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Wahlfälschung: Damals, in Dachau..

Dachau im Jahr 2002: Bei der Kommunalwahl sind etwa 3500 Briefwahlscheine spurlos verschwunden, mindestens 740 Briefwahl-Stimmzettel für die Stadtrats- und Kreistagswahl sind manipuliert, 404 OB-Stichwahl-Stimmzettel in einem Altpapiercontainer auf dem städtischen Bauhof gefunden worden.

Es ist der größte bekannt gewordene Fall von Wahlfälschung in der BRD. Zwei zweitere Widerwärtigkeiten bringt der Fall an’s Tageslicht: 1. CSU-Stadtrat Aechtner gesteht einem Freund, dass die Wahlfälschung kein Einzelfall ist, sondern bereits zum vierten Mal, ergo seit 1984, Stimmzettel manipuliert worden sind. 2.  Trotz der überwältigenden Beweise von Wahlfälschung wird erst nach massivem Druck aus der Bevölkerung die Wahl wiederholt.

Am 27. Mai wird Aechtner festgenommen – er hat auf Zeugen und Beweismittel eingewirkt, es besteht Verdunklungsgefahr. Später wird  er auf eigenen Wunsch aus „gesundheitlichen Gründen“ aus dem Stadtrat entlassen. Am 7. Juni wird auch CSU-Stadtrat Georgios Trifinopoulos festgenommen. Er soll ebenso wie Aechtner in die Manipulationen verwickelt sein und bei der griechischstämmigen Bevölkerung Stimmen für die CSU gesammelt haben. Nicht nur für sich selbst hätten die Politiker die Zettel ausgefüllt, sondern auch für andere Parteifreunde.

Ende Januar 2003 wird CSU-Stadtrat Aechtner wegen Wahlfälschung in 466 Fällen und zusätzlich wegen versuchter Wahlfälschung in 38 Fällen zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe und einer Geldauflage von 125.000 Euro verurteilt, im Mai folgt Trifinopoulos Urteil:  15 Monaten Bewährungsstrafe und 15.000 Euro Schadensersatz.

[1] Chronik der Ereignisse

Was die Wahlfälschung in Bad-Ems angeht, da haben sie endlich einen Verdächtigen:

Bei den Ermittlungen wegen Wahlfälschung in Bad Ems ist ein neu gewählter FWG-Stadtrat ins Visier der Staatsanwaltschaft geraten. Es bestehe der Verdacht, dass er sich bei der Kommunalwahl am 7. Juni mit manipulierten Stimmzetteln selbst in das Gremium gemogelt habe, sagte der Leitende Oberstaatsanwalt Horst Hund heute in Koblenz.

Gemogelt. Süß. Wie wohl die Schlagzeile lauten würde, wenn sich ein Mitglied rechter Parteien in den Stadtrat „gemogelt“ hätte.

14 Kommentare zu „Wahlfälschung: Damals, in Dachau..“

  • ThePassenger:

    Die Wahlfälschung ist der eine Skandal, der andere, eigentlich schwerwiegendere, ist die Nichtbestrafung der Überführten.

    Ich weiss nicht was auf Wahlfälschung steht, tiefer kann man aber wohl kaum an den Grundfesten der Demokratie sägen. Bewährung, Geldstrafe… diese Leute gehören min. für fünf Jahre hinter Gittern und zwar nicht in den Reichen-Knast mit Freigang, sondern zu den harten Jungs mit allen Extras, All-Inklusive.

    Bisher dachte ich Wahlfälschung liesse sich bei der Masse leider nicht vermeiden, klar gibt es immer irgendwo irgendwelche Landords die ihre Stadt/Kreis im „Sack“ haben. Aber dieser wiederholte Bericht lässt doch grundlegende Zweifel aufkommen.

    Ein weiterer Punkt der für GG Art. 20, Abs. 4 „…wenn andere Abhilfe nicht möglich ist“ spricht. Die demokratische Wahl scheint diese Abhilfe wohl immer weniger zu sein.

