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Am 17. Juni 1953

sind dem Streikaufruf  bereits in den frühen Morgenstunden  einige tausend Menschen gefolgt, trotz strömenden Regen finden sie sich auf dem Strausberger Platz ein. Es gibt nicht nur einen Demonstrationszug –  aus den Außenbezirken Berlins ziehen im Laufe des Vormittages streikende Arbeiter in verschiedenen Aufmärschen in den Stadtkern Ostberlins. Ihnen schließen sich Schüler, Studenten, Hausfrauen, Rentner, Geschäftsleute, Angestellte und viele mehr an.

Gegen 9.00 Uhr haben sich in den Hauptstrassen – besonders im Regierungsviertel Berlins – zehntausende Menschen versammelt, um gegen das SED-Regimee zu protestieren: Mehr und mehr werden politische Forderungen laut, Transparente werden mitgeführt und untermauern den Wunsch nach politischer Änderung.

Es kam zu Handgreiflichkeiten mit der Volkspolizei und Uebergriffen auf staatliche Einrichtungen. In mehreren Gebäuden, darunter dem Haus der Ministerien und der Volkspolizeiwache im Columbia-Haus, legten die Streikenden Brände. Der Zorn und die Unzufriedenheit der Aufständischen entlud sich auch in der Zerstörung zahlreicher Propagandaplakate der SED und sogar die rote Fahne auf dem Brandenburger Tor wurde von den Demonstranten heruntergeholt und unter grossem Jubel der Teilnehmer zerrissen. Mehrere Parteibüros wurden gestürmt und Funktionäre verprügelt. Die SED schien die gesamte Kontrolle verloren zu haben, und so sah sich der wahre Machthaber der DDR gezwungen, die Situation zu entschärfen: Die Sowjetunion.

 

Generalmajor Dibrowa – Militärkommandant des sowjetischen Sektors – verhängt um 13.00 Uhr den Ausnahmezustand über Ostberlin: Jede Demonstrationen und sonstige „Menschenansammlungen über drei Personen“ wird verboten. Gegen Mittag fahren sowjetische Panzer auf und schlagen die Demonstration brutal nieder.

Die krude Rechtfertigung, die die Betonkommunisten auf der Rostigen Laterne [Wo der Rost rieselt] anführt, entspricht der Propaganda des damaligen SED-Regimes: Es habe sich um einen „faschistischen Putschversuch“ gehandelt, eine „Konterrevolution“, gesteuert von westdeutschen und amerikanischen Politikern aus Westberlin. Fast 1400 Personen werden verhaftet – am Nachmittag des 18 Juni gibt der sowjetische Stadtkommandant von Ost-Berlin die standrechtliche Erschießung des Westberliner Willi Götting bekannt. Angeblich war Götting an den Unruhen „aktiv beteiligt“. Die SED spricht später von 25 Toten – heute geht die Untersuchung von 125 Toten aus.

Zwei Augenzeugenberichte
[1] Bernd Rabehl erzählt in der JF über die Vorgänge im brandenburgischen Rathenow.
[2] Siegfried Berger war Streikführer im Funkwerk Köpenick – dafür musste er in’s sowjetische Arbeitslager Workuta.

4 Kommentare zu „Am 17. Juni 1953“

  • Obrigkeit:

    Danke für euren Artikel! In den Medien ist heute irgendwie fast nic´hts zum 17.Juni zu vernehmen. Dabei war das in der BRD immerhin mal Feiertag.

    Schaut doch auch mal bei mir vorbei:
    http://www.blaulicht-blog.de

  • @ Obrigkeit

    Schade, dass der Volksaufstand nie Stoff für einen Spielfilm war, um ihn so im kollektiven Gedächtnis zu verankern. Aber wenn es um die Verbrechen von Sozialisten und Kommunisten geht, sind große Spielfilme oder Romane sowieso rar gesät.

  • Sir Toby:

    Was mich wundert, ist, dass das im Bereich der ehemaligen DDR kein Thema ist (zu sein scheint)…
    Da gab es zwei geschichtliche Situationen, in denen sich sozusagen ‚das Volk‘ selber artikuliert hat – der 17. Juni und 1989 – und irgendwie hat man den Eindruck, da ist gar nix hängengeblieben (?).

  • Rabehl gibt mit seiner Geschichtserzählung der Ereignisse in seiner Heimatstadt ein Gesicht. Ich möchte das auch tun und nenne den Namen Eberhard von Cancrin, der am Abend des 17. Junis 1953 nicht mehr heimkam, seine Frau warteten mit ihren kleinen Töchtern vergeblich. SED Schergen und die Sowjets hatten ihn ermordet. Vor seiner Wohnung in Geithain/Bahnhofstraße erinnert nur ein kleines Schild, angebracht nach der Wende, an Eberhard von Cancrin. Das Schlimme jedoch ist, daß heute in Geithain wieder die alten Genossen der SED mit 22 % im Stadtrat sitzen, den 2. Bürgermeister stellen und wahrscheinlich auch die anderen, die CDU und UWG sich nicht für das Schicksal der Familie Cancrin interessieren, obwohl seine hochbetagte Witwe und Familienangehörige noch in Geithain leben.

    Hier finden Sie weitere Informationen zum Thema Eberhard von Cancrin
    http://www.runder-tisch-niederbayern.de

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