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Stillschweigendes Einvernehmen

In der neuen Ausgabe der JF schreibt Karlheinz Weißmann über den Mauerbau und das „Rhöndorfer Gespräch“ 1982. In dessen Verlauf wurde eine Erkenntnis der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, die innerhalb politischer und historischer Fachkreise längst Usus war:  US-Präsident Kennedy wußte schon vorher um die Mauerpläne der DDR-Führung und hatte überhaupt kein Interesse, die Mauer zu  verhindern. Die Gründe waren:
a. die Sorge um einen neuen Krieg
b. die three essentiels [Anwesendsheitsrecht der Alliierten, Zugangsrecht und Wahrung der Sicherheit der Berliner Bürger] die faktisch nur für West-Berlin galten.

Das war Teil einer außenpolitischen Desillusionierung, die sich nach dem Amtsantritt Kennedys im Januar des Jahres Stück für Stück vollzog. Das Verhältnis zwischen dem neuen Präsidenten und Adenauer stand von Anfang an unter einem schlechten Stern. Adenauer spürte instinktiv, daß die Amerikaner eine Kurskorrektur in ihrer Außenpolitik planten, die das Gewicht der Bundesrepublik mindern würde.

Weißmann führt weiter aus, dass der Bau der Mauer im Umfeld des Präsidenten fast mit einer gewissen Befriedigung,  jedenfalls erleichtert, zur Kenntnis genommen worden sei. Adenauer musste dann im Verlauf der Berlin-Krise erfahren, wie wenig man in Washington noch bereit war, eine harte Linie gegen den Ostblock zu verfolgen und der Deutschen Frage eine gewissen Priorität einzuräumen.

Öffentlich wurde das Bild der Ereignisse am 13 August 1961 noch lange gepflegt [Mauerbau war ein Überraschungscoup der Sowjetunion und der DDR-Führung] aber intern wusste man längst, wie der Hase gelaufen war. Willy Brandt schrieb im Februar 1959 über ein Gespräch, das er mit John Foster Dulles [damals US-Außenminister] führte: Dieser habe ihm schon zweieinhalb Jahre vor dem Mauerbau erklärt , „die Russen und wir mögen uns über tausend Dinge uneinig sein. Doch über eines gibt es zwischen uns keine Meinungsverschiedenheit: Wir werden es nicht zulassen, dass ein wiedervereinigtes, bewaffnetes Deutschland im Niemandsland zwischen Ost und West umherirrt“.

Weißmann geht davon aus, dass der „kalte Krieg“, die Vorstellung, dass sich USA und Sowjetunion unversöhnlich gegenüberstanden“ eine Mär ist –  de facto habe es eine stillweigenden Übereinkunft gegeben und die Jalta-Ordnung habe auf höherer Ebene bis 1989 gehalten.

Karlheinz Weißmann in der Jf 33/09, S.17: Stillschweigendes Einvernehmen.

22 Kommentare zu „Stillschweigendes Einvernehmen“

  • Freidenker:

    Es gab nie eine „Deutsche Frage“, nach der Vertreibung ist es geradezu grotesk so etwas anzunehmen.
    Die Alliierten haben nach dem Krieg ihre Claims abgesteckt,
    und die eine Seite hat die Grenzen etwas stärker befestigt.
    Deutsche Belange spielten dabei eine untergerordnete Rolle,
    und das ist schon blumig ausgedrückt.

  • virOblationis:

    „Wir werden es nicht zulassen, dass ein wiedervereinigtes, bewaffnetes Deutschland im Niemandsland zwischen Ost und West umherirrt.“ -Im Niemandsland heißt: seinem eigenen Weg folgend.
    Die Situation hat sich verändert, weil in Folge dessen, was ich PC-Koalition genannt habe, das us-amerikanisch dominierte Erbe von „Ost und West“, auch andere europäische Staaten sich mittlerweile in ebensolcher Position befinden wie Deutschland. Spanien darf seinem eigenen  Weg nicht folgen, da ihm die Franco-Keule droht, ähnlich Portugal (Salazar). Frankreich darf es nicht, um nicht die Kolonialisten-Keule verabreicht zu bekommen, ebenso Großbritannien.
    Italien müßte es eigentlich auch so ergehen, doch scheint eine Mussolini-Keule nicht wirksam zu sein. – Müßten nicht auch die anderen, unter der PC leidenden europäischen Völker diesem Vorbild folgen?
    Wenn es einem einzigen europäischen Volk angesichts überlegener Großmächte nicht mehr möglich ist, seinen eigenen Weg zu gehen wie bis zu den beiden Weltkriegen, dann müßte dies einem Europa der Vaterländer schon eher möglich sein.

