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Israel Interessen am EU-Beitritt der Türkei

„Wenn Europa die Türkei herzlicher aufgenommen hätte, wäre die Türkei nicht bestrebt, ihr Ansehen in der arabischen und muslimischen Welt auf Kosten Israels zu erhöhen“, warfen im vorigen Jahr israelische Regierungsvertreter französischen Vertretern der EU vor.

Etwas, was der deutschen Öffentlichkeit kaum bekannt ist, ist die Tatsache, dass der EU-Beitritt der Türkei auch von israelischer Seite nachdrücklich unterstützt wurde und wird. Im Mai 2007 hielt der deutsch-israelische Journalist und Autor Dr. Gil Yaron im Rahmen des 21. deutsch-türkischen Journalistenseminars in Antalya einen Vortrag über die Türkei und die EU aus israelischer Sicht. Ausrichter der Veranstaltung war die Konrad-Adenauer-Stiftung, die inoffizielle Unterabteilung der CDU [Meine Stiftung, deine Stiftung]. Im Rahmen dieser Veranstaltung zeichnet Dr. Yaron u.a. die Gemeinsamkeiten beider Staaten nach:

[1] Beide verstehen sich als nicht-arabische Staaten in einem überwiegend arabischen Raum. In den Augen ihrer  Nachbarstaaten sind sie  militärische Mächte mit expansiven Absichten und ein  Instrument US-amerikanischer Kolonialpolitik.

[2] Beide haben Grenzkonflikte mit ihren arabischen Nachbarn und beide sind weltliche, westlich ausgerichtete Staaten, mit einer religiös weitgehend homogenen Bevölkerung. In der Innenpolitik der Türkei wie in Israel besteht ein gespanntes Verhältnis zwischen den weltlichen und religiösen Teilen der Bevölkerung.

[3] Beide haben ethnische Minderheiten, deren Autonomiebestrebungen  große innere Spannungen auslösen. Letztlich sehen sich Türkei wie Israel einer immer stärker werdenden Gefahr seitens extremistischer Islamisten ausgesetzt.

[4] Das zivile Handelsaufkommen zwischen beiden Staaten beträgt inzwischen 2,5 Milliarden US$ im Jahr.

[5] Israelische Kampfpiloten trainieren regelmäßig in der Türkei, weil der israelische Luftraum zu klein dafür ist. Im Gegenzug bildet Israel türkische Kampfpiloten technisch aus. Außerdem wird türkisches Kriegsgerät in Israel aufgewertet.

[6] Die Türkei ist beliebtester Naherholungsziel der Israelis – mehr als 450.000 israelische Touristen verzeichnet das Land jährlich. Ein nicht zu unterschätzender Wirtschaftsfaktor.

Heißt: Israel betrachtet den EU-Beitritt der Türkei als sein ureigenstes Interesse, weil die Einbindung der Türkei in der europäischen Union aus israelischer Sicht das beste Mittel darstellt, die weltliche und westliche Ausrichtung der Türkei sicherzustellen, den Islam zu bändigen und die Türkei als Verbündeten zu erhalten.  Warum das ebenso Israels geostrategischem Interesse dient, zeigt die Karte.

Eine Sichtweise, wie sie auch die USA vertritt, wobei inoffiziell gezweifelt wird, ob der EU die Einbindung gelingen wird, da die Türkei sich re-islamisiere.  Zum Abschluss weise ich darauf hin, dass ich mit  „Die USA“, „Israel“ , „Deutschland“ , „Die Türkei“ immer die politischen Vertreter dieser Länder meine – die Völker haben nicht selten eine divergierende Meinung.

[1] Die politische Analyse Dr. Gil Yarons kann man hier nachlesen pdf-datei
[2] Eine ausführlichere Auflistung der einzelnen Punkte  hier: Beziehung zwischen der Türkei und Israel

5 Kommentare zu „Israel Interessen am EU-Beitritt der Türkei“

  • spartaner:

    Die türkei darf nie in die eu kommen,es wäre eine katastrophe.

  • ThePassenger:

    Ein Blick auf die Landkarte offenbart dass die EU offene Flanken im süd- und südöstlichen Mittelmeer hat. Der Bosporus ist die einzige Landverbindung und daher von besonderer strtegischer Bedeutung.
     
