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Operation Regimewechsel: Farbenspiele

Letzter Teil von John Laughlands  «The Technique of a Coup d’État».

Georgien 2003

Viele der in Belgrad perfektionierten Taktiken wurden im November 2003 in Georgien eingesetzt, um Präsident Eduard Schewardnadse zu stürzen. Dieselben Anschuldigungen wurden erhoben und bis zum Erbrechen wiederholt, dass die Wahlen manipuliert worden waren. (Im Fall Georgiens waren es Parlamentswahlen, im jugoslawischen Fall Präsidentschaftswahlen.)Diese Behauptungen, die lange vor den eigentlichen Wahlen vorgebracht wurden, übernahmen westliche Medien unkritisch. Gegen beide Präsidenten wurde ein Propagandakrieg vom Zaun gebrochen, im Fall Schewardnadses nach einer langen Phase, in der er als ein grosser Reformer und Demokrat vergöttert worden war. Beide «Revolutionen» fanden nach einer gleichartigen «Erstürmung des Parlaments» statt, die live im Fernsehen übertragen wurde. Beide Machtübergaben wurden vom russischen Minister Igor Iwanow vermittelt, der nach Belgrad und nach Tiflis flog, um den Abgang des amtierenden Präsidenten von der Macht zu bewerkstelligen. Zu guter Letzt war der US-Botschafter in beiden Fällen derselbe Mann: Richard Miles.

Die sichtbarste Ähnlichkeit war jedoch die Verwendung einer Studentenbewegung, die in Serbien Otpor (Widerstand) und in Georgien Kmara (Es reicht!) genannt wurde. Die Bewegungen hatten beide dasselbe Symbol, eine schwarz-weisse Schablone einer geballten Faust. Otpor bildete Kmara-Leute aus, und beide wurden von den USA unterstützt. Und beide Organisationen wurden anscheinend nach kommunistischer Art strukturiert – die Erscheinung einer diffusen Struktur autonomer Zellen wird mit der Realität einer in hohem Masse zentralisierten leninistischen Disziplin kombiniert.

Wie in Serbien wurde die von US-Geld und von verdeckten Operationen gespielte Rolle aufgedeckt – aber erst nach dem Ereignis. Während dieser Ereignisse war das Fernsehen randvoll mit Propaganda darüber, wie «das Volk» sich gegen Schewardnadse erhob. Alle Bilder, die der optimistischen Sichtweise widersprachen, wurden unterdrückt oder übertüncht, wie beispielsweise die Tatsache, dass der von Micheil Saakaschwili angeführte «Marsch auf Tiflis» in Gori begann, dem Geburtsort Stalins, und zwar unter einer Statue des ehemaligen sowjetischen Tyrannen, der für viele Georgier weiterhin ein Held ist. Ebenso gleichgültig war es den Medien, als der neue Präsident Saakaschwili mit dem stalinistischen Wahlergebnis von 96 Prozent im Amt bestätigt wurde.

Ukraine 2004

Im Fall der Ukraine beobachten wir dieselbe Zusammenarbeit von aus dem Westen unterstützten Nichtregierungsorganisationen, Medien und Geheimdiensten. Die Nichtregierungsorganisationen spielten eine sehr grosse Rolle bei der Entlegitimierung der Wahlen, noch bevor sie stattgefunden hatte. Anschuldigungen über weitverbreiteten Betrug wurden ständig wiederholt. Mit anderen Worten, die Strassenproteste, die nach der von ­Janukowitsch gewonnenen zweiten Wahlrunde ausbrachen, wurden von Anschuldigungen ausgelöst, die vor Beginn der ersten Runde umhergeflogen waren. Die wichtigste Nichtregierungsorganisation hinter diesen Behauptungen, das Komitee ukrainischer Wähler, erhält nicht einen Pfennig von ukrainischen Wählern, sondern wird statt dessen gänzlich von westlichen Regierungen finanziert. ­Janukowitschs Büro war mit Bildern von Madeleine Albright geschmückt, und das National Democratic Institute [Eine weitgehend vom US-Aussenministerium finanziertes Parteiinstitut der US-Demokraten, Anm. d. Red.] war sogar eine seiner Hauptpartnergesellschaften. Es pumpte unaufhörlich Propaganda gegen Janukowitsch heraus.

Während der Ereignisse selbst war es mir möglich, einen Teil der missbräuchlichen Propaganda zu dokumentieren. Sie beinhaltete hauptsächlich die endlose Wiederholung des von der Regierung praktizierten Wahlbetrugs; das beständige Vertuschen des von der Opposition praktizierten Betrugs; das frenetische Anpreisen Viktor Juschtschenkos, eines der langweiligsten Männer der Welt, als charismatischen Politiker; und die lachhaft unwahrscheinliche Geschichte, dass er von seinen Feinden absichtlich vergiftet wurde. (Bis heute sind in dieser Sache keine Anklagen erhoben worden.) Die umfangreichste Darstellung der Propaganda und des Betrugs wird im Bericht der britischen Helsinki-Menschenrechtsgruppe gegeben: «Die Clockwork-Orange-Revolution der Ukraine». Eine interessante Erklärung für die von den Geheimdiensten gespielte Rolle wurde auch von C. J. Chivers in der «New York Times» geliefert, der erläuterte, dass der ukrainische KGB die ganze Zeit für Juschtschenko gearbeitet hatte – natürlich zusammen mit den Amerikanern.

