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Brandts Kniefall

Heute jährt sich der „Kniefall von Warschau“ zum vierzigsten Mal. Am 7. Dezember 1970 kniete Bundeskanzler Willy Brandt (1969 – 1974) nieder am Ehrenmal für die Helden des jüdischen Aufstandes im Warschauer Ghetto (nicht zu verwechseln mit dem polnischen Warschauer Aufstand). Damals lehnte etwa die Hälfte der Bevölkerung diese Geste noch ab; wieviele würden heute noch wagen, dies offen zuzugeben?

Stichworte, die zu diesem Kniefall genannt werden sind „neue Ostpolitik, Ostverträge usw.“, zumal ja Brandt gerade an jenem Tag auch den Vertrag mit Polen unterzeichnete, aber damit hat dieser Kniefall doch eigentlich wenig zu tun, abgesehen davon, daß er ebenfalls in Warschau stattfand. Es geht doch offenbar mehr um die Judenverfolgung während des 2. Weltkrieges, also um das, was später in Anlehnung an eine us-amerikanische Fernsehserie „Holocaust“ genannt wurde und 1970 noch längst nicht das Ausmaß der Geschichte von Erbschuld und Tätervolk erreicht hatte wie heute. – Es ist mit Bezug auf den Kniefall auch von „Versöhnung“ die Rede, doch wer auf die Knie fällt, will sich nicht versöhnen, sondern er ergibt sich.

Es ist zu fragen, vor wem Brandt kniete. Vor den Toten etwa? Glaubte er denn an deren Fortleben? Das dürfte wohl kaum der Fall gewesen sein, obwohl die gefalteten Hände eine religiöse Haltung angedeutet haben könnten; er selbst hat dem jedenfalls widersprochen. Wenn nicht vor den Toten, dann muß er vor den Lebenden gekniet haben, doch nicht vor den Polen, denn der Platz dafür wäre das Ehrenmal des Warschauer Aufstandes gewesen.

Brandts Kniefall wird also am ehesten den Überlebenden des Warschauer Ghetto – Aufstandes gegolten haben. Diese handelten keine Ostverträge mit ihm aus. Was für ein Zeichen hat Brandt mit seinem Kniefall dann ihnen gegenüber gesetzt? – Für das Wahrscheinlichste halte ich es, daß er damit die deutsche Kollektivschuld anerkannt hat, da er persönlich weder an der Niederschlagung des Warschauer Ghetto – Aufstandes beteiligt war, noch am Kriege überhaupt, hielt er sich doch damals in Norwegen und Schweden auf.

13 Kommentare zu „Brandts Kniefall“

  • Freidenker:

    Brandt prägte mal den Begriff „Verzicht ist Verrat“.
    Für mich gilt seither : Höre nicht auf das Geschwätz von Politikern, messe sie ausschließlich an ihren Taten.
    Demnach war H.Frahm am Ende auch nur ein Verräter.

    Beim Kniefall zeigte Brandt sehr anschaulich in welcher Körperhaltung sich die BRD in die internationale Staatengemeinschaft einzureihen hat. Mit einem herausblitzenden Scheckbuch aus der Brusttasche wäre das Bild noch realitätsnäher geworden, aber man kann nicht alles haben.

    In weißer Vorrausicht hat der Schöpfer IM-Erika ohne Kniegelenke ausgestattet, somit bleibt uns zumindest eine kniende Merkel erspart.
    Die Merkel würde geradezu um die Wette knien, bis zum völligen Verlust der Selbstachtung, und darüber hinaus.
    Und das nicht nur in Warschau, nein, von Washington über Brüssel bis Tel Aviv, die Lefzen am Boden, das raumgreifende Hinterteil gen Himmel gestreckt.
    😉

  • Wahr-Sager:

    Ich glaube, die Merkel würde gar nicht mehr aufstehen.

  • Freidenker:

    Wulff lobt nun auch Brandts Kniefall!!! 
    Kein Wunder, muss man doch um auf selbige zu fallen, zuvor zumindest so was ähnliches wie einen aufrechten Gang gehabt haben.
    Ein Zustand den Wulff in Ermangelung eines Rückrates nie erreichen wird.
    Diesmal lag es aber nicht am Schöpfer, Wulff wollte einfach kein Rückrat. 
    Ich sehe ihn geradezu vor meinem geistigen Auge, wie er sich neben Brandt in den Dreck wirft, und dabei wimmert „seht her, ich kanns noch besser“.
    Ich muss aufhören, diese Amöbe macht micht aggressiv.  😉

  • Freidenker:

     „Damals lehnte etwa die Hälfte der Bevölkerung diese Geste noch ab“

    Damals leben noch viele von der sogenannten „Erlebnisgeneration“, denen konnte mann nicht so einfach das Blaue vom Himmel herunterlügen, wie es heute bei der Generation-„Deutschland sucht den Superstar“ der Fall ist.