  • Blond:

    Vielleicht war und ist die Angst vor einem zu starken Deutschland ja gerechtfertigt – immerhin baut D mit die besten Waffen, Industrie-Anlagen, Maschinen usw. und haelt auch wissenschaftlich sowie wirtschaftlich nicht hinterm Berg :
    Also VOLLE KONTROLLE !

  • Blond:

    Und wenn ich mir die ‚Aktionen / Reaktionen‘ von Deutschlands BuFiMi gegen kleinere Laender anschaue, weiss ich, dass ich solches Gedankentum lieber unter Kontrolle sehe !

  • Blond:

    Nichts desto trotz:
    Die ‚Mauer‘ war ein mieses Ding – abgesprochen noch viel schlimmer !
    Die Toten und Opfer der Deutsch – Deutschen Trennung werden allerdings durch die grosse rote Gesinnung keine Rolle mehr spielen – bis es vergessen ist ! 🙁

  • Freidenker:

    @ Blond
    dazu muss mann kein Land zwei oder besser gesagt dreiteilen.

    Die Flugzeugindustrie bis dato Weltspitze wurde abgewrackt,
    erst Jahrzehnte später gab es in Europa wieder einen Flugzeugbau,
    bei dem Deutschland sein Entwicklungspotenzial mir den europäischen „Partnern“ teilen darf, Airbus, Eurofighter.
    Zum Thema Raketentechnik ist glaube ich alles gesagt.
    Auch großkalibrige Kanonen durfte D nicht entwickeln, deshalb hatte der Leo 1 auch noch eine englische Kanone, kaufen durften wir sie komischerweise schon, aber nein es geht nicht ums Geschäft ???
    Die Industriedemontagen waren auch nicht von Pappe,
    aber die USA hat uns ja soo geholfen, und sogar Pakete geschickt . 😉
    Böse Zungen behaupten gar das alleine mit den geraubten Patenten sich
    der Krieg für die USA gelohnt hat.

    Das Beispiel mit dem Finanzminster ist schon etwas sehr konstruiert,
    wenn ein Land von uns bösen Deutschen noch nie überfallen wurde,
    dann doch die Schweiz. 😉

  • @ virOblationis

    Interessanterweise sind es aber genau eben die Länder des „alten Europa“ [Deutschland, Frankreich, England etc.] die NICHT ein Europa der Vaterländer präferieren, sondern die „Vereinigten Staaten von Europa“ nach dem Vorbild der Vereinigten Staaten von Amerika [Wirtschaft, Arbeitsmarkt, Multi-Kulti, Konsumschweinchendasein usw]Und trotz der Keulen eines, das fest im Nato-Bündnis unter amerikanischer Führung eingebunden ist.

    Selbst  – oder gerade? – Politiker wie Adenauer [CDU] und Brandt oder Schmidt [SPD], die genau wussten, wie der Hase läuft [Mauerbau etc] unternahmen nie einen ernsthaften Versuch, mehr Selbstständigkeit für D. zu erringen, sondern trieben die Auflösung D. in der EU ständig voran – unter ständiger Beschwörung des transatlantischen Bündnisses. Wie alle anderen regierenden Parteien [egal ob SPD oder CDU] später auch.

  • gast:

    Drei Tage nach Adenauers Abreise gab Kennedy dem Chefredakteur des Moskauer „Iswestija“, Alexej Adschubej, einem Schwiegersohn Chruschtshows, ein Interview, aus dem sich mehr zum deutsch-amerikanischen Verhältnis jener Tage entnehmen läßt, als aus dem Kommunique. Kennedy räumte ein, „daß es zwei Deutschlands geben wird, solange die Sowjetunion der Ansicht ist, daß dies in ihrem Interesse liegt“.
    Nachzulesen in: 1961 – Mauerbau und Außenpolitik

  • Wahnfried:

    Diese ganze Geschichte gibt an vielen Stellen Rätsel auf.
     
