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"Toujours correct",

pflegte mein Lateinlehrer zu sagen. Auch dem, den man nicht mag, muß man Gerechtigkeit widerfahren lassen.

Der Islam verfügt gewiß über ein reiches Repertoire an wenig erfreulichen Eigenschaften, doch würde man ihm Unrecht tun, wollte man die sog. Ehrenmorde auf ihn zurückführen. Mag diese Unsitte durch den Islam begünstigt oder zumindest nicht ausgerottet werden. Ihren Ursprung hat sie nicht in ihm.

Zufällig stieß ich vor kurzem auf einen im aramäischen Dialekt von Edessa verfaßten Text, der dem 3. Jahrhundert zuzurechnen sein wird, also etwa vierhundert Jahre älter ist als der Islam. In diesem Text, dem Dialog über das Schicksal* des Bardesanes (geb. 154, gest. 222) werden Gesetze und Bräuche verschiedener Völker angeführt, um damit gegen die von der antiken Astrologie vertretene Lehre eines unausweichlichen Schicksals zu argumentieren.

* Übersetzung Hilgenfeld (1864)

VI. Gesetze der Rakamäer, Edessener und [weiterer] Araber. Bei den Rakamäern, Edessenern und Arabern [anderer Landstriche] wird nicht nur die getötet, welche die Ehe gebrochen hat, sondern auch die, auf der der [bloße] Verdacht des Ehebruches ruht, (v)erwirkt [sich besagte] Strafe.

VIII. Weiter töten im ganzen Orient die Väter und Brüder diejenigen [Weiber], welche öffentlich geschändet werden und bekannt werden, zuweilen zeigen sie auch ihre Gräber nicht …

„Im ganzen Orient … Väter und Brüder … öffentlich geschändet“: Dies klingt doch nicht unbekannt, nicht wahr?

In bestimmten Gegenden scheint im Falle des Ehebruchs nicht einmal die eigene Familie die Tötung vorgenommen zu haben, sondern schon bei Verdacht des Ehebruches töten die Rakamäer etc. die betroffenen Frauen. Dies klingt nach Lynchjustiz.

Einen vergleichbaren Fall schildert das Neue Testament in Joh. 7, 53 – 8, 11, Jesus und die Ehebrecherin. Dort geht es keineswegs um ein geordnetes Gerichtsverfahren, in dem ein Todesurteil verhängt werden könnte, handeln doch Richter als Teil der Obrigkeit in Vollmacht, die ihnen „von oben“ gegeben ist, und so werden sie vor Gott Rechenschaft ablegen müssen in bezug auf ihre Urteile. In Joh. 7, 53ff. ist die Situation eine andere. Dort will ein Lynchmob, angeführt von Schriftgelehrten und Pharisäern (8, 3) eine Frau aus der Stadt schleppen, um sie zu steinigen. Mit Verweis auf Vorschriften des Alten Testaments (Lev. 20, 10) will man den Heiland nötigen, sich daran zu beteiligen. Doch er antwortet nicht, indem er einem Tatzeugen das Recht zuerkennt, den ersten Stein zu werfen, sondern er sagt: „Der Sündlose unter euch werfe als erster einen Stein auf sie.“ (8, 7)

6 Kommentare zu „"Toujours correct",“

  • Wahnfried:

    Ich finde es an sich weniger skandalös, daß Ehebrecher im Islam schwer bestraft werden, als es mich viel mehr stört, wie man im ach so modernen Deutschland mit ihnen umgeht. Im erweiterten Bekanntenkreis hatte sich derartiges jüngst zugetragen.

    Da kann man also mutwillig eine Familie zerstören, den Kindern den Schutz des Vaters – auch in finanzieller Hinsicht – nehmen, teilweise Jahrzehnte gemeinsamer Arbeit entwerten, all das nur, weil man sein eigenes Ego befriedigen möchte, und der deutsche Gesetzgeber hält derlei nicht für strafwürdig. Selbst Falschparken wird härter geahndet.

    Mir erscheinen unsere eigenen Zustände fast ungleich skandalöser.

  • Canuck:

    Da kann man also mutwillig eine Familie zerstören, den Kindern den Schutz des Vaters – auch in finanzieller Hinsicht – nehmen, teilweise Jahrzehnte gemeinsamer Arbeit entwerten, all das nur, weil man sein eigenes Ego befriedigen möchte, und der deutsche Gesetzgeber hält derlei nicht für strafwürdig. ….

