Operation Regimewechsel: Psychologie der Meinungsmanipulation
Teil 3 von John Laughlands «The Technique of a Coup d’État».
Es gibt eine zweite Gruppe von Büchern, die sich auf einen etwas anderen Punkt als auf die spezifische, von Münzenberg perfektionierte Technik konzentriert. Dieser bezieht sich darauf, wie Menschen dazu gebracht werden können, mittels psychologischer Reize auf bestimmte, kollektive Weise zu reagieren.
Vielleicht der erste bedeutende Theoretiker dieses Sachverhalts war Sigmund Freuds Neffe Eduard Bernays, der in seinem Buch «Propaganda» im Jahr 1928 schrieb, dass es für Regierungen völlig natürlich und richtig war, die öffentliche Meinung zu politischen Zwecken zu gestalten. Das Einführungskapitel seines Buches hat den vielsagenden Titel «Die Organisierung des Chaos» – und Bernays schreibt: «Die bewusste und intelligente Manipulation organisierter Meinungen und Verhaltensweisen der Massen ist ein wichtiges Element in einer demokratischen Gesellschaft. Jene, die diesen ungesehenen Gesellschaftsmechanismus manipulieren, konstituieren eine unsichtbare Regierung, welche die wahre Herrschaftsmacht in unserem Land ist.»
Der Text fährt fort: «Wir werden weitgehend von Menschen regiert, von denen wir nie etwas gehört haben, unsere Gedanken werden von ihnen geprägt, unsere Geschmäcker geformt, unsere Ideen angedeutet. Dies ist das logische Ergebnis der Art der Organisierung unserer demokratischen Gesellschaft. Eine grosse Anzahl von Menschen muss auf diese Art und Weise kooperieren, wenn sie in einer reibungslos funktionierenden Gesellschaft zusammenleben wollen. In fast jeder Handlung unseres täglichen Lebens, ob in der politischen oder in der wirtschaftlichen Sphäre, in unserem sozialen Verhalten oder unserem ethischen Denken, werden wir von einer relativ kleinen Anzahl von Personen beherrscht, welche die mentalen Prozesse und die sozialen Muster der Massen verstehen. Sie sind es, die die Drähte ziehen, die das öffentliche Denken beherrschen.»
Bernays sagt, dass die Mitglieder der unsichtbaren Regierung sehr oft nicht einmal wissen, wer die anderen Mitglieder sind. Propaganda, sagt er, ist die einzige Möglichkeit, um zu verhindern, dass die öffentliche Meinung in ein dissonantes Chaos versinkt. Nach dem Krieg setzte Bernays seine Arbeit an diesem Thema fort, gab im Jahr 1955 «Engineering Consent» heraus, ein Titel, auf den Edward Herman und Noam Chomsky anspielten, als sie im Jahr 1988 ihr bahnbrechendes Werk «Manufacturing Consent» herausgaben. Die Verknüpfung mit Freud ist wichtig, weil, wie wir später sehen werden, Psychologie ein sehr wichtiges Werkzeug für die Beeinflussung öffentlicher Meinung ist. Zwei der an «Engineering Consent» Mitwirkenden betonen, dass jeder Führer, der die öffentliche Meinung manipulieren will, mit den elementaren menschlichen Emotionen spielen muss. Doris E. Fleischmann und Howard Walden Cutler schreiben: «Selbsterhaltung, Ehrgeiz, Stolz, Hunger, die Liebe zur Familie und Kindern, Patriotismus, Nachmacherei, der Wunsch, ein Führer zu sein, der Spieltrieb – diese und andere Triebe sind das psychologische Rohmaterial, das jeder Führer in Betracht ziehen muss, der bestrebt ist, die Öffentlichkeit für seine Sicht der Dinge zu gewinnen. Für den Erhalt ihres Selbstwertgefühls benötigen die meisten Menschen das sichere Gefühl, dass das, woran sie glauben, wahr ist.»
Das ist es, was Willi Münzenberg verstand – den elementaren menschlichen Drang der Leute, das zu glauben, was sie glauben möchten. Thomas Mann machte eine entsprechende Andeutung, als er für den Aufstieg Hitlers den kollektiven Wunsch des deutschen Volkes verantwortlich machte, die hässlichen Wahrheiten der Realität mit einem «Märchen» zuzudecken.