  • ThePassenger:

    Um den Kontext der Geste richtig zu berurteilen möchte ich euch diesen Artikel wärmstens ans Herz legen:
     
    Brandts Kniefall als Denkmalsturz?
    Teil 1:
    http://www.netzeitung.de/kultur/367471.html
     
    Teil 2:
    http://www.netzeitung.de/medien/367773.html
     
    Eine brilliante Anlayse wie ich meine.

  • Wahr-Sager:

    Lt. Der große Wendig, Bd. 2, soll Willy Brandt Doppelagent gewesen sein und während des Krieges eng mit dem britischen und amerikanischen Geheimdienst zusammengearbeitet haben.

    Doch vor einer Reihe von Jahren tauchte im amerikanischen Nationalarchiv eine unbekannte Akte auf, aus der hervorgeht, daß Brandt auch über den Zweiten Weltkrieg hinaus und vermutlich intensiver, als bisher angenommen, für den OSS arbeitete.

    Der Beginn der Zusammenarbeit fällt demnach in das Jahr 1941, als Brandt, 27jähriger Exilant und leitender Aktivist der Sozialistischen Arbeiterpartei, in Stockholm von Stalins Agenten kontaktiert wurde. Brandt habe dabei, heißt es bei „Curb“, eifrig eigene Vorschläge unterbreitet. Doch der NKWD hatte andere Pläne. Er schickte den deutschen Exilanten ins Nachbarland Norwegen, wo er Nachrichten über die deutschen Besatzungstruppen sammeln sollte.
    Brandt sammelte. Mehrere technische Informationen und Quellenberichte aus seiner Feder sind allein dem Schlachtschiff „Tirpitz“ gewidmet, das 1944 bei Tromsö in der Nähe von Narvik vor Anker lag und bei einem britischen Bomberangriff im November zerstört wurde. 1204 deutsche Seeleute kamen dabei ums Leben. Auf für den NKWD war das schwerbewaffnete Kriegsschiff von erheblichem Interesse. Die britischen Bomber kamen sowjetischen womöglich nur zuvor, die sich auf Brandts hochbrisante Detailinformationen hätten stützen können.

    In Bonn wurden in den neunziger Jahren alle Anfragen wegen der sensationellen „Curb“-Dokumente mit eisernem Schweigen beantwortet. Einzelheiten erfuhr offenbar bereits Schröder-Vorgänger Helmut Kohl, der an die Verfassungsschützer ebenfalls die Parole „Stillhalten“ ausgab. Und nach der rot-grünen Machtübernahme 1998 drangen erst recht keine belastenden Einzelheiten mehr an die Öffentlichkeit. Die Ikone Willy Brandt sollte unbeschädigt bleiben.

  • @ Wahr-Sager

    Spiegel brachte dazu 1999 ein Brandt-Dossier: Ein gern gesehener Agent
    Bisher unbekannte schwedische Geheimakten über Willy Brandt im Stockholmer Exil zeigen: Der junge Sozialist war ein geschätzter Informant – besonders bei den Amerikanern.

  • Daniela Münkel, Autorin des Buches Willy Brandt und die „Vierte Gewalt – Politik und Massenmedien in den fünfziger bis siebziger Jahren sah in Brandt den „ersten, modernen Medienkanzler“, der die Macht der Bilder geschickt zu instrumentalisieren gewusst habe. Heißt: Sie schätzt den fotogenen Kniefall Brandts als eine mediale Inszenierung ein, räumt aber ein, dass es dafür keinen Beleg gebe. Die FAZ rezensierte Münkels Buch: Ente gut, alles gut? Der gelernte Journalist Willy Brandt, die Medialisierung der Politik und die Politisierung der Medien.

    Ich selbst kann es nicht beurteilen, weil das für mich tatsächlich Geschichte ist, also selbst nicht miterlebt habe. Was ich bisher darüber gelesen habe, erweckt in mir eher den Eindruck, dass die Einschätzung des Kniefalls wahlweise als „Große Geste“ , „Kalkulierte Außenpolitik“ oder „Geschickte Inszenierung“  sich eher am politischen Weltbild der so Einschätzenden orientiert, als an der Wahrheit.

    Die wird sowieso nur Brandt alleine gekannt haben. Falls überhaupt, denn eines ist eindeutig belegt: Der Mann war seelisch krank und hatte immer wieder mit schweren Depressionen zu kämpfen.

  • Karl Eduard:

    Man sollte der „Erlebnisgeneration“ doch zugestehen, daß es eine gleichgeschaltete Presse gab und die Spuren in den Köpfen hinterliess.

  • TROPENWOLF:

    Wann werden die Russen, Tschechen, Polen, Franzosen, Briten, Amerikaner und sonnstige Verbrecher vor den deutschen Frauen- und Kinderopfern in die Knie gehen?

  • Freidenker:

    @ Tropenwolf

    „Russen, Tschechen,….und sonnstige Verbrecher“

    Nicht die Deutschen sind in die Knie gegangen, sondern nur einer, wenn auch der Kanzler.

    Ich gehe mit ihnen, alle die Nationen haben Kriegsverbrechen begangen, dennoch glaube ich nicht an eine Kollektivschuld.

    Ihre Formulierung lässt darauf schließen das Sie ein Opfer der Reeducation sind, auch wenn Sie es nicht für möglich halten.

