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Zur Unabhängigkeit von Staatsanwälten

Art. 97 I GG bestimmt, dass die Richter unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen sind. Ist die Thematik für die Richter damit erledigt?

Ich erinnere nur an den Preußischen Justizminister, der so zutreffend formulierte: „Gebt den Richtern nur ihre Unabhängigkeit, solange ich sie ernenne.“

Und in der Tat, es ist eine menschliche Erkenntnis: wer sein Amt durch Protektion erwirbt, wird seinen Gönnern dankbar sein.

[Dr. Winfried Maier im Oktober 2002]


Dr. Winfried Maier  ist deutscher Jurist. Seit 1997  war er als Staatsanwalt in Augsburg maßgeblich an der Aufdeckung von politischen Korruptionsfällen beteiligt: In Zusammenarbeit  mit Oberstaatsanwalt Jörg Hillinger ermittelte er innerhalb der Staatsanwaltschaft Augsburg in komplexen Parteispenden- und Betrugsverfahren wie z.B. dem Steuerstrafverfahren gegen den Lobbyisten Karlheinz Schreiber, den Ex-Staatssekretär Ludwig-Holger Pfahls und einigen mehr.

Im Oktober 2002 hielt Dr. Maier einen Vortrag an der Speyerer Hochschule. Sein Thema: „Korruption in Politik und Verwaltung“. Interessant war – und ist – der Vortrag deshalb, weil Dr. Maier darin über die Unabhängigkeit deutscher Staatsanwälte referiert. Sein Fazit ist einfach und klar: Es gibt keine Unabhängigkeit, deutsche Staatsanwälte sind abhängig. Warum das, entgegen aller Beteuerungen,  so ist, hier in verkürzter Form:

1. § 146 GVG, der regelt, dass Staatsanwälte den dienstlichen Anweisungen ihrer Vorgesetzten – das sind die jeweiligen Justizminister – nachzukommen haben [= Weisungsgebundenheit].

2. Diese Anweisungen im Zuge staatsanwaltlicher Ermittlungen werden eher selten in schriftlicher Form ausgegeben – und wenn dann in Dritten nicht zugänglichen Handakten als sog. Dienstinternum. Dieses Dienstinternum ist als Dienstgeheimnis strafrechtlich geschützt [§ 353 b StGB].  Würde ein Staatsanwalt hier also plaudern, so verstieße er gegen das Gesetz und  würde sich strafbar machen.

Viel häufiger aber werden Anweisung nicht schriftlich, sondern mündlich – sprich: intern – erteilt: Nicht dokumentierte Anweisungen bei Dienstgesprächen und Telefonaten in Form von „Bitten“ – oftmals als Reaktion oder im Vorfeld von Berichten an die vorgesetzte Behörde. Und diese sogenannte Berichtspflicht führt direkt  zu Punkt

3. Die  Staatsanwälte müssen wegen dieser  internen Berichtspflichten an vorgesetzte Behörde und bei Ermittlungen gegen „Persönlichkeiten“ auch an das Ministerium berichten – nämlich über den Inhalt des Verdachts und die geplanten Ermittlungsmaßnahmen bzw. Ermittlungsergebnisse. Die Möglichkeiten zur Einflussnahme von Seiten des Ministeriums kann sich hier jeder selbst ausmalen.

4.Vorauseilender Gehorsam – die systemimmanente Folge der Weisungsgebundenheit des Staatsanwalts. Denn mit dem vorauseilenden Gehorsam umgeht der Staatsanwalt die ihn maßregelnde, gesetzlich zumindest in Grenzen zulässige Weisung. Er erspart sich so Ärger und er empfiehlt sich für Beförderungen. Die werden nämlich von den weisungsberechtigten Vorgesetzten ausgesprochen.

Sie können den kompletten Vortrag als pdf-datei hier herunterladen und speichern. Er ist ausgesprochen informativ und erlaubt einen guten Einblick.

1 Kommentar zu „Zur Unabhängigkeit von Staatsanwälten“

  • Wahr-Sager:

    Passend zum Thema schrieb der damalige Stuttgarter Richter Frank Fahsel in einem Leserbrief an die Süddeutsche Zeitung vom 9. April 2008:

    „Ich war von 1973 bis 2004 Richter am Landgericht Stuttgart und habe in dieser Zeit ebenso unglaubliche wie unzählige, vom System organisierte Rechtsbrüche und Rechtsbeugungen erlebt, gegen die nicht anzukommen war/ist, weil sie systemkonform sind.
    Ich habe unzählige Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte erleben müssen, die man schlicht ‚kriminell‘ nennen kann.“

    Am Ende schrieb Fahsel:

    „Wenn ich an meinen Beruf zurückdenke (ich bin im Ruhestand), dann überkommt mich ein tiefer Ekel vor ‚meinesgleichen‘.“

    Quelle: http://www.suendenregister.de

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