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Die Eurozone wackelt

Seit Tagen mehren sich Artikel, die das Undenkbare thematisieren: Das Zerreißen der Eurozone. Auslöser ist die Finanzkrise und die enorme Verschuldung Griechenlands mit  drohendem Staatsbankrott. Es treten jetzt exakt die Probleme immer deutlicher zu Tage, die vor Einführung des Euro von mehreren Wirtschaftswissenschaftlern vorhergesagt wurde.

Einer davon war und ist Wilhelm Hankel – der emeritierte Professor der Uni Frankfurt strengte zusammen mit den Professoren Wilhelm Nölling, Joachim Starbatty und Karl Albrecht Schachtschneider 1997 Klage beim Bundesverfassungsgericht an: Gegen den Vertrag von Amsterdam zur Einführung des Euro. Sie kritisierten u.a. den Verlust der nationalen monetären Autonomie und damit die Möglichkeit,  über Zinsentscheidungen, Auf-und Abwertung der eigenen Währung auf wirtschaftliche Entwicklungen zu reagieren. Sie prognostizierten, dass die Einführung des Euro die Arbeitslosigkeit ansteigen, die öffentlichen Schulden und die Inflation zunehmen sowie Kapital aus Europa abfließen lassen würde, weil eine einheitliche Währung innerhalb verschieden starker Volkswirtschaften und unterschiedlicher Fiskalpolitik unweigerlich zu enormen Verwerfungen führe. Hauptverlierer der gemeinsamen Währung werde der deutsche Bürger und der selbstständige Mittelstand sein. Die vier Professoren verloren die Klage und wurden als Europa-Feinde diffamiert. Davon abgesehen hatten sie mit jedem ihrer Bedenken recht.

Die Einführung des Euro in der BRD war lt. Kohl ein Zugeständnis an Frankreich und unabdingbare Voraussetzung für die Erlaubnis zur Wiedervereinigung. In einem Interview mit dem Magazin „Der Selbstständige“ erklärte Hankel:

Es gibt über die politischen Motive der Euroeinführung viele Spekulationen. Fakt ist, und dies ist durch Dokumente belegt, daß die englische Premierministerin Margret Thatcher sowie die Präsidenten von Frankreich und Italien, Mitterand und Andreotti, nach der Wiedervereinigung einen Brief an Helmut Kohl geschrieben haben, in dem es sinngemäß heißt, Deutschland werde nach der Wiedervereinigung zu einem zu mächtigen Gebilde innerhalb der Europäischen Union und müsse deshalb auf seine Währungsdominanz verzichten.

Dabei bezogen sich die drei Briefeschreiber auf Hans-Dietrich Genscher, der 1988 im Alleingang die Staats- und Regierungschefs der EU angeschrieben und dabei angeregt hatte, die Währungsunion, die ursprünglich als Fernziel vorgesehen war, vorzuziehen.

Ich persönlich glaube nicht an ein Zerreißen der Euro-Zone, weil unsere Politiker ALLES tun werden, das zu verhindern. Die „Europäische Einigung“ gehört zur deutschen Staatsräson und wo Dogmen regieren, bleiben Fakten auf der Strecke. Dass wir, entgegen den Versprechen und entgegen der No-Bail-Out-Klausel, auch für Griechenlands Schulden bezahlen werden, zeigt die neuste Idee: Das bevorzugte Konzept sieht vor, einen multilateralen Notfallfonds aufzulegen, in den die anderen EU-Staaten einzahlen und der dann den Griechen gegen Auflagen zur Verfügung gestellt werden soll. Nun darf jeder von uns dreimal raten, wer der größte Einzahler sein wird.

16 Kommentare zu „Die Eurozone wackelt“

  • Freidenker:

    Ich glaube auch nicht an ein Ende des Euros, ich mutmaße mal das den verstärkten Meldungen der MsM bald wahre Horrorzenarien über die Wirtschaftsentwicklungen bei einem Scheitern des Euros folgen werden.
    Hierdurch soll der Öffentlichkeit suggeriert werden das das festhalten am Euro, die Rolle Deutschlands als Zahlmeister, und das retten der Bankrottstaaten letztendlich das kleinere Übel ist.
    Grob vereinfacht könnte man auch sagen, solange Deutschland zahlt ist Frieden in Europa, den Umkehrschluss, und die allseits beliebte Schuldfrage, überlasse ich jedem selber.