    Die NATO hatte 3/4 und der Warschauer Paket etwa 1/4 vom Nachkriegs-Deutschland bekommen, wobei der östliche Teil aufgrund von wiederholten Demontagen zwecks Reparation und einem zweifelhaften Wirtschaftssystem noch schwächer war, als es der Bevölkerungsanteil ahnen lassen würde. Vom militärischen oder wirtschaftlichen Standpunkt aus betrachtet hätte es für Stalin ’55 mit seinen Stalinnoten allen Sinn der Welt gemacht ein wiedervereinigtes und neutrales Deutschland anzustreben. Er hätte seinen kleinen und schwachen Teil von Deutschland gegeben, um im Gegenzug einen großen und leistungsfähigen Teil aus der NATO heraus zu brechen.
     
    Weniger Interesse an einer solchen Entwicklung schreibe ich da den Amerikanern zu. Die wären schön blöd gewesen, wenn sie für die DDR die BRD aus den Händen gegeben hätten.
     
    Einigkeit mag unter den beiden Supermächten darin bestanden haben, daß es illusorisch sein müsse anzunehmen, die USA würden ihre BRD hergeben und damit die Situation der NATO gegenüber dem Warschauer Pakt ohne Not zu schwächen.
     
    Vor diesem Hintergrund hat die Deutsche Frage womöglich nie eine Rolle gespielt, die über die von schönen Sonntagsreden und der Demonstration guten Willens hinausging.

  • ThePassenger:

    Es verwundert mich nicht dass man bereits im Vorfeld informiert war. Es wird wohl in der seinerzeit noch durchlässigen DDR nicht zu verbergen gewesen sein das Massen von Soldaten/Arbeitskräften an die Grenze verlegt wurden. Alleine schon um keine Konfrontation zu provozieren mussten die Westalliierten im Bilde sein.

    Neu scheint mir lediglich die früher Kenntnis darüber, nicht aber die Tatsache an sicht.

    Bzgl. EU bzw. Deutschland/Frankreich hier ein aufschlussreicher Text:
    http://www.uni-stuttgart.de/lettres/projekte/adg/adenau.htm

    De Gaulle lehnte die EWG, den EU-Vorgänger ab. Er hatte auch ein entspannteres Verhältnis zur Sowjetunion. Frankreich hatte innerhalb der NATO einen zweifelhaften Status, in alten Karten wird Frankreich bzgl. der NATO-Mitgliedschaft oftmals schraffiert dargestellt. Es waren auch die Franzosen, die als erste, bereits in den 50’ern, einem swojetischen Rakentenstart beiwohnen durften – ein Akt des Vertrauens.

    De Gaulle meinte es wirklich ernst mit der Achse Paris-Bonn. Als einziger unter den Westalliierten war er wirklich bereit die alte Feindschaft vergessen zu machen. Zumindest mir fällt auf das bei allen negativen Dinge die man noch heute gegen die Kriegsgegner von einst vorbringt, die Franzosen in aller Regel nicht Teil der Aufzählung sind. Wenn man bedenkt, dass es sich hier um den erklärten Erbfeind handelte, so muss man feststellen: Wenn man will geht es!

    De Gaulle wusst spätestens seit dem Vorfall in Mers-el-Kébir wo der Hase langläuft ( http://de.wikipedia.org/wiki/Mers-el-K%C3%A9bir – interessanterweise kaum deutsche Quellen dazu, daher Wikipedia).

    Letztendlich wurden beide Politiker, Adenauer wie de Gaulle, von ihren Parlamenten schroff im Stich gelassen und zurückgepfiffen.

    Ich werde nicht müde es zu wiederholen: Sarkozys Vorschlag Deutschland am frz. Atomwaffenarsenal teilhaben zu lassen hatte eine historische Dimension. Vor der Weltöffentlichkeit gäbe es wohl kaum einen besseren Leumund für ein friedliches Deutschland als den ehemaligen Erbfeind.

    Nicht ohne Grund ist die Zusammenarbeit im Rüstungssektor zwischen Deutschland und Frankreich am aktivsten. Die Sache wurde als Militärbündnis geplant, leider haben andere Mächte dies verhindert. Man sollte diesen Gedanken aber trotzdem nicht begraben. Ein Deutsch/Französischer Block mit freundschaftlichen Beziehungen zu Russland könnte theoretisch einges bewegen.