    „No fault separation /divorce“, wie es hier genannt wird, wird als vereinfachte Lösung angesehen Familienprobleme und negative Angelegenheiten zu regulieren.
    Die Unwilligkeit Schuld und Vergehen auseinander zu pulen macht diesen schwarz-weiß Prozess zwar einfacher, kreiert aber unglaubliche Problem und Trauma.
    Man könnte dieses undifferenzierte Verfahren durchaus als „steinigen“ ansehen.
    Hier, wie sicherlich auch bei euch, findet tatsächlich auch ein Blutvergießen statt, wenn die zurueck gedrängten(meist) Männer ausrasten.

    Das System ist auf schnelles auseinander dividieren von gestörten Verhältnissen gerichtet, Problemlösung und Versöhnung eher zweit und drittrangig.

    Der Effekt ist die Schwächung der Grundzelle einer gesunden Gesellschaft, wobei diese (kranke) „Gesellschaft“ alles tut um dieser Entwicklung (Versuchung und Verfehlungen), noch mehr Vorschub zu geben.
    Ein wahrer Teufelskreis… alles nur zufällig?

  • Karl Eduard:

    Puh, jetzt bin ich aber beruhigt, daß Ehrenmorde nichts mit Islam zu tun haben, höchstens mit dem Festhalten an patriarchalisch-archaischen Bräuchen und genau die brauchen wir hier verstärkt in Deutschland. Ehrenmorde wie auch Bräuche.

  • ThePassenger:

    Es scheint doch so, daß der Islam zu seiner Einführungszeit durchaus einen Fortschritt brachte, zumindest ein rudimentäres Rechtssystem brachte er mit sich. An einem gewissen Punkt scheint der Islam aber stehengeblieben und hat sich nicht mehr weiterentwickelt. Anstatt Antrieb zur Fortentwicklung zu sein hält er seine Anhänger in den alten Strukturen.

    Ein Teil des Geheimnisses warum der Islam, wie das Christentum wohl auch, sich so weit verbreiten konnte dürften in der Integration best. Bräuche liegen. Heidnische Feste und Brauchtümer oder Götzen wurden mitübernommen und in ein ent. religiöses Gewand gepackt.

    Fürchtet die weltweite islamische Gemeinschaft daran zu zerbrechen wenn einige die vom Islam integrierten prä-islamischen Rituale ablegen, ähnliche wie die das Protestantentum Europa gepalten hat und einen verheerenden Krieg nach sich zog?

    Wie steht es mit den fernöstlichen Moselms? Gibt es in Indonesien auch Ehrenmorde, wie wird dort mit Ehebruch verfahren? Bringt der Islam dieses Verhalten mit sich, ist dies ein integraler Bestandteil dieser Religion, oder geht es wirklich nur um archaische Sitten aus grauer Vorzeit?

    Eigentlich ist es nicht an „uns“ diese Fragen zu beantworten, das müssten die Moslems eigentlich selber tun.

  • Es stellt sich also die Frage, ob der von Wahnfried beschriebene Zustand nicht sogar inhumaner ist, als eine Steinigung es wäre, da er auf lebenslang fortwährendes, sogar generationenübergreifendes Leiden hinausläuft.

    Das ist eine ganz ähnliche Frage wie die, ob es denn humaner ist, an einem vergleichsweise geringen Anteil der Bevolkerung Verhaltensweisen zu ahnden, die die Ausbreitung einer gewissen tödlichen Immunschwächekrankheit ermöglicht haben und weiterhin begünstigen oder stattdessen diese Krankheit bei Millionen Menschen hinzunehmen.

    Was Joh. 7 angeht, gestatte ich mir, grundsätzlich zu widersprechen.

  • Der Islam hat Ehrenmorde nicht erfunden, genauso wie er den Völkermord, die Sklaverei, überhaupt die Gewalt, die Barbarei räuberischer Nomaden, die Lüge, die Frauenverachtung nicht erfunden hat. Er ist nur die einzige Religion, die all dies sakralisiert hat. Das Christentum versucht, den Menschen von der Schwerkraft des Irdischen zu befreien; gelebtes Christentum ist tägliche Be-kehrung: weg von dem, was den Menschen sittlich nach unten zieht, hin zu Gott. Der Islam heißt gut, was er vorfindet, und erklärt es zu Allahs Willen.

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