  • ThePassenger:

    Die Eurozone wird dann zerreissen, wenn der Bedarf für Notfallfonds so groß wird, daß reichere Länder hierfür nicht mehr aufkommen können. Es geht nicht nur um Griechenland alleine, Spanien und Irland sind weitere heisse Kandiaten für diese Maßnahmen, auch wird Island, offiziell oder nicht, den einen oder anderen Euro als Beitrittsgeschenk bekommen.

    Sobald der Fonds eingerichtet ist werden diese Länder aus dem Topf bedient, Griechenland ist nur der Kristallisationspunkt. Fragt sich bloß, was andere Mitglieder, vorallem Nettobezieher wie Rumänien & Co, davon abhalten sollte es Griechenland, Spanien und Irland gleichzutun.

    Im Zweifel wird man entweder die Staatsverschuldung hochfahren und/oder den Euro entwerten. Nicht unerheblich auch die Frage, wem man in welcher Währung wieviel schuldet. Sollten die Schulden in USD sein käme man sogar vergleichsweise günstig davon.

    Die Frage stellt sich ohnehin wie es mittelfristig mit der Staatsverschuldung weitergehen soll, eine Inflation scheint mir der einzig gangbare Weg, die US-Amerikaner würden es begrüssen, ihr USD würde aufgewertet und den neuen Feind China könnte man durch seine riesigen Dollarreserven immens schaden.

    Die Politik Chinas machte aus der Not eine Tugend und stieg bei dem daniederliegenden Aktienmarkt bei etlichen Unternehmen im grossen Stil ein. Ob aber China bei einer weiteren Entwertung überhaupt noch das Gefühl hat für sein Geld einen echten Gegenwert zu bekommen dürfte fraglich sein.

    Eines ist klar: Waren haben immer Gegenwert, der je nach Schwäche oder Stärke der Währung variiert, erste Anzeichen für einen vollständigen Absturz unseres Systems dürften im Anstieg für Waren- und Energielieferungen zu finden sein.

    Die USA unter Obama sind schwach, das Land kriegsmüde, China auch militärisch mittlerweile ernst zu nehmen, Energielieferanten wie Russland oder der nahe Osten werden ihre Rohstoffe nicht gegen wertloses Papiergeld tauschen, selbst wenn ein Flugzeugträger vor der Haustüre rumschippert.

    Eine Kraftprobe ist aus meiner Sicht unausweichlich, allerdings liegt es bei den Chinesen und/oder Russen, den Tanz, militärisch oder wirtschaftlich, zu eröffnen. Konfliktfelder gibt es genug, es seien neben der Währungs- und Wirtschaftspolitik nur kurz Taiwan (China) und der Iran (Russland) erwähnt.

  • Freidenker:

    Hat jemals in der Geschichte ein Staat seine Schulden zurückbezahlt ???
    Dies geschah bisher immer durch Inflation, Währungsreformen, Kriege, Verzicht der Gläubigerstaaten, und „kreative Umschuldungen“.
    Ein Schuldenstaat welcher am Euro hängt hat noch weniger Gründe seine Schulden aus eigener Kraft zu begleichen als in der Vergangenheit, die Sache ist für den aufnerksamen Beobachter eigentlich klar.
    Nur ein totaler wirtschaftlicher Zusammenbruch Europas könnte den Euro beenden, dies würde einhergehen mit kriegsähnlichen Zuständen in einigen Regionen, die Gesetzesvorlagen hierzu sind durch den Lissabonvertrag schon auf den Weg gebracht.
    Und die europäischen Armeen üben derweil schon mal am Hindukusch den Umgang mit „Aufständischen“, wie die Taliban neuerdings immer öfter genannt werden.
    Also wird D mehr bezahlen, offiziel oder inoffiziell, die Steuer und Abgabenschraube wird weiter angezogen bei gleichzeitigem zurückfahren der staatlichen Leistungen.
    Aber dafür sind wir gute Europäer. 😉

  • Freidenker:

    Übrigens, es gab mal einen erfolgreichen Staatenzusammenschluss mit gleichzeitiger Währungsreform und schrankenlosem Binnenmarkt, 1871 startete das Deutsche Reich und die Reichsmark.
    Doch der Erfolg rief die Neider auf den Plan, diese Gefahr besteht bei der gänzlich überdehnten und im inneren Zwietracht zerütteten EU zumindest nicht.
    Und wer sorgte und sorgt für die Überdehnung und den Zwietracht, qui bono ???

  • Freidenker:

    In dem von Judith verlinkten Bericht vertritt Prof. Hankel eine ähnliche Meinung, die EU begrenzt auf die 6 Gründungsstaaten hätte eine Erfolgsgeschichte werden können.
    Wirtschaftlich, politisch und millitärisch wäre so de fakto eine Weltmacht herangewachsen, und eine eigenständige europäische Außenpolitik ist der Alptraum der USA.