Andere in diesem Zusammenhang erwähnenswerte Bücher befassen sich nicht so sehr mit der modernen elektronischen Propaganda, sondern mit der allgemeineren Psychologie der Massen. Der Klassiker in dieser Hinsicht ist Gustave Le Bons Werk «Die Psychologie der Massen» (1895), Elias Canettis «Masse und Macht» (1980) und Sergei Tschachotins «Le viol des foules par la propagande politique» (1939). Alle diese Werke schöpfen stark aus der Psychologie und der Anthropologie. Es gibt auch ein grossartiges Werk von einem meiner Lieblingsautoren, dem Anthropologen René Girard, dessen Schriften über die Logik der Imitation (Mimesis) und über kollektive Gewaltakte ausgezeichnete Instrumente für das Verständnis dafür sind, weshalb die öffentliche Meinung so leicht zu überzeugen ist, einen Krieg und andere Formen politischer Gewalt zu unterstützen.
Die Technik der «Meinungsmache»
Nach dem Krieg wurden viele der vom Kommunisten Münzenberg perfektionierten Techniken von den Amerikanern übernommen, wie Frances Stonor Saunders ausgezeichnetes Werk «Who Paid the Piper» prächtig dokumentiert. Sehr detailliert erklärt Stonor Saunders, wie zu Beginn des kalten Krieges die Amerikaner und Briten eine massive verdeckte Operation begannen, um antikommunistische Intellektuelle zu finanzieren. Der zentrale Punkt dabei ist, dass sie sich zu einem grossen Teil auf Linke konzentrierten, in vielen Fällen Trotzkisten, die erst im Jahr 1939 ihre Unterstützung für die Sowjetunion aufgaben, als Stalin den Nichtangriffspakt mit Hitler unterzeichnete, und in vielen Fällen Leute, die zuvor für Münzenberg gearbeitet hatten. Viele der Figuren, die sich am Beginn des kalten Krieges am Schnittpunkt von Kommunismus und CIA befanden, waren spätere neokonservative Koryphäen, insbesondere Irving Kristol, James Burnham, Sidney Hook und Lionel Trilling.
Die linke und sogar trotzkistische Herkunft des Neokonservatismus ist wohlbekannt, selbst wenn ich weiterhin von neuen Einzelheiten überrascht bin, die ich entdecke, zum Beispiel dass Lionel und Diana Trilling von einem Rabbi verheiratet wurden, dem Felix Dserdschinski – der Gründer der bolschewistischen Geheimpolizei Tscheka (der Vorläuferin des KGB) und die kommunistische Entsprechung von Heinrich Himmler – ein heldenhaftes Vorbild war. Diese linken Ursprünge sind für die von Stonor Saunders diskutierten verdeckten Operationen besonders relevant, weil das Ziel der CIA gerade die Beeinflussung der linken Gegner des Kommunismus, also der Trotzkisten, war. Die CIA war einfach der Ansicht, dass rechte Antikommunisten nicht beeinflusst, geschweige denn bezahlt zu werden brauchten. Stonor Saunders zitiert Michael Warner, wo sie schreibt: «Für die CIA sollte die Strategie der Förderung der nichtkommunistischen Linken ‹in den folgenden zwei Jahrzehnten das theoretische Fundament der politischen Operationen der Agentur gegen den Kommunismus werden.›»
Diese Strategie wurde in Arthur Schlesingers «The Vital Center» (1949) skizziert, einem Buch, das einer der Eckpfeiler dessen werden würde, was später die neokonservative Bewegung wurde. Stonor Saunders schreibt: «Die Unterstützung linker Gruppen zielte nicht darauf ab, diese zu zerstören oder auch nur zu beherrschen, sondern statt dessen eine diskrete Nähe aufrechtzuerhalten und das Denken solcher Gruppen zu beobachten; sie mit einem Sprachrohr auszustatten, damit sie Dampf ablassen konnten; und um im Extremfall ein letztes Veto über ihre Aktionen auszuüben, wenn sie jemals zu ‹radikal› werden sollten.»