    Ist herauszufinden ob es ein Parteiausschlussverfahren gegen die Herren eingeleitet wurde? Das wäre wohl das Minimum innerhalb einer Partei die sich demokratisch nennt. Im Prinzip gehörte der gesamte Stadtrat aus der Partei ausgeschlossen und die örtlichen Parteimitglieder zumindest einbestellt und intensiv befragt.

    Es hat aber wahrscheinlich ohnehin „keiner was gewusst“.

  • gast:

    Diejenigen, die wählen gehen, entscheiden gar nichts. Die, die Stimmen zählen, entscheiden alles.

    (Josef Stalin zugeschrieben)

  • Sir Toby:

    # gast

    Ein weiser Mann.

  • karl-friedrich:

    @ Sir Toby

    wie jetzt, der Gast oder Stalin? LOL 😉

  • fnord:

    @ karl-friedrich:
     
    Dschugaschwili, selbstverständlich! Unvergessen seine Worte, unmißverständlich seine Taten: „Der Tod löst alle Probleme. Kein Mann, kein Problem.“ Jeder sozialistische Menschheitsbeglücker, von Adolf bis Zedong, hat aus diesem Brunnen der Weisheit geschöpft, und zusammen haben sie mehrere Hundertmillionen Probleme gelöst. Zwar gewinnt Zedong nach Problemlösungspunkten, der Georgier kommt aber gleich an zweiter Stelle. Naja, so ist’s eben mit dem Schüler, der den Lehrer irgendwann übertrumpft. Dann folgt das gescheitelte Oberlippenbärtchen, abgeschlagen hingegen sind die kleinen gelben Genossen, die es immerhin auf einstellige Millionen gelöster Probleme bringen. Aber wann war die Menschheit je näher am Arbeiter-und-Bauern-Paradies als in Kambodscha? Verzeihung, die Arbeiter wurden auch problemgelöst, Bauern sollten’s ja sein. Hoch!, Hoch!, Hoch! die Internationale Solidarität.
     
    Heute ist ein guter Tag für zynische Misanthropie, man möge mir verzeihen. Oder auch nicht.
     
    Gruß,
     
    fnord

  • Sir Toby:

    # karl-friedrich

    Raten Sie mal… 😆

  • Sir Toby:

    # fnord

    Zunächst einmal ‚Danke‘ … für die weiteren Sentenzen des … na, sagen wir mal ‚bekanntesten‘ Georgiers der bisherigen Geschichte (denn vielleicht ist ja auch der Schoß fruchtbar noch, aus dem der kroch…) – die kannte ich noch gar nicht. Ja, ja … die goldenen Weisheiten des Josef Dschugaschwili …

    Allerdings: Unsere Zeit hat auch so einiges zu bieten; heute morgen schon auf ASR gefunden:

    „Montag, 20. Juli 2009

    Wer eine Atombombe zündet wird nur mit 5 Jahren Haft bestraft

    Das ist jetzt keine Verarsche …

    Laut Paragraf 328 des deutschen Strafgesetzbuches wird mit 5 Jahren Haft bestraft, wer eine nukleare Explosion verursacht. Hier der Gesetzestext:

    (1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft,

    1. wer ohne die erforderliche Genehmigung oder entgegen einer vollziehbaren Untersagung Kernbrennstoffe oder
    2. wer grob pflichtwidrig ohne die erforderliche Genehmigung oder wer entgegen einer vollziehbaren Untersagung sonstige radioaktive Stoffe, die nach Art, Beschaffenheit oder Menge geeignet sind, durch ionisierende Strahlen den Tod oder eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen herbeizuführen,
    aufbewahrt, befördert, bearbeitet, verarbeitet oder sonst verwendet, einführt oder ausführt.

    (2) Ebenso wird bestraft, wer

    1. Kernbrennstoffe, zu deren Ablieferung er auf Grund des Atomgesetzes verpflichtet ist, nicht unverzüglich abliefert,
    2. Kernbrennstoffe oder die in Absatz 1 Nr. 2 bezeichneten Stoffe an Unberechtigte abgibt oder die Abgabe an Unberechtigte vermittelt,

    3. eine nukleare Explosion verursacht oder

    4. einen anderen zu einer in Nummer 3 bezeichneten Handlung verleitet oder eine solche Handlung fördert. “

    Bei Stalin stand wohl eher der Strafgedanke im Vordergrund – wir bevorzugen den Gedanken der Resozialisierung. Motto: Jedem eine zweite Chance…

  • ThePassenger

    Ist herauszufinden ob es ein Parteiausschlussverfahren gegen die Herren eingeleitet wurde?