  • Freidenker:

    Und GB hätte sich entgültig entscheiden müssen, weiterhin der Pudel der USA zu sein, oder Mitglied in einer europäischen Erfolgsgeschichte werden.
    Einen „Habschwangerstatus“ gibt es in keinem funktionierndem Staatenbund.

  • Mir gibt mehr zu denken, was ein Interviewer der FR gegenüber Hankel äußerte: Warum man angesichts der Wirtschaftskrise nicht den großen Wurf wage und ein europäisches Parlament und eine europäische Regierung implementiere – und damit auch einen Finanzminister, der Steuern erheben und echte Euro-Staatstitel zeichnen kann.

    Hankel merkt an, dass das zwar ökonomisch sinnvoll sein könnte, aber das Ende der Demokratie bedeute, weil dann statt Verfassung und Parlamenten eine mit diktatorischen Vollmachten ausgestattete Wirtschaftsregierung in Brüssel regiere .

    Wer sich noch an das rücksichtlose Gebaren nationaler Politiker und den Eurokraten im Zuge des Irland-Neins erinnert, weiß, wieviel diesen Leuten Demokratie wert ist. Bestenfalls tolerabel, meistens ein Übel, das es zu umgehen gilt, steht es den Zielen der EU im Weg.

  • virOblationis:

    Die Regierungen der einzelnen Länder sind zu schwach eine Politik zu betreiben, wie die Vernunft sie erfordert: Sparsamkeit beim Ausschütten finanzieller Wohltaten, Beachtung des Leistungsprinzips auf allen Ebenen, also auch in den Schulen, usw. Stattdessen macht man weiter wie bisher und hofft darauf, daß bessere Zeiten wieder anbrechen; doch die „Zeiten, in denen das Wünschen noch geholfen hat“, sind vorüber.
    Genau so, fürchte ich, wird es auf EU-Ebene weitergehen. Man ist zu schwach, ein überschuldetes Mitglied zur Ordnung zu rufen, sondern läßt ihm dafür Mittel derer zukommen, die noch etwas zu vergeben haben – so wie man in den einzelnen Staaten denen nimmt, die noch etwas übrig haben, statt zu sparen.
    Was wird das Ende sein? Wenn man es nicht hinnehmen will, daß ein einzelnes Land entweder finanziell gesundet oder ausgeschlossen wird aus dem Verband, dann wird dessen Schicksal schließlich alle treffen. Aber bis dahin dauert es ja noch ein wenig, so daß man weiterhin auf Wiederkehr besserer Zeiten hoffen kann.

  • gast:

    Wie bei der Mafia

    Ein Austritt aus der Währungsunion stieße auch auf juristische Hürden. Einem aktuellen Arbeitspapier der EZB zufolge wäre das nur möglich, wenn dem alle Länder der Euro-Zone zustimmten.

    http://www.wiwo.de/politik-weltwirtschaft/der-verzweifelte-kampf-um-den-euro-419569/3/

  • BuergeJoerg:

    Der gesamten Veranstaltung EU; Euro; nationale Politik, wird in Krisenzeiten gnadenlos die Hosenruntergelassen. Will sagen, daß ist eine Schönwetterveranstaltung, nicht dazu geeignet Probleme zu lösen.

    Was wir aktuell erleben, ist ein hilfloses Gewurstel um sich Zeit zu erkaufen. Das Glück der Regierenden ist die Trägheit der Masse.

    Fakt ist:

    Alles hat zwei Seiten. So gibt es nicht nur Verlierer bei ständig steigenden Staatsverschuldungen. (die sog. institutionellen Anleger, also Großbanken, Versicherungen etc. profitieren ordentlich).

    Das Erfolgsmodell EURO muß unter allen Umständen am Leben erhalten werden. Um das zu gewährleisten werden die „reichen“ Länder jede Sauerei veranstalten.

    Der Kollaps kann nur über externe Ereignisse (Dollar) eintreten.

    P.S.

    Die Rolle des H.D. Genscher zu Zeiten der „deutschen Einheit“ und der Maastrichtverträge schreit nach Aufarbeitung!
    In einem demokratischen Rechtsstaat würde wahrscheinlich eine krachende Verurteilung wegen Hochverrats stehen.

  • ThePassenger:

    @BuergeJoerg

    So gibt es nicht nur Verlierer bei ständig steigenden Staatsverschuldungen. (die sog. institutionellen Anleger, also Großbanken, Versicherungen etc. profitieren ordentlich).