Dieser linke Einfluss konnte auf vielfältige und unterschiedliche Weise gespürt werden. Die USA waren entschlossen, für sich ein progressives Image aufzubauen, im Gegensatz zur «reaktionären» Sowjetunion. Mit anderen Worten, sie wollten genau das tun, was die Sowjets taten. In der Musik zum Beispiel war Nicolas Nabokov (der Vetter des Autors von «Lolita») einer der Hauptagenten des Kongresses. Im Jahr 1954 finanzierte die CIA ein Musikfestival in Rom, bei dem Stalins «autoritärer» Liebe für Komponisten wie Rimski-Korsakow und Tschaikowski mit von Schönbergs Zwölftonsystem inspirierter, unorthodoxer moderner Musik «widersprochen» wurde.
«Für Nabokov war die Förderung von Musik, die in sich selbst die Abschaffung natürlicher Hierarchien verkündete, die Vermittlung einer klaren politischen Botschaft.» Unterstützung für andere Progressive kam, als Jackson Pollock, selbst ein ehemaliger Kommunist, ebenfalls von der CIA gefördert wurde. Seine Klecksereien sollten die Überlegenheit der amerikanischen Ideologie der «Freiheit» über den Autoritarismus sozialistisch-realistischer Malerei repräsentieren. Diese Allianz mit den Kommunisten ist älter als der kalte Krieg: Der mexikanische kommunistische Wandmaler Diego Rivera wurde von Abby Aldrich Rockefeller unterstützt, aber ihre Zusammenarbeit wurde im Jahr 1933 abrupt beendet, als Rivera sich weigerte, ein Porträt Lenins im Bild einer Menschenmenge auf einer Wand des Rockefeller Centers zu entfernen.
Die Kreuzung von Kultur und Politik wurde ausdrücklich von einer CIA-Abteilung gefördert, die den Orwellschen Namen «Psychological Strategy Board» trug. Im Jahr 1956 unterstützte sie verdeckt eine europäische Tour der Metropolitan Opera, deren politischer Zweck die Förderung des Multikulturalismus war. Junkie Fleischmann, der Veranstalter, sagte: «Wir, in den Vereinigten Staaten, sind ein Schmelztiegel, und als solcher haben wir demonstriert, dass Menschen unabhängig von der Rasse, der Hautfarbe oder dem Glauben miteinander auskommen können. Unter Verwendung des ‹Schmelztiegels› oder eines ähnlichen Schlagworts könnten wir die Met als Beispiel dafür verwenden, wie Europäer in den Vereinigten Staaten miteinander auskommen können und dass daher irgendeine Form von europäischer Föderation ganz und gar praktikabel ist.»
Dies ist übrigens genau das gleiche Argument, das unter anderen von Ben Wattenberg vorgetragen wird, dessen Buch «The First Universal Nation» die Meinung vertritt, dass Amerika ein besonderes Recht auf Welthegemonie hat, weil es sämtliche Nationen und Rassen des Planeten beinhaltet. Dieselbe Ansicht ist auch von Newt Gingrich und anderen Neokonservativen vertreten worden.
Andere geförderte Themen umfassen einige, die heute Teil des Vorfeldes neokonservativen Denkens sind. Das erste von diesen ist der höchst linksliberale Glaube an Moral und politischen Universalismus. Es stellte das Zentrum der aussenpolitischen Philosophie George W. Bushs dar: Er hat bei zahlreichen Gelegenheiten erklärt, dass politische Werte auf der ganzen Welt gleich sind, und hat mit dieser These die Intervention des US-Militärs zugunsten der «Demokratie» gerechtfertigt. In den frühen 1950er Jahren hatte Raymond Allen, der Direktor des PSB (das Psychological Strategy Board wurde bald nur noch mit seinen Initialen erwähnt, zweifellos um seinen richtigen Namen zu verbergen), bereits diesen Schluss gezogen: «Die in der Unabhängigkeitserklärung und der Verfassung verkörperten Prinzipien und Ideale sind für den Export bestimmt und sind das Erbe aller Menschen. Wir sollten auf die grundlegenden Antriebe aller Menschen zielen, die, so meine Überzeugung, für den Bauern in Kansas dieselben sind wie für den Bauern im Punjab.»
Es wäre mit Sicherheit falsch, allein verdeckte Manipulationen für die Verbreitung von Ideen verantwortlich zu machen. Ihre Kraft befindet sich in ausgedehnten kulturellen Strömungen, deren Ursachen vielfältig sind. Aber es gibt keinen Zweifel daran, dass die Dominanz solcher Ideen durch verdeckte Operationen erheblich begünstigt werden kann, insbesondere weil die Leute in Masseninformationsgesellschaften merkwürdig beeinflussbar sind.
