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Die Beziehung zwischen der Türkei und Israel

ist der dritte und letzte Artikel über  die  Geo- und Militärpolitik anderer Länder, die die Politik der BRD stark beeinflussen. Deshalb ist es wichtig  für uns Deutsche, sie wenigstens in Grundzügen zu kennen, denn lt. Merkel ist a.  Israels Sicherheit deutsche Staatsräson,  b. sind  die Türken die zahlenmäßig größte Gruppe der Ausländer in der BRD und c. ist die BRD eingebettet in die EU, die Nato und das transatlantische Bündnis.

Teil I:   Die Beziehung zwischen der Türkei und den USA
Teil II: Die Beziehung zwischen der Türkei und Russland

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Geschichtlich

Die Türkei erkennt am 28.März 1949 als erstes muslimisches Land den neu gegründeten Staat Israel diplomatisch an. Neun Jahre später, am 29. August 1958 schließen Israels Premierminister Ben Gurion und der türkische Premierminister Menderes den sogenannten Peripheriepakt gegen „sowjetischen Einfluss“ und die Befreiungsbewegungen im Nahen Osten, der auch den Austausch von Geheimdienstinformationen und gegenseitige Militärunterstützung beinhaltet.

Die 90er: Strategische Militärallianz

Wirklich eng wird die türkisch-israelische Beziehung in den 90er Jahren. Die beiden Staaten unterzeichnen einen Grundlagenvertrag über weitreichende Zusammenarbeit in den Bereichen Wirtschaft, Politik, Sicherheit und Rüstungstechnologie. Der israelische Präsident Weizman sichert bei einem Gegenbesuch zwei Monate später in Ankara zu, dass Israel die Türkei bei der Terrorismusbekämpfung durch die Ausbildung türkischer Experten sowie dem Austausch von Geheimdienstinformationen unterstützen werde.

Im Februar 1996 unterzeichnen beide Staaten ein Abkommen zur militärischen Zusammenarbeit. Darin enthalten: Austausch von Erfahrungen im Rahmen eines Sicherheitsforums für strategischen Dialog, Zugang zu den militärischen Anlagen des jeweils anderen Landes und Manöver im jeweils anderen Land. Von nun an können israelische F-16-Kampfflugzeuge über türkischem Territorium den Luftkrieg üben [der israelische Luftraum ist dazu zu klein] – im Gegenzug werden türkische Piloten in Israel in der elektronischen Kriegsführung ausgebildet.

Im August 1996  folgt ein weiteres israelisch-türkisches Abkommen über Rüstungskooperation und im Dezember beauftragt der türkische Premierminister Erbakan die staatliche Israelische Flugzeugindustrie mit der Modernisierung von 54 türkischen Phantom F-4E- sowie 48 F 5 Kampfflugzeugen. Die Kosten von 675 Millionen Dollar werden der Türkei durch Kredite mehrer israelischer Privatbanken finanziert. Das Rüstungsabkommen beinhaltet in den folgenden Jahren u.a. die Produktion von Boden-Luft-Raketen, die Lieferung von vier Frühwarnflugzeugen und die Produktion von Sturmgewehren in der Türkei.

Beginn des 21 Jahrhundert: Abkommen und Krisen

Im Mai 2002 unterzeichnet die türkische Regierung ein Abkommen mit der staatlichen Israelischen Militärindustrie zur Modernisierung von 170 M-60A1 Kampfpanzern. Im Juli desselben Jahres gewinnt Israel eine türkische Ausschreibung für die Installation von Systemen der elektronischen Kriegsführung – die Türkei finanzierte einen Teil dieser Waffenkäufe mit Wasserlieferungen: Eine Vereinbarung zwischen Israels Premier Scharon und dem  türkische Energieminister Cakan im August 2002 sichert die jährliche Lieferung von 50 Millionen Kubikmeter Frischwasser aus dem Fluß Manavgat bei Antalya an Israel.

Unter  Erdogan vollzieht die Türkei einen Kurswechsel in der Außenpolitik und die Dreiecks-Beziehung USA/Israel/Türkei beginnt zu kriseln.  Die wichtigsten Knackpunkte kurz und knapp:

2003 verbietet die Türkei den Amerikanern die Nutzung der Flugbasen in Incirlik, die für die  USA u.a. als Einfallstor zum Irak  von wichtigem strategischen Nutzen sind.

