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Spiegelleser wissen weniger

Das ehemalige Nachrichtenblatt verkündet seine aktuellste Enthüllung: Der französische sozialistische Staatspräsident François Mitterrand habe im Jahr 1989 für seine Zustimmung zur Wiedervereinigung die Aufgabe der DM verlangt und die beschleunigte Einführung des Euro. Das gehe aus einem bislang geheim gehaltenen Protokoll eines Gesprächs Mitterrands mit dem damaligen Außenminister Hans-Dietrich Genscher hervor.  Dieses „Geheimwissen“ druckte Die Woche bereits von 13 Jahren.

Die Verträge von Maastricht, die zur Einführung des Euro 1991 ausgehandelt und 1993 ratifiziert wurden, waren nach Aussage des ehemaligen Bupräsi Richard von Weizsäcker „nichts anderes als der Preis für die Wiedervereinigung“. Brigitte Sauzay – damals Dolmetscherin des französischen Präsidenten Mitterand – wird in ihren Memoiren noch deutlicher: Ihr Chef habe seine Zustimmung zur Wiedervereinigung „nur um den Preis gegeben, dass der deutsche Kanzler die Mark dem Euro opfere“  und in der FAZ vom Mai 1996 konnte der interessierte Leser schwarz auf weiß vernehmen, dass Frankreich eine Neuorientierung des durch die Wiedervereinigung erstarkten Deutschland fürchte. Ein wiedervereinigtes Deutschland mit der DM als Währung hätte die europäische Union „zu einer großen, von der D-Mark beherrschten Freihandelszone von Brest bis Brest-Litowsk“ machen können. Das wollte Frankreich verhindert wissen.

[1] Die Risiken des Euro sind unübersehbar, Teil I: Eine große Beimischung von Betrug. Ausgabe 8/98
[2] Die Risiken des Euro sind unübersehbar, Teil II: Wenn Furcht und Gier die Paten sind…
Ausgabe 9/98

Im vorigen Jahr veröffentlichte der Wirtschaftsjournalist David Marsh sein Buch „Der Euro. Die geheime Geschichte der neuen Weltwährung“  –  eine Darstellung der Ereignisse, die zur europäischen Währungsunion und zum Euro führten. Ich hab darüber hier schon mal etwas geblogt. Marshs Buch erschien im Mumann Verlag und Marshs Darstellung basiert auf zahlreichen Gesprächen mit Spitzenpolitikern und Beteiligten. Marsh schreibt darin u.a., dass für Frankreich die DM quasi die „Atomstreitmacht Deutschlands“ gewesen sei und zitiert Mitterand, der sich  gegenüber dem spanischen Ministerpräsidenten Filipe Gonzalez am 25. August 1987 folgendermaßen geäußert haben soll:

„Die Deutschen sind ein großes Volk, das gewisser Attribute der Souveränität entbehrt und einen verminderten diplomatischen Status genießt. Deutschland gleicht seine Schwäche durch seine ökonomische Stärke aus. Die Deutsche Mark ist gewissermaßen ihre Atomstreitmacht.“

Es galt ein wiedervereinigtes Deutschland zu entwaffnen. Jedenfalls aus der Sicht der französischen Politelite. Die gigantische Umverteilungsmaschinerie, wie sie, die Wirtschaftskrise ausnutzend, mit der Griechenlandhilfe vertragswidrig implementiert wurde, war, neben der Neutralisierung der DM, ein weiterer Traum Frankreichs.

8 Kommentare zu „Spiegelleser wissen weniger“

  • hutlos:

    in den 90er jahren wurde auch die deutsche rüstungsindustrie europäisiert. deutschland ist heute nicht mehr in der lage, irgendein wichtiges waffensystem (kampfpanzer, flugzeuge, usw.) selbst zu bauen. die entwicklungs- und produktionsorte sind heute (auch) in spanien, frankreich und gb. neben der währungs-, hat kohl auch die rüstungshoheit aufgegeben.
    allerdings hätte kohl dies auch ohne die wiedervereinigung so gemacht. sein ziel war der bundessstaat eu. und das hat er ereicht.
    es ist also falsch, den franzosen den schwarzen peter für die politik dieser kreatur zuzuschieben. eher müssen cdu, csu und ihre wähler zur verantwortung gezogen werden.
     

  • frank:

    Wenn die leute wirklich merken das alles nur ein schmutziges spiel ist,ich bin mir sicher,dieses system bricht auseinander.

  • Schade, dass wir nun nie erfahren werden, was eigentlich passiert wäre, hätten Kohl und Kohorten den Euro verweigert und die Wiedervereinigung wäre trotzdem gekommen.

  • Freidenker:

    Eine solche Meldung in den MSM ist schon ein kleines Sensatiönchen, und sollte alle paar Jahre wiederholt werden, für viele sind solche Zusammenhänge eben neu.
    Und 1996 sind einige Leser noch mit dem Marmeladenbrot hinter der Musik hergelaufen.

  • Friederich:

    Die eigentlich spannende Frage ist ja, was geschähe, wenn Deutschland aus dem €-Verbund aussteigen wollte.

  • @ Friederich

    Die umgetaufte EU-Verfassung hat eine Ausstiegsklausel formuliert – und auch die Bedingungen, die zu erfüllen sind. Eigentlich überflüssig, denn keine Institution der Welt, jedenfalls keine rechtliche, kann eine Mitgliedschaft zwangshalber verordnen.  Die einzige Organisation, die das tut, ist die Mafia. Die ist allerdings keine rechtliche…

  • Freidenker:

    @ Friedrich

    Hier gibt es so etwas wie einen historischen Präzedenzfall, die Südstaten wollten auch mal aus den USA aussteigen.
    Just in diesem Moment endeckten die Nordstaaten (Wall Street) ihre Liebe zu den Negern, und machten sich auf um die gecknechteten zu befreien.
    Seither ist die „Befreiung“ ein fester Bestandteil des Geschäftsmodells der USA.
    Nach diesem Vorbild würden unsere EU-Freunde in der BRD nach einem Austritt bestimmt einiges zum befreien finden.

  • Friederich:

    Ja, richtig. Das sind aber zwei verschiedene Problemfelder: Das eine wäre »nur« der Ausstieg aus dem €-Währungsverbund bei Verbleiben in der EUdSSR, das andere wäre der Komplettausstieg. Beides könnte akut werden, wenn wir Volksabstimmungen hätten – weswegen wir wohl keine bekommen werden.

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