Zu den anderen wichtigen Artikeln über dasselbe Thema zählt Jonathan Mowats «The New Gladio in Action: Washington’s New World Order ‹Democratization› Template», der ausführlich beschreibt, wie die Militärdoktrin angepasst worden ist, um poli­tischen Wandel herbeizuführen, und wie die verschiedenen Methoden, von der Psychologie bis zu fingierten Umfrageergebnissen, in ihr angewandt werden. Besonders interessant ist Mowat bei der Darstellung der Theorien von Dr. Peter Ackerman, des Autoren von «Strategic Non-Violent Conflict» (Praeger, 1994), und einer Rede mit dem Titel «Between Hard and Soft Power: the Rise of Civilian-Based Struggle and Democratic Change» («Zwischen harter und weicher Macht: Der Aufstieg des zivilen Kampfes und demokratischer Wandel»), die im Juni 2004 im US-Aussenministerium gehalten wurde. Mowat stellt auch die Psychologie der Massen und ihre Anwendung in diesen Staatsstreichen ausgezeichnet dar.

Er lenkt die Aufmerksamkeit auf die Rolle der «wuselnden Jugendlichen» und der «rebellischen Hysterie» und verfolgt den Ursprung ihres Einsatzes für politische Zwecke auf das Tavistock ­Institute in den 1960er Jahren zurück. Jenes Institut wurde nach dem Ersten Weltkrieg von der britischen Armee als ihre Abteilung für psychologische Kriegsführung gegründet, und zu ihren illustren Absolventen zählen der ehemalige britische Aussenminister Dr. David Owen und der ehemalige Präsident der Bosnisch-Serbischen Republik Dr. Radovan Karadzic. Mowat erzählt, wie die dort von Fred Emery formulierten Ideen aufgenommen wurden und davon, dass «Dr. Howard Perlmutter, ein Professor für ‹soziale Architektur› an der Wharton School und ein Anhänger von Dr. Emery, betont hat, dass Rock-Videos in Katmandu das angemessene Bild dafür sind, wie Staaten mit traditionellen Kulturen destabilisiert werden können, womit sich die Chance einer globalen Zivilisation eröffnet». Es gibt für einen solchen Wandel zwei Voraussetzungen, fügte er hinzu, «die Errichtung international engagierter Netzwerke von international und lokal engagierten Organisationen und die Schaffung globaler Ereignisse durch die Umwandlung eines örtlichen Ereignisses in eines, das durch die Massenmedien eine praktisch sofortige internationale Bedeutung erhält».

Schlussfolgerung

Nichts hiervon ist eine Verschwörungstheorie – es sind Verschwörungstatsachen. Für die Vereinigten Staaten ist es offizielle Politik, dass die Förderung der Demokratie ein wichtiges Element ihrer Gesamtstrategie für die nationale Sicherheit ist. Weite Teile des US-Aussenministeriums, der CIA, regierungsnahe Organisationen wie die «National Endowment for Democracy» und andere staatlich finanzierte Nichtregierungsorganisationen wie die «Carnegie Endowment for International Peace», die mehrere Werke über «Demokratieförderung» veröffentlicht hat – all diese Operationen haben eines gemeinsam: Sie beinhalten den zuweilen gewaltsamen Eingriff westlicher Mächte, besonders der USA, in den politischen Prozess anderer Staaten, und diese Eingriffe werden oft dazu gebraucht, um das ursprüngliche revolutionäre Ziel, den Regimewandel, zu unterstützen. •

Ein Armutszeugnis
von Dr. Bruno Bandulet

John Laughland, einer der bestinformierten englischen Journalisten, sagte mir schon vor Jahren, dass die EU nichts anderes sei als eine Einflussagentur der USA. Der ungeheuerliche Vorgang vom 30. November bestätigte diesen Befund. An diesem Tag billigten die EU-Innenminister in Brüssel ein Abkommen mit der US-Regierung, wonach diese weiterhin und künftig völlig legal Einblick in europäische Bankdaten erhält. Es geht um Überweisungen einschliesslich Adressen, Ausweisnummern und anderen persönlichen Daten – selbstverständlich unter dem Vorwand der Terrorbekämpfung. Nach offizieller Darstellung werden innereuropäische Überweisungen nicht erfasst, nach Darstellung des Spiegel jedoch wird dies im eigentlichen Vertragstext nicht ausgeschlossen. Gelogen wird in dieser Affäre ohnehin. So behauptete die EU-Kommission, das US-Fahndungsprogramm habe schon bei der Festnahme der terroristischen Sauerlandgruppe in Deutschland geholfen. Die zuständige deutsche Bundesanwaltschaft, die es wissen muss, dementiert. Abgesehen davon stellt sich die Frage, warum die europäischen Geheimdienste nicht auch Zugriff auf den amerikanischen Geldverkehr erhalten? Wo bleibt die Gleichberechtigung? Zu Recht warnte der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) vor Wirtschaftsspionage. Dass die US-Dienste diese intensiv in Europa betreiben, können nur naive Zeitgenossen bestreiten. Den Zahlungsverkehr ausspionieren zu können, ist der Traum aller Geheimdienste. Nicht genug damit, dass die eigene Regierung das Bankgeheimnis längst gekippt hat, sorgt sie nicht einmal mehr für den Rechtsschutz der Bürger gegenüber dem Grossen Bruder. Armes Europa.