    Sehe ich nur bedingt so. Wenn das Geld seinen Wert verliert, verlieren die am meisten, die am meisten davon besitzen. Der Trick liegt darin, es zur rechten Zeit in echte Werte zu tauschen, die keiner Inflation unterliegen. Wenn es allerdings wirtschaftlich so schlecht aussieht, das selbst langfristige Firmenbeteiligungen, also nicht die zum Zocken auf dem Aktienmarkt, wegen wegbrechender Märkte ihre Grundlage verlieren stürzt das System völlig in sich zusammen, dann hilft auch keine Währungsreform mehr.

    Da sich die Wirtschaft in den Schwellenländern nicht selbst trägt sonderm vom Export lebt, stürzen diese Länder gemeinsam mit uns ab, wenn die normale Bevölkerung in den „reichen Ländern“ deren Produkte nicht mehr konsumieren kann.

    Kurzum: Wenn wir keine Chinawaren kaufen, hat der Chinese weder Kapital noch Veranlassung sich Maschinen oder einen Porsche zu kaufen. Überbrücken kann er die Flaute auch nicht, wenn die Amis ihm die Dollarreserven wertlos inflationieren und auch eine Flucht in den Euro nichts mehr zum besseren wenden kann.

  • BuergeJoerg:

    @ThePassenger

    ich glaube wir können davon ausgehen, daß die großen Spieler ihre Gewinne rechtzeitig in werthaltige Anlagen investieren und nur der Pöbel doof aus der Wäsche schaut, wenn er feststellen darf, daß seine 30-Jahre-Laufzeit-Kapitalrisikolebensversicherung maximal zur Körperhygiene (sprich Arsch abwischen) taugt.

    Mit den Schwellenländern stimme ich nur eingeschränkt zu.

    China ist ein 1,x Mrd. Bevölkerungsstaat – neben dem Umstand daß Wachstum, wenn überhaupt, in nächster Zeit ausschließlich in Asien stattfinden wird, hat China einen riesigen Binnemarkt – die brauchen uns nicht (mehr lange – Stichwort know-how-Transfer).
    Deutlich wird das ja bereits an den globalen Investitionen Chinas in Grund und Boden, Rohstoffen und Firmenbeteiligungen. Dort wandeln sie ihre „tollen“ Dollars in nachhaltige Werte.

    Während Deutschland auf den Titel Exportweltmeister schielt – den wir auch nur in Dollar wägen – positioniert sich China unheinholbar als die Wirtschafts- und Militärmacht der Zukunft.

    Daß sich China durch die USA disziplinieren lassen glaube ich nicht.

    Darin liegt m.M. auch der Untergang des Euro begründet. Wenn es stimmt, daß der Euro bis zu 80% mit dem Dollar unterlegt ist, dann bedingt der Niedergang des einen den Tod des anderen.

    Wie gesagt – ein Spiel auf Zeit…

  • Antifo:

    Daß die EU-Kommission die von Griechenland veröffentlichten Zahlen prüfen will, ist übrigens ein zielmicher Witz: Als Marta Andreasen im August 2002 die schreienden Zustände bei der Buchhaltung der EU öffentlich machte, weil sie mit ihren Reformvorhaben innerhalb dieser Institution überall auf taube Ohren stieß, wurde sie wegen Illoyalität zu ihrem Arbeitgeber entlassen.

  • Anna Luehse:

    „Hilfe für Griechenland wäre Rechtsbruch“, titelt die FAZ 23.01.
    Matthias Ruffert zeigt die entsprechenden Gesetzesvorgaben für die Arbeit der EU im Finanzbereich auf.

    http://www.faz.net/s/Rub09A305833E12405A808EF01024D15375/Doc~EEDFC5F7196574891A4D3239F89606E19~ATpl~Ecommon~Scontent.html?rss_googlenews

    Nach den bisherigen Erfahrungen kann man wohl davon ausgehen, daß es den Herrschenden völlig gleichgültig ist, was im Gesetz steht. Die EUDSSR ist zu retten, koste es was es wolle.

  • gast:

    Es geht looos. Frank Schäffler, irgend so ein Fuzzi aus der FDP, fordert laut, Griechenland aus er Währungsunion auszustoßen.

    http://www.focus.de/finanzen/news/waehrungsunion-fdp-politiker-will-griechenland-den-euro-nehmen_aid_474242.html

  • […] ist, dass Griechenland sich maßlos überschuldet hat und die Einheit der Währungsunion wackelt [Artikel hier], werden nun Pläne ausgeküngelt, die uns deutsche Steuerzahler als Melkschweine des griechischen […]

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