    Nicht umsonst sind die US-Amerikaner auf Frankreich nicht gut zu sprechen und das nicht erst seit der „Freedom Fries“ Affäre.

  • Freidenker:

    Angenommen in der DDR hätte man riesige Ölvorkommen gefunden,
    dann gäbe es bis heute keine Teilvereinigung,
    so sieht man was bei solchen Entscheidungen alles mit hineinspielt.

  • Wahnfried:

    Passenger: Schon Chiraq hatte Teilhabe an französischen Atomwaffen angeboten, was nichts kostet, solange Deutschland auch unter dem Schirm der NATO ist. Davon abgesehen ist Deutschland ein „Screwdriver State“, also wegen der technischen Fähigkeiten „den Dreh eines Schraubenziehers“ von Atomwaffen entfernt.
     
    Vor ein paar Tagen erst habe ich dazu etwas gelesen, auf einer Seite, die zwar etwas windig aufgemacht ist, aber an sich ganz interessante Lektüre über Atomkraft liefert. Passend dazu: http://oekoreligion.npage.de/get_file.php?id=7241083&vnr=474861

  • virOblationis:

    @ Judith
    Du meinst, auch Adenauer habe kein Europa der Vaterländer angestrebt? – Wie dem auch sei: Die Gemeinsamkeit als unter der PC leidende Völker hat sich erst seit den siebziger Jahren allmählich herausgebildet. Und wenn der Gedanke an ein von daher mögliches Europa der Vaterländer auch im Gegensatz zu der gesamten bisherigen Entwicklung der letzten Jahrzehnte steht, so eröffnet er doch immerhin eine Perspektive und schenkt einen Funken Hoffnung.
     
     

  • @ vir Oblationis
    Und wenn der Gedanke an ein von daher mögliches Europa der Vaterländer auch im Gegensatz zu der gesamten bisherigen Entwicklung der letzten Jahrzehnte steht, so eröffnet er doch immerhin eine Perspektive und schenkt einen Funken Hoffnung.

    Ja, da hast du Recht – darauf die Hoffnung.

  • @ Judith:

    „Interessanterweise sind es aber genau eben die Länder des “alten Europa” [Deutschland, Frankreich, England etc.] die NICHT ein Europa der Vaterländer präferieren, sondern die “Vereinigten Staaten von Europa” nach dem Vorbild der Vereinigten Staaten von Amerika“

    Die Engländer werden niemals Vereinigte Staaten von Europa dulden, jedenfalls nicht solche nach dem Vorbild der USA; sie sind im Gegenteil die Macht, die solche Projekte nach Kräften torpediert, und das hat auch seine Logik:

    In einem europäischen Bundesstaat, wenn er denn demokratisch strukturiert wäre, müsste zwangsläufig das zahlenmäßig stärkste Volk, also wir, den beherrschenden Einfluss haben. Und da England eben nicht zum alten Europa gehört, sondern als Statthalter des liberalen amerikanischen Globalismus in Europa fungiert, sieht man dort klarer als hier den Gegensatz zwischen der konservativen kontinentalen und der liberalen, gewachsene Strukturen gleichsam verflüssigenden Denkweise der Angelsachsen (England war die erste Weltmacht mit globalistischer Ideologie, bevor es in dieser Eigenschaft von den USA abgelöst wurde, ohne freilich seine Ideologie zu ändern). Das heißt, dass Deutschland bereits aus Gründen der ideologischen Grunddisposition in einem demokratisch strukturierten europäischen Bundesstaat die übrigen Kontinentaleuropäer in sehr vielen Einzelfragen auf seiner Seite hätte. Zudem wäre Europa als Bundesstaat zwangsläufig die zweite westliche Supermacht, und weder die USA noch ihre Inselkolonie jenseits des Kanals können daran ein Interesse haben.

    (Die Franzosen spielen eine Sonderrolle, weil sie sich seit fünfzig Jahren an der Quadratur des Kreises versuchen, nämlich einem demokratischen Europa, in dem nicht Deutschland, sondern sie die Führungsmacht sind.)

