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Von Diktatur zu Diktatur willfährig

Die Lebenslüge der SED-Diktatur von einem „antifaschistischen“ Staat ist eben das: Eine Lebenslüge, die der Unrechtsdiktatur eine Legitimität geben sollte, die sie nicht hat[te]. Dass alte Kader und ewig-gestrige an dieser Legende auch heute noch festhalten, versteht sich von selbst – die Fakten sind aber andere. Die Deutschen in der SED-Diktatur haben genauso in der NS-Diktatur gelebt und gehorcht und im WK II genauso gekämpft und gedient [und gelitten], wie die Deutschen im Westsektor. Und selbstverständlich haben ehemalige NSDAP-Mitglieder [leicht bis hoch belastete] auch  innerhalb der SED-Führung in herausgehobener Position gearbeitet. 
 
Der Autor Olaf Kappelt zeichnet  in seinem „Braunbuch DDR“ [jetzt in zweiter Auflage] die tatsächliche Beschaffenheit der SED-Diktatur nach: An allen Schaltstellen von Gesellschaft, Partei und Staat waren ehemalige Nationalsozialisten vertreten. Sie saßen im SED-Zentralkomitee, der Volkskammer, den Schulen, bei der Armee, der Polizei sowie in den Chefredaktionen von Presse, Funk und Fernsehen. Als Kappelt seine erste Auflage 1981 herausbrachte, erklärte ihn Mielke zum Staatsfeind Nr. 1 und trachtete ihn durch eine Sondereinheit auszuschalten.

Und er sagt, dass Honeckers letztem Zentralkomitee mehr einstige NSDAP-Mitglieder angehörten als frühere Mitglieder der SPD. Der Beweis ist eine lange Liste von Namen, Funktionen, Orden und Ehrenzeichen. Unbewertet bleiben die Tätigkeiten davor und danach, Kappelt verteilt keine Zensuren, nennt aber Roß und Reiter. So war Fritz Müller, von 1960 bis 1990 Kaderleiter im ZK der SED, seit 1. September 1939 Mitglied Nr. 7142801 der NSDAP. Auch Kurt Blecha, der Leiter des Presseamtes der DDR-Regierung, und ND-Kollegiumsmitglied Günter Kertzscher waren Mitglieder der Nazipartei, ebenso Kanzleramtsspion Günter Guillaume. Sie alle galten als geläutert, quasi „entnazifiziert“ und brauchbar.

[Lothar Heinke in seiner Rezension des „Braunbuch DDR“ im TaSp]

Günter Schabowski hat das Vorwort zur zweiten Auflage geschrieben und das Lügengerüst und die Doppelmoral der SED-Führung  erklärt: „Ein Nazi, dem es gewährt war, zum Sozialisten, genauer zum Kommunisten zu mutieren, war total und für immer entnazifiziert. Er war wie neugeboren. Wen aber die westdeutsche Demokratie umerzog, der blieb ein Nazi“.

[1] Kappelt, Olaf: Braunbuch DDR

Hier eine kleine Auflistung ehemaliger NSDAP-Mitglieder, die nach Mai 1945 in der SED-Diktatur in herausgehobener Stellung tätig waren.

Adam, Wilhelm:  NSDAP-Mitglied von 1923 – 1926 , NDPD ab 1948 , von 1950–1952 sächsischer  Finanzminister.
Bartsch, Karl-Heinz: NSDAP-Mitglied von  1940 – 1945, SED ab 1949, von 1963 stellvertretender Landwirtschaftsminister und ZK-Mitglied.
Beil, Gerhard: NSDAP-Mitglied von 1944 – 1945, SED ab 1953, von 1986–1990 Minister für  Außenhandel.
Bentzien, Hans: NSDAP-Mitglied von 1944 – 1945, SED ab 1946, von 1961–1965 Minister für Kultur, von 1958–1989 Leiter des  Presseamtes beim Vorsitzenden des Ministerrates.
Bock, Siegfried: NSDAP-Mitglied von 1944 – 1945, SED nach 1946, Leiter der Abteilung Rechts-und Vertragswesen im Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten.
Dallmann, Siegfried: NSDAP-Mitglied von 1934 – 1945,   NDPD ab 1946, von 1950 bis 1990 Abgeordneter der Volkskammer; 1967 – 1989 Fraktionsvorsitzender der NDPD.
Kegel, Gerhard: NSDAP-Mitglied von 1934-1945, danach  SED, von 1950/51 stellvertretender Chefredakteur  „Neues Deutschland“, 1967-1971 Kandidat des ZK der SED, 1973-1976 Botschafter beim Sitz der UN in Genf.
Weiz, Herbert: NSDAP-Mitglied von 1942–1945,  KPD/SED ab 1945/46, von 1958 ZK der SED, 1967   stellvertretender Vorsitzender des DDR-Ministerrates.