    Im Gegenteil: Die Wahlfälscher standen bei der Nachwahl wieder auf der Wahlliste. Übrigens wählten die Dachauer die CSU in der Nachwahl mit Mehrheit – soviel zum BRD-Wähler.

    Trifinopoulus wurde bei seiner Verurteilung das aktive Wahlrecht für vier Jahre und das passive Wahlrecht für fünf Jahre aberkannt, Aechtner schied auf eigenen Wunsch „wegen Krankheit“ aus dem Stadtrat aus.

    Ob die beiden als Mitglieder danach ausgeschlossen wurden: Keine Ahnung. Als Mitglied wirst du eigentlich nur aussgeschlossen, wenn du schlimme Dinge tust [wie. z.b. Hohmann/Sarkasmus aus] – Wahlfälschung gehört nicht unbedingt dazu.

    Die Presse und Pressesprecher nennen das auch selten „Wahlfälschung“ [außer in Fällen, wo es sich nicht mehr beschönigen ließ] – ansonsten werden eher Worte präferiert wie „Wahlungenauigkeiten“, „Peinliche Pannen“ oder „Zählfehler“.

  • Der Klaus:

    Demokratie ist wenn man trotzdem wählt.

  • fnord:

    @ Sir Toby:
     
    Na das ist aber mal ein Kracher! Da möchte ich doch glatt dreißig Zentimeter kleiner sein und seltsame Sachen auf Farsi faseln!
     
    Eine interessante Folgefrage ist natürlich, ob man zusätzlich für jeden einzelnen Toten angeklagt wird, oder ob die fünf Jahre Knast plus 120 Sozialstunden für die Zündung der Bombe alle Schuld abtragen. Kann ich eine zerrüttete Kindheit anführen? Schlechter teutscher Sprak? Ablehnungserlebnisse als Jugendlicher? Mangelnde Bildung? Genderverwirrung, weil ich meinen Vater im Sitzen und Muttern im Stehen habe pinkeln sehen? Muss ich immer wissen was ich tue oder verzeiht Er mir? Gibt es noch Nachtisch? Und selbstverständlich: „Wie kommt Scheiße auf’s Dach?“ (Wer die Herkunft dieses Zitats errät, bekommt einen „Ivy Mike“-Gedächtnisbausatz. Und ’ne Sonnenbrille.)
     
    Mao, Josef’s eifrigster Adept, hat diesen Strafgedanken erweitert und ein funktionierendes Präventivsystem daraus entwickelt: „Bestrafe einen, erziehe hundert.“ Nicht, daß er der erste Anwender dieses ehernen Prinzips war, er hatte jedoch die Möglichkeit, es mal im richtig großen Maßstab zu testen. „Und nach dem „Großen Sprung nach vorn“ sah er über die Leichenberge vor den primitiven Eisenhütten, und wusste, daß es gut war.“
     
    Gruß,
     
    fnord

  • Sir Toby:

    # fnord

    „Kann ich eine zerrüttete Kindheit anführen? Schlechter teutscher Sprak? Ablehnungserlebnisse als Jugendlicher? Mangelnde Bildung? Genderverwirrung, weil ich meinen Vater im Sitzen und Muttern im Stehen habe pinkeln sehen? Muss ich immer wissen was ich tue oder verzeiht Er mir?“

    Die angeführten Milderungsgründe werden sämtlich anerkannt – ihre Strafe ist hiermit vorbeugend erlassen. Sie sind ein vorbildlicher Bürger – ich gratuliere! 😆

  • fnord:

    @ Sir Toby:
     
    Thank you, Sir! Diesen umwerfenden Bildungserfolg habe ich unserer Qualitätsjournaille zu verdanken; da wage noch jemand zu behaupten, die taugten nur als Hofschranzen.
     
    Hochtraumatisiert ab:
     
    fnord

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