2004 spricht Erdogan im Zusammenhang mit der Tötung des Hamas-Führers Scheich Ahmad Yassin und den zivilen Opfern im Rafah-Flüchtlingslager vom israelischen „Staatsterrorismus“.

2006 empfängt die Türkei als erstes nicht-arabisches Land eine Delegation der Hamas, angeführt von Khaled Mashal.

2008 sorgt ein Besuch des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad in Ankara für weitere Verstimmung.

Im Januar dieses Jahres kommt es zu einem Eklat in Davos, wo Erdogan den israelischen Staatspräsidenten Peres öffentlich angreift [„Beim Töten kennen Sie sich sehr gut aus“]. Hintergrund ist der Einmarsch der Israelis in den Gazastreifen im Dezember 2008/Januar 2009

Oktober: Vorläufiger Tiefpunkt ist die Ausladung Israels von dem geplanten türkischen Luftmanöver „Anatolischer Adler“ und die vom türkischen Sender  TRT1 ausgestrahlte  TV-Serie „Ayrilik“ [Trennung].

Dazu muss man wissen, dass die freundschaftlichen Beziehungen zwischen der Türkei und Israel immer eine Beziehung der Eliten war: Die  türkische Bevölkerung selbst ist der Politik des Staates Israel gegenüber ablehnend eingestellt. Von daher ist die Kritik Erdogans gegenüber Israel auch als Teil von Wahlkampfstrategien zu verstehen – an irreparable Schäden im beiderseitigen Verhältnis glaubt [vorerst]  keiner, weil beide Länder einander brauchen. „Jene, die verlangen, die Beziehungen zu Israel einzufrieren, möchte ich daran erinnern, dass wir die türkische Republik führen, keinen Tante-Emma-Laden“ [Erdogan].

Beleg dafür ist auch der 2007 geplante Bau der Med Stream: Eine Pipeline, die Elektrizität, Erdgas, Rohöl und Wasser aus der Türkei nach Israel transportieren und bis 2012/2013 fertiggestellt werden soll.
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[1] Israel, die Türkei und die Kurden
[2] Konrad-Adenauer-Stiftung: Die Gaza-Krise und die neue türkische Außenpolitik
[3] Welt: Das türkisch-israelische Verhältnis zerfällt

8 Kommentare zu „Die Beziehung zwischen der Türkei und Israel“

  • ThePassenger:

    “Jene, die verlangen, die Beziehungen zu Israel einzufrieren, möchte ich daran erinnern, dass wir die türkische Republik führen, keinen Tante-Emma-Laden” [Erdogan].

    Der Spruch ist wirklich gut.

    Folgender Artikel von gestern könnte einige der in dieser Reihe dargelegten Fakten unterstreichen:
    Verbot von Kurden-Partei löst Krise aus

    http://www.welt.de/die-welt/politik/article5522681/Verbot-von-Kurden-Partei-loest-Krise-aus.html

  • @ ThePassenger

    Die Jf hat zu diesem Thema auch einen Artikel eingestellt: Darin wird die These aufgestellt, das Parteienverbot verschlechtere die Beitrittsaussichten der Türkei zur EU. Das wäre ja schon mal was.

    Witzig fand ich den Teil des von dir verlinkten Welt-Artikels: Bei diesem Spiel ginge es gar nicht um die Kurden, sondern um Machtkämpfe zwischen den verschiedenen türkischen Eliten.Darauf wäre ich im Traum nicht gekommen/Sarkasmus aus.

    Mich interessiert die relativ genaue Zahl von Kurden in der BRD – das SPD-Hausblatt FR behauptet, dass viele von ihnen die umgetaufte SED-Partei DieLinke favorisieren würden, aber wie hoch genau der Kurdenanteil in der BRD ist, konnte ich noch nicht herausfinden.

  • Freidenker:

    Beiden Staaten sehen sich mittel oder langfristig in der EU, während ein Beitritt für die Türkei nur Vorteile bringen würde, wäre  ich mir bei Israel da nicht so sicher.
    Selbst wenn man sich die später aufdrängende Frage, warum nicht die ganze Welt in die EU, mal außen vor lässt, würde Israel mit nichten auch nur einen Bruchteil seiner Souveränität aufgeben, hier würde ein neu Status geschaffen, neben der privilegierten Partnerschaft gäbe es dann die privilegierte Mitgliedschaft.
    Und hier liegt mit ein Schlüssel warum die USA die Türkei so gerne in der EU sähe, die georaphische Zugehörigkeit zu Europa wäre keine Grundvorrausetzung mehr, und mit der Türkei könnte man einen Sonderstatus aushandeln, alles Wegbereiter für eine Mitgliedschaft Israels. 
    Ob die von Israel völkerrechtswiedrig besetzten Gebiete auch Teil der Eurozone würden ist eine spannende Frage, aber mit den besetzten Ostgebieten gab es ja auch keine Probleme, und mit der BRD hat Israel ja einen zahlungsstarken Fürsprecher.

