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Ist der Nationalismus konservativ?

Wie ist der Nationalismus innerhalb der großen politischen Strömungen der Gegenwart einzuordnen? Gewöhnlich wird grob unterschieden zwischen Sozialismus-Kommunismus, Liberalismus und Konservatismus. Diese Parteien bildeten sich während der Französischen Revolution klar heraus: Diejenigen, die allen Besitz von „oben“ nach „unten“ umverteilen und am liebsten alle Konterrevolutionäre an den Laternene erhängen wollten, stellten Vorläufer der späteren Kommunisten und Sozialisten dar. Aus der Mitte derjenigen, die möglichst uneingeschränkte Freiheit für das bürgerliche Individuum forderten, ging der Liberalismus hervor, und die, die für vorrevolutionäre Größen wie Königtum und Kirche eintraten, bildeten das konservative Lager. Gehört demnach der Nationalismus zum Konservatismus?

Jeder wird den Nationalismus irgendwie dem Patriotismus zuordnen, der keinem Volk und keiner Zeit ganz fremd ist. Gilt dasselbe für den Nationalismus? Kann man beispielsweise von einem assyrischen Nationalismus im Alten Orient sprechen? Dies fällt wohl schwer. Aber warum?

Definitionen des Begriffes Nationalismus betonen „ein übertriebenes Nationalbewußtsein“, das begründet ist in der „Überordnung der eigenen Nation“ über alle anderen, die rassisch oder sonstwie begründet werden mag.

Während ein Volk als Verband von Familien innerhalb einer geographischen Region verstanden werden kann, ist dasselbe bei der Nation nicht möglich. Ihr geht es um die Zugehörigkeit jedes einzelnen Menschen eines Volkes ohne Rücksicht auf Familienzughörigkeit, Stand und regionale Herkunft. Von „Nationen“ sprach man zwar auch schon vor der Französischen Revolution, doch nun bekam der Begriff eine veränderte Bedeutung. Die Nation sollte an die Stelle der alten Ordnung treten. Die Nationalversammlung ersetzte die Generalstände. Sie erarbeitete eine Verfassung. Danach ist der König nicht mehr von Gottes Gnaden Souverän, sondern das souveräne Volk, d.h. eigentlich das als Nation verstandene Volk, setzt sich an die Stelle Gottes und gibt sich eine staatliche und gesellschaftliche Ordnung nach eigenem Gutdünken.

Schauen wir uns die Parolen der Französischen Revolution an: Liberté, Egalité, Fraternité. Die Freiheit ist unschwer dem Liberalismus zuzuordnen, die Gleichheit, dem Sozialismus. Wie aber verhält es sich mit der Brüderlichkeit? – Sie scheint für den Zusammenhalt innerhalb der Nation zu stehen, dem ja die traditionellen sozialen Bande wie Familie und Standesgemeinschaft nichts gelten, wie oben gesagt. Um also den nicht vorhandenen Zusammenhalt zu beschwören, dient die Parole von der „Brüderlichkeit“.

Wie wenig aber die inhaltlich leere „Brüderlichkeit“ tatsächlich dazu taugte, die Glieder der an die Stelle des Volkskörpers getretenen Nation zusammenzuhalten, muß sich sehr bald gezeigt haben. So steigerte sich das Bekenntnis zur Nation zum Nationalismus, und diesen bekamen die von den Revolutionären „befreiten“ Völker zu spüren, so daß sich bei ihnen als Reaktion auf den französischen ein eigener Nationalismus einstellte. – Durch den Abschluß der eigenen Nation gegenüber den anderen und die Erhebung über sie vermag der Nationalismus ein Zusammenghörigkeitsgefühl zu vermitteln. Doch ist es um einen zu hohen Preis erkauft.

Der Nationalismus ist also nicht konservativ. Dennoch unterscheidet er sich grundlegend von Liberalismus und Sozialismus, da er nicht kosmopolitisch ausgerichtet ist. Aus diesem Grunde mögen Konservative den Nationalismus als Bündnispartner angesehen haben.

3 Kommentare zu „Ist der Nationalismus konservativ?“

  • Mcp:

    Volkssouveränität, Verfassung, Bürger und Bürgerrechte, sowie Rechtsstaat – das alles verkörpert den Begriff einer zeitgenössischen Nation. Das alles wird mit der Nation wieder verschwinden. Nicht sofort, aber sukzessive. Dies kann noch Jahrhunderte dauern.
    Ethnische Homogenität, siehe USA, gehört nicht zum originären Begriffsinhalt, die ergab sich in Europa aus der Immobilität der Massen und der Tatsache, dass der Nationenbegriff, wegen der Rechtsstaatlichkeit, auf dem Territorialprinzip ruht. Alle regulären und die meisten irregulären Kriege nach 1789 waren Territorialkriege. Zumindest in Europa. Das beginnt sich zu ändern: Krieg gegen den Terrorismus.
    Nationalisten gehören heute sehr wohl zu den Konservativen, weil sie sich gegen das Verschwinden der Nationen stemmen, somit Konzepte der Vergangenheit verteidigen. Was wir heute erleben, ist die Wiederauferstehung von Vielvölkerreichen, welche die menschliche Geschichte immer dominiert haben.
    Dies zur Ergänzung.

  • Karl Eduard:

    Nationalismus fremder Staaten findet immer unsere Unterstützung. Bosnien, Kroatien, Georgien. Im Prinzip geht es ja nur um deutschen Nationalismus. Der ist freilich konservativ, denn an den deutschen Vorstellungen vom Gemeinwesen (Europäische Union) soll die Welt genesen.