    Umgekehrt würde Deutschland auch in einem Europa der Vaterländer, sprich einem Europa souveräner Nationalstaaten die Führung bekommen – ohne einen einzigen Schuss abzufeuern oder auch nur damit zu drohen. 

    Wenn also sowohl der Bundesstaat als auch die Renaissance der Nationalstaaten zur Hegemonie Deutschlands führen müsste, gibt es für die Angelsachsen nur einen Ausweg aus diesem Dilemma, und das ist die EU, die wir tatsächlich haben, mit möglichst schwerfälligen Entscheidungsverfahren, die verhindern, dass Europa eine handlungsfähige Einheit nach Art Amerikas werden kann; in der alle wesentlichen Entscheidungen in internationalen Verträgen faktisch unwiderruflich festgeschrieben sind (sodass im engeren Sinne politischer Entscheidungsbedarf gar nicht entstehen kann); und zwar Entscheidungen, deren wesentlicher Inhalt der Ausbau der „vier Grundfreiheiten“ ist: freier Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr sowie Freizügigkeit von Personen, verbunden mit dem Auftrag, alle Strukturen zu zerstören, die der Verwirklichung dieser Freiheiten entgegenstehen. 

    Es geht um die Individualisierung der Gesellschaft bis hin zu ihrer Atomisierung. Völker sind Solidarverbände, ihre Existenz steht mithin der optimalen Allokation von Ressourcen im Wege. Völker stören. Die müssen weg. Die EU ist, mit anderen Worten, eine institutionalisierte Ideologie angelsächsisch-globalistischen Zuschnitts, die zugleich den traditionellen politischen Gegner dieser Ideologie, nämlich Deutschland, entmachtet, indem es alle europäischen Nationalstaaten entmachtet. Politische Herrschaft ist in diesem System allenfalls in Gestalt der Herrschaft der USA vorgesehen, des Garanten der liberal-globalistischen Ordnung. Die EU als Bundesstaat zu konstituieren hieße, einen zumindest potenziellen Feind dieser Ordnung geradezu zu züchten.

  • virOblationis:

    @ Manfred
    Zwar bin ich nicht angesprochen worden, melde mich aber gleichwohl zu Wort.
    „Die Engländer werden niemals Vereinigte Staaten von Europa dulden, jedenfalls nicht solche nach dem Vorbild der USA; sie sind im Gegenteil die Macht, die solche Projekte nach Kräften torpediert…“
    Das mag traditionell so gewesen sein, aber kann das noch von der Labour-Regierung gesagt werden? Wenn nicht, dann „präferieren [die Länder des ‚alten Europa‘ ]… die ‚Vereinigten Staaten von Europa‘ nach dem Vorbild der Vereinigten Staaten von Amerika“ tatsächlich. Fataler Weise erstreben solches nicht nur die „westlichen“ Kräfte. Die Linke bildet kein Gegengewicht, sondern will ebenfalls ein vereintes Europa heraufführen, eine Union von Volksrepubliken, öfter schon als „EUdSSR“ bezeichnet.
    Die konservative Position eines „Europa der Vaterländer“ ist dagegen kaum noch vorhanden. Doch gerade dadurch, daß die mächtige PC-Koalition aus Transatlantikern und Linken zusammen nach dem Ziel eines vereinten Europa strebt, stellt sie die bis dahin in verschiedene Richtungen strebenden Völker Europas alle vor dieselbe Frage: „Seid ihr bereit, eure Auflösung hinzunehmen?“ So entsteht eine neue Gemeinsamkeit, die es zu entdecken und politisch zu nutzen gilt für eine Erhaltung der europäischen Völker und ein Europa der Vaterländer.
     