    Zudem stellt die Türkei das Tor zu den rohstoffreichen Ländern (Iran, Irak, Aserbaidschan, Turkmenistan) dar, siehe Nabucco-Pipeline. Mit den Ländern der Mittelmeerunion verhält es sich ähnlich, nur dass dort der Suez-Kanal das Nadelöhr bildet.
     
    Die Türkei ist somit in militärischer wie wirtschaftlicher Sicht extrem wichtig für Europa. Wäre dieser Weg versperrt so könnten ent. Lieferungen nur noch über Russland oder den Atlantik erfolgen. Der Suez-Kanal ist dagegen nicht von militärischer Bedeutung da nicht mit einer Seelandoperation aus dem arabischen Meer zu rechnen ist.
     
    Schwerpunkt bleibt also die Türkei. Die Türkei weiss auch dass Europa sie braucht, die Abhängigkeit wird nicht kleiner sondern sogar grösser. Die Amerikaner, die letzendlich die militärische Oberaufsicht über Europa haben, haben bisher federführend die Türken bei Laune gehalten obwohl man sich der pol. Situation in der Türkei in Washington durchaus bewusst ist, siehe Wikileaks Veröffentlichungen.
     
    Erdogan weiss um all das, nicht umsonst trifft er sich medienwirksam mit Ahmadinedschad und provoziert den Bruch mit Israel. Die Türkei empfiehlt sich gerade als Führer einer Art Muslim-EU.
     
    Nicht vergessen sollte man dass aus Nordafika heraus schon eine Mittelstreckenrakete ausreicht um Europa ins Herz zu treffen. Die Technologie dazu ist im Iran bereits vorhanden, die Türkei hat das 2. grösste stehende Heer in der NATO, Nordafrika verfügt über etliche Millionen junger Männer ohne Perspektive, die alle gerne gen Eruopa ausreisen möchten, ggf. auch mit der Waffe in der Hand.
     
    Wer Nein zur Türkei in der EU sagt (wie ich übrigens auch) muß sich überlegen wie er die Türkei auch in Zukunft bei der Stange hält bzw. muß sich überlegen was bei einem Umkippen der Türkei zu tun wäre.
     
    Mittelfristig steht die Frage im Raum ob die EU die Türkei & Nordafrika unter ihre Fittiche nimmt oder ob sich ein Muslimischer Block herausbildet. Sollte zweiteres der Fall sein ist zu fragen wie man sich diesem Block gegenüber aufstellen will.
     
    In Zeiten von Massenvernictungswaffen ist das Maximum der Zerstörung schnell erreicht, die Bombe alleine reicht bekanntlich um sich vor Invasoren effektiv zu schützen, konventionelle Armeen haben nicht mehr die Bedeutung die sie früher einmal hatten, ihr Verfall in eine etwas besser bewaffnete Polizeitruppe ist nur die logische Konsquenz. Die pakistanische Bombe hat gezeigt dass die islamischen Staaten keinerlei Hemmungen haben dieses Wissen an ihre „Brüder“ weiterzugeben. Daher ist der Iran von wesentlicher Bedeutung da er sich noch weniger kontrollieren lässt als Pakistan.
     
    Es gibt keinen abgestimmten Masterplan für die Region, derzeit beschränkt man sich darauf demjenigen militärisch eine auf die Mütze zu geben der aufmuckt, wobei man eine Rekolonisierung der Region derzeit noch nicht (oder: nicht mehr) ins Kalkül zieht – das Irak-Debakel lässt grüssen.
     
    Last but not least kann man sich in Bezug auf die iranische (muslimische) Bombe auf Russland auch nicht mehr verlassen weil man diese durch die NATO Osterweiterung und div. getürkte „Revolutionen“ ohne Not mehrmals und vorsätzlich vor den Kopf gestossen hat.
     
    Wer diese Dinge nicht durchdenkt liefert sich den einfachen Antworten der Politiker aus und braucht sich nicht zu wundern wenn er angelogen wird. Wer ohne nachzudenken kompromisslos einen auf Nationalstaat macht kann dadurch schnell die wirtschaftliche und militärische Sicherheit von Kerneuropa, Deustchland inkl., gefährden. Mit ein Grund warum man bei Kleinstparteien aufpassen sollte, nicht alles was einem aktuell innenpolitisch in den Kram passt ist längerfristig auch sinnvoll.
     
    Die nicht gerade sonderlich beliebte „Jerusalemer Erkärung“ ist vor diesem Hintergrund zu betrachten.