Quelle: G&M. Gold & Money Intelligence

5 Kommentare zu „Operation Regimewechsel: Farbenspiele“

  • gast:

    Die EU ist ein Baby der USA so wie der Beitritt der Türkei zur EU ein Baby der USA ist.

    http://de.wikipedia.org/wiki/American_Committee_for_a_United_Europe

  • Freidenker:

    In den 60 gab es in den USA so etwas wie Kommunistenparanoia,
    in der Zeit wurden auch die Kommunistenfresser geschaffen, prominentes Opfer war Charlie Chaplien der mit seinen Gesellschaftskritischen Filmen der Wall Street wohl ein Dorn im Auge war.
    Karl Valentin ging es unter der NS Herrschaft nicht anders, die Parallelen der beiden Fälle sind erschreckend.
    Und heute da der Kommunismus als Feindbild nicht mehr taugt, hat die USA Al Kaida ins Leben gerufen.
    Nur eine schlecht funktionierende EU ist im Intresse der USA, deshalb sind die Amis auch immer für die Osterweiterung und den Türkeibeitritt.
    Wäre die EU ein Erfolgsmodell nur mit Wirtschaftlich starken Staaten,
    so hätte der Euro den Dollar schon längst als Weltwährung abgelöst, und der USA wäre das Mittel der willkürlichen Währungsmanipulationen genommen.

  • gast:

    Die nächste „Revolution“ ist schon auf den Weg gebracht. Der US-Geheimdienst hat 2008 seine Aktivitäten im Iran erheblich verstärkt und 400 Millionen Dollar bewilligt. Da wird sich die amerikanische Bevölkerung aber freuen…

    Die Aktionen umfassen Entführungen, Attentate auf „hochwertige Ziele“ und die Unterstützung sunnitischer Dissidentengruppen wie Ahwazi Arab und Baluchi im Süden des Iran. Laut dem Bericht Hershs sind häufig weder das Pentagon noch der Kongress über die von Präsident Bush autorisierten Operationen im Bilde, für die das US-Parlament 400 Millionen Dollar bereitstellte.

    http://www.welt.de/politik/article2163489/US_Geheimdienst_verstaerkt_Aktivitaeten_im_Iran.html

    http://www.bild.de/BILD/news/politik/2008/06/29/israel-hat-ein-jahr/zeit-im-kampf-gegen-iranische-atombombe.html

    Unsere Marionetten tragen den Scheiß mit und wenns im Iran knallt dürfen wir dann wieder die Flüchtlinge aufnehmen. Zum Kotzen.

  • aloha:

    Vielen Dank, das war wieder ein sehr erhellender Artikel. Übrigens besteht ein Teil der Manipulationsstrategie der machtgierigen Eliten darin, dem Volk weißzumachen, dass es machtlos sei. Man will den Eindruck erwecken, dass man alles manipulieren und jeden Bürger überwachen kann. Damit soll der Widerstandswille im Keim erstickt werden, da das Volk gegen die allmächtigen Eliten ja sowieso nichts ausrichten könne. Wenn man sich diese Einstellung zu eigen macht, dann hat man schon verloren. Fakt ist: Die korrupten Eliten haben zu wenig Personal, um echten Volkszorn zu kontrollieren und jeden kritischen Bürger zu überwachen. Daher ist ein Großteil ihres Erfolges allein auf Abschreckung zurückzuführen. Die selbsternannten Halbgötter sind skrupellos und mächtig, aber bei weitem nicht so stark, wie sie sich darstellen. Deshalb müssen soviele Menschen wie möglich öffentlich kritische Meinungen äußern, auch wenn es zunächst nur im Internet ist. Mein Vorbild sind die mutigen Menschen, die 1989 gegen die SED demonstrierten. Sie wussten, dass die Staatsmacht durchaus noch in der Lage war, die Demonstrationen gewaltsam niederzuschlagen, und haben trotzdem den Mut aufgebracht.

  • gast:

    In Teheran ist ein iranischer Atomwissenschaftler ums Leben gekommen. Er soll getötet worden sein, als neben ihm ein Sprengsatz explodierte. Staatliche iranische Medien verbreiten nun, Massud Mohammadi sei von „zionistischen und amerikanischen Agenten“ oder „Konterrevolutionären“ umgebracht worden.

    http://www.20min.ch/news/dossier/iran/story/Iranischer-Atomforscher-bei-Anschlag-getoetet-11768954

    Ob der Atomwissenschaftler wohl so ein „hochwertiges Ziel“ war?

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