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Der abwesende Christus

Mancherorts wurde der Freitag nach dem zweiten Fastensonntag früher als Fest zu Ehren des Grabtuches begangen. Im Johannesevangelium wird erzählt, wie die Apostel Petrus und Johannes in der Frühe des Ostermorgens das Felsgrab betreten und nur Leinenbinden und Schweißtuch vorfinden, nicht aber den Leichnam des Gekreuzigten (Joh. 20, 3 – 10). Es fällt auf, wie genau davon erzählt wird, womit der Leichnam Christi umgeben war. Die othonia lagen abseits vom soudarion, dem Tuch, mit dem das Antlitz nach Eintritt des Todes verhüllt wurde. Es wird identisch sein mit dem Bluttuch von Oviedo, das kein Abbild enthält, sondern allein Blutspuren. Die othonia mögen mit dem Grabtuch von Turin identisch sein, das ein auf unerklärliche Weise zustande gekommenes Abbild des Gekreuzigten zeigt.

Petrus und Johannes sahen in den Tüchern nur Zeugnisse des Sterbens und des Todes Christi, weil sie dem Auferstandenen noch nicht begegnet waren. Dann aber wurde von ihm die Kirche gegründet, die Rom christianisierte und nach dem Untergang des Imperiums das Abendland erstehen ließ. – Was würde davon bleiben, wenn es Christus verlöre? Diese Frage nimmt der Titel eines Essays des Journalisten Stefan Meetschen auf: „Europa ohne Christus (2009)“. Der Autor versucht, die aus dem Abendland selbst gegen das Christentum gerichtete Bewegung als Christianophobie zu erfassen und sieht ihren Ursprung in der Französischen Revolution von 1789.

Sehr übersichtlich ist die Zusammenstellung all der gesellschaftlichen Kräfte, die sich zwar untereinander widersprechen, aber gemeinsam stets denselben Gegner bekämpfen, das Christentum, jedenfalls soweit es sich aus seinen Traditionen versteht und sich nicht bedingungslos der Moderne ausliefern will. Die Europäischen Grundrechte / Menschenrechte werden als Waffe gegen das Christentum eingesetzt. Gegner werden stigmatisiert und sozial diskriminiert. Dagegen tritt der Autor für eine christliche Gegenbewegung auf verschiedenen Ebenen (Gebet, freimütiges Bekenntnis) innerhalb demokratischer Grenzen ein; er wirbt für ein Netzwerk „Europa für Christus“.

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