  • Freidenker:

    Der Standpunkt die Türkei nicht in die EU zu nehmen bedeutet ja nicht zwangsweiße das man ein „Antitürkeirist“ ist. In Anlehnung an Antisemitismus, oder Antiamerikanismus, wird ja auch gerne genommen.
    Die strategische Bedeutung der Türkei besteht nicht erst seit gestern, deshalb wurde die Türkrei auch Mitglied der Nato, und die BRD Hauptunterstützer bei der Militärhilfe.
    Man schaue sich nur mal die Ausrüstung der Armee an, alle guten gebrauchten MAN 630 wurden der Türkei praktisch geschenkt, der Militärunimog wird in Lizenz in der Türkei gefertigt.
    Das Standardgewehr der Türken ist das G3.
    Ich gehe auch mal davon aus das sie die Leoparden zum Freundschaftspreis bekommen haben, und was an ehemaligem NVA Material „darunterverschenkt“ wurde ist nur zu erahnen.
    Die Türkei hat sich seine geostrategische Lage im Kalten Krieg durchaus vergolden lassen, und die Gastarbeiter wurden hier noch garnicht betrachtet.
    Deutschland hatte aber früher auch schon gute Beziehungen zur Türkei, hier sei nur die Bagdad-Bahn erwähnt, für manchen eine Ursache für den 1. Weltkrieg.
    Insgesamt genoss Deutschland seit jeher ein sehr hohes Ansehen im arabischen Raum, leider sind wir aktuell dabei dieses zu zerstören.
    Bei Daimer wurden die Kurzhauber noch Jahre nach Produktionsstopp für den europäischen Markt, extra für die Araber weitergebaut, so geil waren die auf Made in Germany, und bereit gut dafür zu zahlen.
    Dieses Ansehen war das Ergebnis einer fairen Handels- und Wirtschaftspolitik mit diesen Ländern, ohne sich in innere Angelegenheiten einzumischen.
    In diesem Bereich haben die angelsächsischen Nationen durchaus Defizite, wenn ich das mal so ausdrücken darf.
    Die Gefahr eines aggresiven Irans sehe ich auch nicht, selbst wenn dieses Land die Bombe hätte, ich würde ruhig Schlafen.
    Die islamische Gefahr sehe ich durchaus, hier ist das Problem aber mitten in Europa, insbesonders bei unseren eigenen unfähigen Politikern zu suchen, und nicht im Iran, Irak, oder der Türkei.
    Kurz und gut, ich bin nach wie vor der Meinung das ein fairer Umgang mit diesen Ländern, ohne oberlehrerhaftes Auftreten, und ohne Einmischung in die inneren Angelegenheiten, die beste Geostrategie von allen gewesen wäre.
    Wie sagte Sarrazin, „Wenn ich den Muezzin hören will, buche ich ein Urlaub im Morgenland“. Und recht hat er. Soll er dort Rufen so laut wie er will, uns geht das nichts an, genausowenig wie die Araber sich an unseren Kirchenglocken zu stören haben.
    Im Übrigen sind die Araber sehr verläßliche Handelspartner.

  • Georg Mogel:

    Wo ich Lebendiges fand. da fand ich
    Willen zur Macht;
    Und noch im Willen des Dienenden
    fand ich den Willen,
    Herr zu sein.
    Friedrich Nietzsche
     
    Israel hat Interessen.
    Die Türkei hat Interessen.
    Deutschland vertritt die Interessen der Anderen.

  • Paul:

    Die politischen Spannungen zwischen Israel und der Türkei trüben den Handel zwischen beiden Staaten offenbar nicht. So stieg der Warenaustausch in diesem Jahr um 30 Prozent, schreibt die Zeitung „Yedioth Ahronot“ unter Berufung auf das Industrie- und Handelsministerium in Jerusalem. „Die meisten israelischen Geschäftsleute verfahren nach der Devise ‚Business as usual‘ und setzen ihre Arbeit fort,“ zitiert das Blatt den israelischen Wirtschaftsattaché in Ankara, Doron Avrahami.

    Israel und Türkei: gute Geschäfte trotz politischer Eiszeit
    http://www.berlinerumschau.com/news.php?id=4009&title=Israel+und+T%FCrkei%3A+gute+Gesch%E4fte+trotz+politischer+Eiszeit&storyid=1001292950137

    Die offizielle Streitereien sind Show fürs eigene Wahlvolk, in grundlegenden Dingen ist man beianander.

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