türkei zur EU. Sie verschweigen nur, dass dies nicht in ihre ausschließliche Entscheidungskompetenz fällt.

  • AvK:

    Obama versprach vor seiner Wahl den Armeniern, er werde sich dafür einsetzen, daß der Armeniermord als Genozid anerkannt wird. Danach war das Thema dann obsolet. Genau so gestaltet sich das mit dem Wahlkampfthema Türkei-in-der-EU. Das nennt man dann den Obama-Effekt.

  • vakna:

    Und solange die Bevölkerung ihren Abgeordneten nicht die Hölle heiß macht, wird sich nichts ändern. Wieso auch, es läuft ja alles!

  • M.Voltaire:

    Die türkische Gesellschaft ist eine – wenn nicht die am meisten – verlogene Gesellschaft, die es gibt.

    Nicht jeder Türke ist ein Lügenbold, aber die türkische Gemeinschaft und ihre kollektivistischen Maximen und Reflexe verlangt eine stereotype Kritiklosigkeit und blinden chauvinistischen Nationalismus.

    Zusammen mit dem von vorne bis hinten verlogenen Konstrukt des Mohammedanismus ist in der Türkei eine durch Rassen- und Mythenglauben religiös-nationalistische Gesellschaft geformt worden, die in ihrer paranoiden Sucht nach Opfer und Bedrohtsein wollen sich in einem ständigen Abgrenzungs- und Überlebenskampf gegen jeden „Nichttürken“ befindet. Nichttürke ist dabei jeder, der religiös und kulturell nicht in das sunnitisch-mohammedanisch-turk-nationalistische Konzept paßt.

    Es heißt ja immer, daß die Türkei das Vorbild für eine demokratische mohammedanische Gesellschaft sei.

    Wer auch nur ein klein wenig sich mit der türkischen Gesellschaft beschäftigt, der kann über derlei Lügenpropaganda nur herzhaft lachen.

    Die Türkei ist vielmehr das mahnende Beispiel dafür, was für eine Gesellschaft entsteht, wenn sich mohammedanisch Religion und fanatischer Nationalismus paaren und ein ideologisches Amalgam bilden.

    Natürlich gibt es einzelne Türken, die sich hiervor frei gemacht haben, aber die türkische Gesellschaft als solcher, der türkische Staat, werden dies niemals können.

    Die Türkei wird entweder mohammedanisch (und damit antichristlich und antijüdisch) oder nationalistisch oder, wie zur Zeit, mohammedanisch-nationalistisch sein.

    Die Türken sollten daher auf ihren Atatürk hören und bei ihrer Devise bleiben „Glücklich, wer ein Türke ist!“ und Nichttürken mit ihrer Gesellschaft verschonen und unter sich bleiben.

    Alles andere wird zwangsläufig irgendwann, wie bisher stets in der Geschichte, wenn Türken auf andere Kulturen und Menschen trafen, in Blut und Tränen enden.

    Eine Aufnahme der Türkei in die EU, aber erst recht der weitere ungehinderte Zuzug von Türken nach Europa wird unweigerlich in blutigsten Bürgerkriegen enden und Europa in vielerlei Hinsicht in die Zeit des Dreißigjährigen Krieges zurückkatapultieren.

  • karl-friedrich:

    Danke Judith, für deine Sichtweise und Aufklärung, jetzt ist mir auch einiges klar geworden.

  • karl-friedrich:

    Die Meldungen von heute sprechen doch eine deutliche Sprache, bei der JF war heute zu lesen:

    Merkel wünscht sich mehr Einbürgerungen

    Ich wünsche mir weniger dumme Politiker in diesem Land. Ich schaue heute Abend mal in den Himmel, vielleicht sehe ich ja eine Sternschnuppe und kann mir etwas wünschen. LOL

    Ich weiß nicht, wo das hier noch enden soll, die Finanz und Wirstschaftskrise, und dazu, die Zuwanderung von Bildungsfernen.

    Wenn wir es nicht schaffen, diese Republik umzubiegen, geht dieses Land irgendwann unter, mit Pauken und Trompeten.

  • Blond:

    "Erweiterte" Gedanken GEGEN den Eu-Beitritt der Türkei :
    " … 

    Eine [türkische]moslemische Männerbande beschließt nach einer Vergewaltigung einer Sippenangehörigen durch einen Täter aus der eigenen Verwandschaft die Übergabe einer weiteren weiblichen Ware aus dem Besitz des Täterclans als Entgelt – für die verletzte "Ehre" des Clans. …

    Der Täterclan beschließt, seinen weiblichen Besitz anderweitig zu verschachern, an einen Cousin. Daraufhin wird der Täterclan umgebracht aus Rache – nicht etwa Rache für das Gewaltverbrechen an den Frauen, sondern Rache der männlichen Verbrecherbande für die "Entehrung" ihres weiblichen Besitztum und die Weigerung des Täterclans, weiteres weibliches Besitztum an die Bande zu übergeben. Eine Art Bandenkrieg um die Verteilung der weiblichen Beute.

    Nach dem Vorbild des Propheten , …  "
    http://foghorn.20six.de/foghorn/art/552948/Die-Mannerbande-von-Mardin

    (Anmerkung: Eine Einfügung, die Absatz-Trennungen, die Hervorhebung  und einige Rechtschreibfehler-Behebungen sind von Blond)

  • westphale:

    Das Bismarck Zitat passt immer wenn es um Politik geht „Niemals wird soviel gelogen wie vor Wahlen, während des Krieges und nach der Jagd“ 

  • AvK:

    Ankara erhält Unterstützung aus Warschau. Der polnische Ministerpräsident Tusk forderte nach einem Gespräch mit seinem türkischen Kollegen Recep Tayyip Erdogan, die Integration der Türkei in die EU zu beschleunigen.
    http://www.ksta.de/html/artikel/1242232185817.shtml

  • @AvK

    Natürlich erhält Ankara Unterstützung aus Polen. Erstens ist die polnische Politkaste strikt auf die USA abgerichtet – verständlich, nachdem das Land lange unter der Fuchtel der Sowjetunion stand – und die USA fordern den EU-Beitritt der Türkei. Zweitens, denkt Polen, kann damit der BRD-Einfluss in der EU zurückgedrängt werden, weil die Türkei ähnlich bevölkerungsstark ist wie die BRD.

    Der Konzern Springer ist heute wieder geschäftstüchtig und publiziert einen  deutschfeindlichen Artikel [Weltonline] seiner polnischen Zweigstelle „Fakt“. So macht man das.

  • Sir Toby:

    „Der Konzern Springer ist heute wieder geschäftstüchtig und publiziert einen  deutschfeindlichen Artikel [Weltonline] seiner polnischen Zweigstelle “Fakt”. “

    There is no business like showbusiness.

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