Das sind nur einige Beispiele: Eine umfangreichere Auflistung findet ihr –  außer  im „Braunbuch DDR“ – auch bei Wikipedia. Da könnt ihr übrigens auch noch nachschauen, was Österreich und die USA so alles an ehemaligen NSDAP-Mitgliedern „integriert“ hat.

5 Kommentare zu „Von Diktatur zu Diktatur willfährig“

  • Wahr-Sager:

    Sehr interessant. Dieses dunkle Kapitel müsste noch viel mehr in das Licht der Öffentlichkeit gebracht werden.

  • @ Wahr-Sager

    AnnaLühse und ThePassenger brachten mich auf die Idee – ich wollte das Buch schon früher vorstellen [Anfang Juni gab es die zweite Auflage] habe es aber dann verschwitzt.

    Die umgetaufte SED-Partei und ander linke bis linksextreme heulen natürlich schon empört herum. Das Buch ist wirklich lesenswert.

  • Wahr-Sager:

    @Judith:
    Wenn SED/Linke/Linksextreme/Antifa rumheulen, ist das bekanntermaßen in der Regel immer ein gutes Zeichen.
    Dass das Buch lesenswert ist, glaube ich aufgrund des brisanten Themas gern.

  • Anna Luehse:

    Vielen Dank Judith, das Buch kannte ich noch nicht.

  • gast:

    Die SED war im Nachkriegsdeutschland die erste Partei, die sich ehemaligen Nationalsozalisten öffnete. Bereits 1946 hob das SED-Zentralsekretariat einen entsprechenden Unvereinbarkeitsbeschluß auf. Somit konnten schon in den ersten Nachkriegsjahren massenhaft frühere Mitglieder der NSDAP in die SED aufgenommen werden. Am 15.6.1946 faßte nach einer entsprechenden Einführung von Wilhelm Pieck das SED-Zentralsekretariat den neuen grundlegenden Beschluß zur Aufnahme der ehemaligen Parteigenossen der NSDAP in die SED.

    Die NS-Vergangenheit von Führungskadern blieb nicht ungenutzt bei der „Werbung von ehrlichen, an der Zusammenarbeit mit dem MfS interessierten und damit zur Wiedergutmachung ihrer Schuld bereiten Personen.“ Nachzulesen in einer streng geheimen Studie der Juristischen Hochschule des MfS, in der Vertraulichen Verschlußsache 384/80
    .
    Dieses Schuld-Bündnis funktionierte bis zum Ende der DDR. Und manch einer dieser Leute hielt der SED auch nach der Wende noch die Treue, beispielsweise Egbert von Frankenberg und Proschlitz, der 1994 die SPD als „zahnlose Opposition“ bezeichnete und erklärte, die „Altparteien“ seien für ihn „nicht wählbar“, es verbliebe „als echte Wahlalternative nur die PDS“. Frankenberg war einst im spanischen Bürgerkrieg Angehöriger der Legion Condor gewesen und hatte an der Seite von General Franco für den Endsieg der Faschisten gekämpft. Schon 1931 war der langjährige DDR-Politiker in die NSDAP aufgenommen worden.

    horch-und-guck.info/hug/archiv/2000-2003/heft-40/04003/

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