  • ThePassenger:

    Eine Nation ist eine Menge von Gruppen und Individuen die miteinander solidarisch sind. Je kleiner die Anzahl, desto grösser die Solidarität. Beispiele: Schweiz, Luxemburg. Gute Lebensbedingungen auch für Normalbürger, niedrige Arbeitlosenquote, gute Durchschnittslöhne, ein funktionierendes Sozialsystem.
     
    Würde Luxemburg morgen Belgien übernehmen wäre es vorbei mit der Solidarität weil der qualitative Verlust von der Ur-Luxemburgern nicht akzeptiert würde – ein klassisches Problem von Qualität zu Quantität.
     
    Eben dieses Problem haben wir mit der Einheit doch ebenfalls durchlebt.
     
    Um die Soldarität zu steigern ohne das es groß was kostet spielt man die Nationalismuskarte, in unserem Land natürlich sehr dezent, z.B. in Form von Deutschlandfähnchen am Auto. Ich erinnere mich noch gut wie kurz nach der Wende auf einem CDU-Parteitag die Nationalhyme gesungen wurde – seinerzeit, und mittlerweile wieder, ein sehr ungewöhnlicher Vorgang.
     
    Solidarisch sind die Bürger aber nur wenn sie mit den anderen etwas verbindet, d.h. alle Gruppen müssen in wesentlichen Punkten eine Schnittmenge haben. Diese Schnittmenge bildet sich aus vielen Faktoren, die wesentlichen sind Identität in Form von Religion, Weltbild, ethnischer Zugehörigkeit, wirtschaftlichen Faktoren und einer gemeinsamer Historie.
     
    Was aktuell passiert ist dass aus der Schnittmenge einige Elemente entfernt werden sollen, wunderbar zu sehen in den Diskussionen bzgl. gesellschaftlicher Werte und der Leitkultur. Ziel ist es alle Elemente zu entfernen die einer „europäischen Nation“ entgegenstehen, und da man ja zukunftorientiert ist sollen auch extrem kulturfremde Elemente reinpassen.
     
    Gesucht wir der kleinste gemeinsame Nenner, Konsenspolitik wird betrieben. Dieser Nenner wird sich schlußendlich darauf einpendeln dass alle irgendwie ein möglichst wirtschaftlich sorgenfreies Leben führen wollen, der Rest ist verhandelbar. Da in dieser neuen Solidargemeinschaft die Habenichtse mittlerweile überwiegen ist dieser kleinste gemeinsame Nenner nicht mehr garantiert – dann ist der Punkt des Auseinanderbrechens gekommen.
     
    Die EU ist auch wirklich selten blöd. Seit dem WKII hat es im Prinzip keine Kriege mehr um Territorien geben, das allgm. Bestreben war unter den gegebenen Umstände die Qualität zu maximieren. Die grössenwahnsinnnigen EU-Vordenker aber meinten den EU-Bürgern ginge es so gut, dass das Territorium erweitert werden könnte und die qualitätiven Einschnitten zumindest für eine gewisse Zeit verkraftbar wären. Die Hoffnung war den qualitativen Knick nach unten durch Wirtschaftswachstum zeitnah wieder ausgleichen zu können, die Erweiterungen wurden als Investition in die Zukunft betrachtet und sollten die Kosten mehr als wieder einfahren.
     
    Dabei hat man sich grandios verrechnet. Das immerwährende Wirtschaftswachstum aus den EU-Gründerzeiten fand ein abruptes Ende, die Qualitätsdelle ist auch auf lange Sicht nicht mehr auszugleichen, ergo befinden wir uns an jenem Punkt an dem der kleinste gemeinsame Nenner nicht mehr erreicht wird und auch so schnell nicht mehr kann. Die Union befindet sich in Auflösung.
     
    Das ganze ist wie eine Supernova: Ein Stern der lange zu Vorteil seiner Umgebung wohlig warm strahlte hat all seine nuklearen Elemente verbaucht und bläht sich kurz vor der Impolsion noch einemal gewaltig auf, kanibalisiert sich selbst um in einem grossen Knall auseinander zu fetzen. Der Rest schrumpft zu ein schwarzes Loch oder einem weisser Zwerg zusammen.
     
    Was heisst das für die Eingangfrage ob Nationalisten konservativ sind?
     
    Die Antwort lautet zumindest derzeit und in Europa: Nein – denn in den Nationen liegt die Zukunft.
     
    Ein Blick über den eruopäischen Tellerrand beweist dies: Die Länder des ehemalige Ostblocks verfolgen allesamt eine stark national geprägte Politik, sei es in Zentralasien oder gleich um die Ecke in Polen.
     
    Zwar haben die Vielvölkerstaaten vielfach prägend gewirkt, doch sind sie allesamt untergegangen. Da dies historisch vielfach geschenen ist kann man hier einen Zyklus ableiten. Je nach Abhängigkeit in welcher Phase des Zyklus man sich befindet ist Nationalismus entweder konservativ oder progressiv.
    In der immer schneller werdenden Zeit braucht es für einen Zyklus keine 1.000 Jahre mehr, ein paar Dekaden reichen offensichtlich mittlerweile. Die Sowjetunion hat die Implosion bereits hinter sich, die EU und USA, inkl. ihrer Satellitenstaaten, sind mittendrin, die Chinesen stehen momentan in ihrer Blüte, aber auch sie werden sich dem nicht entziehen können.
     
    Die Antwort der Frage ob Nationalismus konservativ ist oder nicht ist also abhängig davon ob man der Aufassung ist wir befänden uns am Anfang oder am Ende eines Vielvölkerstaates. Befänden wir uns am Anfang wäre der Nationalismus konservativ, befänden wir uns am Ende wäre er progressiv. Aufgrund der kurzen Zeiträume kann es druchaus sein dass die alten Konservativen die neuen Progressiven werden.

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