Inhaltsverzeichnis

Zweiteiler über Papst Pius XII: Retten statt Reden

Die ARD zeigt heute ab 20:15 einen zweiteiligen Spielfilm über Papst Pius XII. Teil 1 ab 20.15, Teil 2 ab 21:45 – hier das Presseheft als pdf-datei.

In der deutsch-italienischen Koproduktion geht es um die Rolle des Kirchenoberhauptes während der Besetzung Roms durch deutsche Truppen ab 1943 und die drohende Deportation der Juden: Wie Papst Pius XII. alle ihm zur Verfügung stehenden diplomatischen Mittel genutzt hat, um die römischen Juden Roms und die italienische Hauptstadt zu schützen. Mit seiner Unterstützung finden Tausende Unterschlupf in den Kirchen und Klöstern Roms. Karl-Joseph Hummel, Bonner Katholizismusforscher und Direktor der Kommission für Zeitgeschichte hat sich den Zweiteiler bereits angesehen. Im Interview mit katholisch.de schildert er seine Eindrücke: Man wird diesen Film mit Gewinn sehen.

KNA: Herr Hummel, Papst Pius XII. gehört sicherlich zu den umstrittensten Päpsten der Kirchengeschichte. Wer war Pius XII. aus Ihrer Sicht?

Hummel: Es gibt ein eigentümliches Phänomen: Dieser Papst ist 1958 in der Weltöffentlichkeit hoch geachtet gestorben. Doch mit der Uraufführung des Trauerspiels „Der Stellvertreter“ von Rolf Hochhuth im Jahr 1963 verwandelt sich dieses Geschichtsbild von weiß zu schwarz. Pius XII. wird als persönlicher Versager, als jemand dargestellt, der bei der Ermordung der europäischen Juden schweigend zugesehen habe, obwohl er die Möglichkeit gehabt hätte, diesen Völkermord durch Protest oder andere Maßnahmen zu verhindern. Der Papst der Theaterbühne ist freilich eine erfundene Kunstfigur, die einen Vergleich mit der Wirklichkeit nicht besteht.

KNA: Die ganze Kritik an Pius XII. geht also auf Rolf Hochhuths Theaterstück zurück?

Hummel: Das Stück hat die Diskussion um Papst Pius XII. auf jeden Fall auf den Holocaust und die Ermordung der europäischen Juden verengt. Der Vorwurf, der Papst habe dazu geschwiegen, blendet aus, dass er sich beispielsweise in seiner Weihnachtsansprache 1942 für die Hunderttausenden, die persönlich bisweilen nur um ihrer Abstammung willen in Todesgefahr geraten waren, eingesetzt hat – eine damals durchaus verstandene Anspielung auf das Schicksal der europäischen Juden. Die vorsichtigen öffentlichen Äußerungen waren aber möglicherweise nicht Versagen, sondern Teil eines anderen Konzepts.

KNA: Wie sah dieses Konzept aus?

Hummel: Es gibt deutliche Hinweise, dass Pius XII. nach dem Konzept „Retten statt Reden“ verfahren ist. Der Vatikan hat über die Nuntiaturen und auch selbst in Rom, zum Beispiel bei der Judenrazzia im Oktober 1943, sehr vielen Juden durch falsche Pässe, materielle Unterstützung oder die Zuflucht in Klöster das Leben gerettet. Dieses Konzept konnte aber nur im Verborgenen funktionieren. Zudem hat noch niemand wirklich überzeugend erklären können, warum es dem Papst ausgerechnet durch eine moralische Ansprache hätte gelingen können, Adolf Hitler von dem erklärten Hauptziel seiner Politik und seiner Verfolgung abzubringen. Und mehr als moralische Mittel hätte der Papst ja nicht zur Verfügung gehabt.

KNA: Genau zur Zeit der Judenverfolgung in Rom 1943 spielt auch der Film „Pius XII.“. Wird er Pius XII. gerecht?

Hummel: Der Film ist keine geschichtswissenschaftliche Dokumentation, sondern ein Spielfilm. Er verbindet die Darstellung der päpstlichen Politik, der Geschichte Roms während der deutschen Besatzung und der Geschichte der jüdischen Gemeinde in Rom mit einer Liebesgeschichte sowie menschlichen Beziehungen und Auseinandersetzungen in der deutschen Wehrmacht und der SS in Rom. Der Film spielt auf ganz verschiedenen Ebenen. Aber die wissenschaftlichen Erkenntnisse der letzten Jahre wurden sehr präzise berücksichtigt und werden durchaus glaubwürdig dargestellt.

Über die Hintergründe der Diffamierung gegen Papst Pius XII und Rolf Hochhuths Der Stellvertreter kann man hier einiges nachlesen. [1] Moskaus Angriff auf den Vatikan.

2 Kommentare zu „Zweiteiler über Papst Pius XII: Retten statt Reden“

  • Mcp:

    „Moskaus Angriff“ erklärt allerdings nicht die Hartnäckigkeit der antipäpstlichen Legende in der westlichen Öffentlichkeit und unter den Juden selber. Vielmehr traf der rote Schreiberling den Nerv der linksliberalen und antichristlichen Schreihälse. Fünf Jahre später begann diese Mischpoke Deutschlands Straßen unsicher zu machen und blindlings mit der Nazikeule um sich zu schlagen. Da waren solche Mythen natürlich hochwillkommen.

  • Paul:

    Das Stück hat die Diskussion um Papst Pius XII. auf jeden Fall auf den Holocaust und die Ermordung der europäischen Juden verengt

    Der gesamte Zeitraum der nationalsozialistischen Herrschaft und des zweiten Weltkriegs ist auf den Holocaust verengt. Solange die Geschichtsdeutung per Strafrechtsparagraf  der „richtigen“ Sicht unterworfen ist, können Filme zu diesem Teil der Geschichte allerhöchstens Unterhaltungswert besitzen.

Kommentieren