  • ThePassenger:

    Mir pers. fällt auf, dass die Kurden hier in Deutschland ihre Veranstaltungen gerne mit enem roten Stern im Hintergrund bewerben, im Vordergrund ist eine Person zu sehen, keine Ahnung wer das ist, wohl irgend ein Begründer/Märtyrer. Interessanterweise kopieren sie dabei meist die Antifaschisten und versauen die Umwelt mit Aufklebern.

    Alleine der Name „Kurdische Arbeiterpartei“ lässt auf eine gewisse ideologische Nähe zu den sozialistischen Brüdern in Deutschland schliessen.

    Die im Artikel erwähnte DTP scheint mir eine Marionette der AKP zu sein, das kurdische Original ist wohl weiterhin die PKK.

    Da ist es nat. von Vorteil, wenn man die doppelte Staatsbürgerschaft hat, dann kann man gleich 2x Sozialismus wählen.

    Apropos Parteienverbot:
    OSZE fordert Korrektur des deutschen Wahlrechts

    http://www.welt.de/politik/deutschland/article5529163/OSZE-fordert-Korrektur-des-deutschen-Wahlrechts.html

    Das waren die, denen man nachträglich eine Einladung aussprach als sie ihren Besuch aus gg. Anlaß bereits angekündigt hatten.

    Vielleicht können die Türkei und Deutschland doch noch „eine Familie“ werden – was den Türken die Kurden, ist den Deutschen das eigene Volk.

    Ergänzend sei noch erwähnt, dass die Amerikaner im Irak streckenweise zweigleisig gefahren sind: Es gab, schon damals nach dem 1.Überfall der USA auf den Irak, ein zweigeteiltes Land (Flugverbotszone ab dem x. Breitengrad). Die Kurden konnten faktisch tun & lassen was sie wollten, ihr eigenes Land bekamen sie aber offiziell nicht – wohl eine der Konzessionen der USA an den Waffenbruder Türkei und eine der Karten, die man in Washington noch spielen könnte, wenn die Türken zu frech werden.

    Aber unter einem Präsidenten Namens Obama dürfte das sehr unwahrscheinlich sein. Nachdem er bereits Irael verprellt hat und gerade dabei ist seine eruopäischen Verbündeten noch tiefer in das Afgahnistan-Schlamassel reinzuziehen dürfte er kaum genug Spielraum haben es sich auch noch mit den Türken endgültig zu verderben.

  • @ Freidenker

    Ob die Gebiete, die Israel in Kriegen erobert hat, eine „völkerrechtswidrige Besetzung“ sind, ist nicht so eindeutig, wie das [vor allem von Linken] gerne suggeriert wird.  Man kann sie auch als ganz normale Gebietseroberungen sehen, wie sie sowohl im WK I als auch im WK II ebenfalls praktiziert wurden – die Sieger verleibten ihrem Staatsgebiet erobertes Terrain ein und wohl keiner würde ernsthaft behaupten, dass das in jedem Fall völkerrechtswidrig war.

  • @ ThePassenger

    Danke für den Link über die Einschätzung der OSZE . Da ich aber Urlaub habe, kommt ein Artikel dazu erst nächstes Jahr. Der Videokommentar von Roger Köppel [neuester Artikel] war definitiv der letzte vor den Weihnachtsfeiertagen. Der musste allerdings noch raus – das ließ mir keine Ruhe.

  • Freidenker:

    @ Judith

    Das ist wohl nur noch philosophisch zu klären in wieweit Krieg als solches nicht gegen das Völkerrecht verstößt.
    Ich persönlich bin ein Anhänger der Stärke des Rechts, und nicht das Recht des Stärkeren.

  • […] Die Türkei war das erste muslimische Land, das Israel als Staat anerkannt hat. Wie man in Deutschland-kontrovers lesen kann, haben die beiden Länder jedoch schon oft Auseinandersetzungen gehabt. […]

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