  • […] Brandts Kniefall […]

  • Paul:

    Deckname Polarforscher
    http://www.focus.de/politik/deutschland/spionage-deckname-polarforscher_aid_175748.html

    „Curbs“ Dossiers, die BfV-Präsident Frisch trotz mehrfacher FOCUS-Anfragen nicht kommentieren wollte, schildern die Lieferungen des NKWD-Kontaktmanns präzise. Neben Angaben über diverse Truppenbewegungen muß Brandt besonders viele Details über das deutsche Schlachtschiff „Tirpitz“ beschafft haben.

    KGB-Dossiers rütteln am Denkmal Willy Brandt
    http://www.focus.de/politik/deutschland/spionage-kgb-dossiers-ruetteln-am-denkmal-willy-brandt_aid_170084.html
    Der Verfassungsschutz wollte die unbequemen Berichte eines Geheimdienst-Offiziers über Brandts Kontakte zu Stalins Truppe unter Verschluß halten.

    Offenbar war der spätere Bundeskanzler Brandt in seiner Exilzeit so ziemlich jedem ausländischen Dienst zu Diensten. Hier was über seine Arbeit für die Amis.

    Willy Brandt – Ein US-Agent
    Pressekonferenz der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) in ihrem Berliner Hauptsitz, dem Willy-Brandt-Haus. Neben der riesigen blauen Wand, vor der die SPD-Oberen ihre Neuigkeiten zu verkünden pflegen, grüßt eine überlebensgroße Statue des Namensgeber die Besucher der SPD-Zentrale. Das Denkmal des ehemaligen Bundeskanzlers könnte aber gefährlich ins Wanken geraten, wenn Historiker oder Journalisten begännen, jenes Kapitel aus der Vita des politischen Großvaters der jetzigen SPD-Generation zu durchleuchten, über das Willy Brandt (1913-1992) immer den Mantel des Schweigens und Verdeckens gelegt hat. Am 11. Mai 2003 legte der Berliner Historiker Hanns C. Löhr mit seinem Artikel „Ein gerne gesehener Agent“ in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ das Stemmeisen an, mit dem das Denkmal des Ost-Politikers Brandt gestürzt werden könnte. Löhr stellt fest, unter Berufung auf einen 1999 im „Spiegel“ erschienenen Artikel, daß Willy Brandt ein Agent der Amerikaner war. Brandt betrieb ab Dezember 1940 in Stockholm eine Presseagentur, deren Berichte er zunächst an den britischen Geheimdienst verkauft, später an das amerikanische „Office of Strategic Services“ (OSS), dem Vorläufer der CIA. „Aber wie lange?“ fragt der Historiker nach der Dauer von Brandts geheimdienstlichen Tätigkeit. Seine Frage basiert auf dem Hintergrund eines neuen Aktenfundes im Washingtoner Nationalarchiv. Dort befindet sich eine OSS-Akte mit einem Bericht vom 24. Mai 1945. Knapp drei Wochen nach der bedingungslosen Kapitulation von Hitlers Wehrmacht informierte Brandt den OSS über vier kommunistische Parteiführer in Norwegen. Bisher war man davon ausgegangen, dass sich das Verhältnis zwischen dem deutschen Emigranten und den US-Diensten im Herbst 1944 abgekühlt hatte. Laut Löhr, schrieb ein OSS-Beamter über die Qualität der Quelle: „’Ein Informant, der durch und durch mit den norwegischen Angelegenheiten vertraut ist.’“ Der Historiker stellt fest: „Wann seine Zuarbeit endete, ist bis heute allerdings unbekannt.“ Aus dem Aktenfund in den USA und angesichts der Existenz ähnlicher Akten im britischen Public Record Office ergeben sich zwangsweise weitere Fragen: War Brandt durch seine Agententätigkeit erpressbar? Wie beeinflusste dieses Kapitel die Entstehung und Umsetzung seiner Ostpolitik, die in ihrer Zielsetzung – mittels des „Wandels durch Annäherung“ den Zusammenbruch des sozialistischen Lagers herbeizuführen – den Vorstellungen seines Zeitgenossen John F. Kennedy und dessen politischer Strömung entsprach? Bereits 1999 hatte GEHEIM-Gründer Michael Opperskalski in seinem Vortrag „Imperialistische Diversionsstrategien gegen die DDR“ die Rolle der westdeutschen Sozialdemokraten als Teil der Roll-Back-Strategie der USA gegen die sozialistischen Ländern detailliert herausgearbeitet. Opperskalski unterstreicht die Übereinstimmung zwischen den entsprechenden strategischen Vorgaben des US-Vordenkers Zbignew Brzezinski, der Umsetzung durch Brandt und die operative Unterstützung mittels des Ostbüros der SPD. Hanns C. Löhr ist sich sicher: „Die historische Forschung wird daher wohl in den nächsten Jahren weitere Erkenntnisse über Brandts Informanten-Dasein liefern.“ Dann wird sich auch zeigen, ob Brandts „Ostpolitik“ neu bewertet werden muss.

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