     

  • Kein Dissens, insbesondere was die Gemeinsamkeiten von Transatlantikern/Liberalen und Linken angeht und die Tatsache, dass ein konservativer Ansatz (nicht nur in dieser Frage) praktisch nicht mehr vertreten wird. Mir ging es nur um den Hinweis, dass ein Bundesstaat nach dem Vorbild der USA etwas ganz anderes ist als eine Struktur wie die EU, die die Nationalstaaten auflöst, ohne sie durch etwas Gleichartiges oder gar Besseres zu ersetzen in dem Sinne, wie die amerikanische Union die Bundesstaaten in vielen zentralen Staatsfunktionen ersetzt hat. Die EU (oder auch die WTO, der IWF etc.) funktioniert anders und muss auch andes funktionieren. Die politischen Gestaltungsmöglichkeiten der Nationalstaaten werden in diesen supranationalen Institutionen nicht einfach auf eine größere Einheit verlagert, sondern schlicht abgeschafft.
    (Übrigens hat auch die Labourregierung alles in ihrer Macht stehende getan zu verhindern, dass der „Verfassungs“-Konvent womöglich doch noch die Verfassung eines Bundesstaates vorlegt. Labour arbeitet noch um einiges überzeugter an der Zerstörung der Nationalstaaten, aber gerade nicht, um einen Bundesstaat zu errichten, sondern um Europa als institutionalisierte liberalistische Ideologie unverrückbar vertraglich festzuschreiben.)

  • Freidenker:

    Das Deutschland in einem Europa Führungsmacht wäre ist glaube ich so eine Geistergeschichte bei der ich mich immer Frage wer erfindet so etwas ???
    Bei einer Demokratie ist ein Grundsatz ein Mann eine Stimme, auch wenn dieser Grundsatz bisher von der EU mit Füssen getreten wird.
    Europa hat in etwa 450 Millionen Einwohner, 80 Millionen Deutsche,
    damit sind sie in der Tat der Stärkste Nationalstaat, aber Führungsmacht ???
    Wie gesagt, ich habe das Gefühl da malt jemand bewusst ein Gespenst an die Wand.

  • Wieso Gespenst? Hättest Du ein Problem damit, wenn Dein eigenes Land die Führungsmacht Europas wäre? Ein Pole oder Franzose hätte damit kein Problem (wenn es sein eigenes Land wäre, nicht etwa Deutschland).
    Im übrigen ist Deine Rechnung eine Milchmädchenrechnung. Die größte Macht in einem System, in dem niemand die absolute Mehrheit hat, hat der, der am wenigsten Partner braucht, um die absolute Mehrheit zu erreichen.

  • Freidenker:

    Nein ich hätte damit kein Problem, ich war schon immer Stolz Deutscher zu sein, und bin aus tiefstem Herzen Demokrat.
    In einem Demokratischen Parlament entscheidet die Mehrheit,
    somit gibt es keine „Führungsmacht“ in Form von einem
    Nationalstaat.

    Deutschland wäre somit stärkste Einzelmacht, dem stimme ich zu, aber mit 80 von 450 Million bei weitem keine Führungsmacht.

    „Führungsmacht“ wird gerne von Leuten verwendet die damit suggerieren wollen
    D würde sich über die EU Europa unter den Nagel reisen weil es Hitler nicht geschafft hat, ich halte das für Nonsens.

  • Ach so, nun, darin stimmen wir allerdings überein. Ich verstehe unter „Führung“ auch keine Diktatur, eher ein koordinierendes Zentrum, und das wird ganz von alleine der stärkste Einzelakteur sein, und zwar sowohl in einem Bundesstaat als auch in einem Europa der Vaterländer. Dass Deutschland seine Macht nicht missbrauchen sollte, sollte einen nicht hindern zu erkennen, dass sie vorhanden ist.

  • virOblationis:

    Es ist ja nicht so, daß mir ein Europa der Vaterländer mit Deutschland als „koordinierendem Zentrum“ mißfiele, doch gerade etwas Vergleichbares, nämlich deutsche Dominanz – damals allerdings in Form einer totalitären Diktatur – innerhalb Europas, wurde durch den 2. Weltkrieg zunichte gemacht. Insofern löst dieses natürliche Gefälle hin zu Deutschland als „koordinierendem Zentrum“ in Europa Besorgnis bei mir aus. Wird nicht die Reaktion der übrigen dahin gehen, gerade dies nicht zuzulassen und sich gemeinsam gegen Deutschland zu stellen, um mit ihm – milde ausgedrückt – ihren Mutwillen zu treiben?
    Das Europa der Vaterländer dürfte also wirklich nur die allernötigsten Aufgaben gemeinsam machen und jedem Staat viel eigenständigkeit lassen, damit die Möglichkeit, Deutschland unter Druck zu setzen, möglichst gering im Umfang wird.

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