Sie glauben nicht nur, was sie in den Zeitungen gelesen haben, sie denken sogar, dass sie selbst auf ihre Denkergebnisse gekommen sind. Der Trick bei der Manipulierung öffentlicher Meinung besteht also gerade darin, was Bernays theoretisierte, Münzenberg initiierte und was die CIA zur hohen Kunst erhob. CIA-Agent Donald Jameson führt aus: «Was die Einstellungen betrifft, welche die Agentur mit diesen Aktivitäten inspirieren wollte: Was sie eindeutig gerne zu produzieren in der Lage sein wollte, waren Leute, die aus eigenem Denken davon überzeugt waren, dass alles, was die Regierung der Vereinigten Staaten machte, richtig war.»
Anders ausgedrückt: Was die CIA und andere US-Agenturen in diesem Zeitraum veranstalteten, war die Übernahme der Strategie, die wir mit dem italienischen Marxisten Antonio Gramsci verbinden, der argumentierte, dass «kulturelle Hegemonie» für eine sozialistische Revolution unerlässlich sei.
Fortsetzung folgt
Bernays wird, so glaube ich, immer wieder überschätzt. Seine „Propaganda“ fand ich eine Aneinanderreihung von Allgemeinplätzen, die sich zwar interessant liest, aber wenig Handfestes parat hat.
Das die dort beschriebenen Grundlagen allerdings bis heute ihre Anwendung finden halte ich für unbestreitbar und offensichtlich. Ihre konkreten Ausformungen zu erkennen ist noch einfach, aber nutzen für eigene Zwecke können sie eben nur jene, die über die Kanäle zur öffentlichen Meinung verfügen.
Auf diesem Gedanken basiert eben auch die Überlegung, die ich des öfteren schon vorgetragen habe, daß die Politik bloß der öffentlichen Meinung folgt, die dann aber von den Medien geformt wird. Bernays hätte dieses Spiel über Bande wohl Propaganda genannt…
Ich habe den Eindruck, daß sich die Macht der Medien dort abnutzt, wo man schon allzu viele Erfahrungen mit deren Desinformationskampagnen hinter sich hat. So folgten nur wenige den Aufrufen zur Impfung gegen Schweinegrippe, obwohl zeitweise fast täglich versucht wurde, Panikstimmung zu erzeugen.
@ virOblationis
Sich NICHT impfen zu lassen erfordert lediglich eine passive Haltung,
und kommt somit dem mit dem Hintern an der Couch festgewachsenen Deutschen entgegen, ähnlich ist es mit dem NICHT wählen gehen.
@Freidenker
Wenn aber die selben Couch-Deutschen beim M**ia-Markt jeden 10. Einkauf für lau bekommen, dann erheben sie sich in Massen und legen eine durchaus bemerkenswerte Kreativiät an den Tag.
Will sagen: Wenn der deutsche Michel etwas umsonst bekommt, dies aber nicht mitnimmt, so ist dies, im Rahmen unserer kulturellen Eigenheiten, schon fast ein aktiver Akt des zivilen Widerstandes.
Offensichtlich ist kommerzielle Werbung effektiver, handfester und glaubwürdiger als die ganze Gehirnwäsche-Sülze, die täglich über unseren Köpfen ausgekippt wird. Ein Zeichen der Hoffnung? Komme zur Kundgebung der Grünen und kassiere einen iPod? Gelbe Gratis-Pullunder bei der FDP, rote Socken bei der SPD und Brusthaartoupés bei den Piraten? Was könnte es bei der CDU geben? Bratwurst & Bier? Mmmmm… für den NRW-Wahlkampf würde ich eine Klappergebiss to-go vorschlagen… der Rütgers sollte sich wirklich mal einen gescheiten Zahnarzt suchen, kann doch nicht sein das der arme Mann die „Dritten“ von Inge Meysel auftragen muß, oder steht es nach dem Parteispendeskandal wirklich immer noch so übel um die Finanzen?
Ich sehe schon, hier liegt ein gigantischer Markt brach den keiner beackert. Ich hab den falschen Job…
@ ThePassenger
Pro Schweinegrippeimpfung 20 Euro für jeden der sich impfen lässst,
und die Praxen sind voll.
Begründen könnte man es damit, das es immer noch billiger ist 20 Euro auszuzahlen als das Zeug sauteuer zu entsorgen. 😉