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Angelsächsischer Calvinismus und seine Folgen

Deutsche   waren bei vielen Völkern unbeliebt, nicht zuletzt bei den Engländern. Schauen wir uns die letztgenannten an Hand eines Beispiels näher an! In einem Artikel (JF 3/2011, S. 16) über Rudyard Kipling heißt es, daß er im eigenen Lande und desen weltumspannenden Kolonialiperium um 1900 so weithin anerkannt wurde, daß er fast als nationales Symbol galt. So dürfte Kiplings Charakterisierung der Deutschen als Tiere während des 1. Weltkriegs mehr sein als eine persönliche Entgleisung, vielmehr das wiedergeben, was viele seiner Landleute gedacht haben: There are „only two divisions in the world to-day–human beings and Germans…“ Dies wird keine Fehlleistung auf Grund der Schrecken des Krieges sein, denn die Kolonialvölker hielt er auch für Wesen, die halb Tier, halb Teufel sind (The White Man’s Burden (1893)“), und man möchte erläuternd hinzufügen: Tiere, so daß sie die englische Kolonialherrschaft benötigen, Teufel, soweit sie sich ihr zu widersetzen wagen.

Wo finden wir im Abendland ein Vorbild solchen Denkens, das die Menschen in zwei von Geburt an verschiedene Gruppen einteilt? Der Blick richtet sich auf Calvin, dessen Praedestinationslehre von ewiger Erwählung der einen und ewiger Verwerfung der anderen ohne deren Verdienst bzw. Verschulden ausgeht; es gibt niemals ein hinüber oder herüber. Natürlich hat die reformierte Theologie England neben dem Anglikanismus ebenfalls geprägt. Bei Kipling wird ihr Denken ins Nationalistisch-Rassistische übertragen. – Um anzudeuten, wie verbreitet calvinistische Anthropologie in säkularisierter Form im angelsächsischen Bereich noch immer ist, sei auf ein gegenwärtig populäres Beispiel verwiesen, die Lebenswelt von Harry Potter, in der sich durch die Herkunft kraftbegabte Zauberer von trotteligen “muggles” unterscheiden.

In Kiplings „A Song of the English (1893)“ wird die englische Kolonialherrschaft als gottgewollt dargestellt.Der Engländer, der sich im Glauben und durch Beachtung des Gebots an Gott hält, hat den Auftrag, im eigenen Lande das Böse zu vertilgen und Frieden walten zu lassen: „Clear the land of evil, drive the road and bridge the ford. … By the peace among Our peoples let men know we serve the Lord!“ Diese Ordnung aber soll mit Schiffen über die ganze Welt ausgebreitet werden, so daß im weiteren Verlauf des Gedichts mehrfach vom Empire die Rede ist.

Wenn die englische Weltherrschaft gottgewollt ist, dann müssen natürlich alle, die sich ihr widersetzen, daemonischen Charakters sein. Kiplings Ausfälle gegen die Deutschen („Mary Postgate (1915)“) stellen demnach keineswegs Entgleisungen dar, sondern sie sind folgerichtig. Es wäre geradezu gottlos, den Kriegsgegner um des eigenen Landes willen zu bekämpfen, ihm aber dasselbe Recht zuzugestehen; solche Ritterlichkeit ist völlig unangemessen. Wer die Auserwählten herausfordert, ist ein Teufel, dem gegenüber keine Menschlichkeit gefordert werden darf. Alle Mittel zu seiner Bekämpfung sind recht, auch eine Hungerblockade, die die Zivilbevölkerung trifft.

Inzwischen haben die USA als Globalisierer das Erbe des untergegangenen englischen Kolonialreiches längst übernommen, doch die Verteufelung des Gegners wird nach wie vor praktiziert. Der Deutsche gilt allerdings nicht mehr der zu bekämpfende Daemon. Andere sind an seine Stelle getreten, zuletzt Saddam Hussein und Osama Bin Laden: Wer wird der nächste sein?

3 Kommentare zu „Angelsächsischer Calvinismus und seine Folgen“

  • http://anundaussichten.wordpress.com/2011/05/23/rudyard-kippling-only-two-divisions-in-the-world/

    „VirOblationis“ und wohl auch Manfred sehen in Kiplings Auspruch einen näheren Zusammenhang zum Calvinismus der Angelsachsen an sich. Ganz falsch wird das nicht sein, wenn man an das Kriegsgebet im amerikanischen Kongress zum 1. Weltkrieg denkt (zu finden in: Franz Uhle-Wettler, „Gesichter des Mars“ – darauf werde ich bei Gelegenheit noch eingehen). Die generelle Vermischung von Gut und Böse, Wahrheit und Unwahrheit, Freund und Feind scheinen bei den Calvinisten und Angelsachsen im Ganzen wohl üblich. Aber ist das denn etwas so besonderes, nur weil wir Deutschen im ungünstigeren Falle zu objektivistisch und im günstigeren Fallle so analytisch sind, daß wir davon nicht betroffen sind. Wenn schon Analyse, dann sollte man aber auch feststellen, daß es sich um ein eher durchschnittliches Phänomen handelt, zu finden überall in der Welt. Spielt hier etwa die alte deutsche enttäuschte Liebe zu den Briten eine besondere Rolle? – Bei mir jedenfalls nicht.

    Für die besondere calvinistische Prägung Kiplings und damit die Verbindung von Calvinismus und Haß, besonders gegen lutherische oder römisch-katholische Deutsche, spricht schon das Elternhaus des kleinen Joseph Rudyard, dessen Eltern beide aus Pfarrer-Familien kamen. Degegen spricht allerding der Tod seines Sohnes im Kampf an der deutsch-Britischen Front. Aus dem Times-Zitat geht nicht hervor, ob er seine Äußerung vor oder nach dem Tod seines Sohnes 1915 verfaßt hat. Ein Zusammenhang ist allerdings überhaupt nicht auszuschließen.

    Eine reine Entgleisung wird sein Deutschenhaß wohl kaum gewesen sein, eher ein gesammtenglisches Phänomen. Na und? Der Neid auf uns Deutsche ist doch bis heute spürbar. Die Briten waren eben niemals wirkliche Spitze. Und das wissen sie.

    Was kümmert es die Deutsche Eiche, wenn sich ein Inselaffe an ihr kratzt? Dazu noch ein klemmschwuler?

    Imaugedesbetrachters (http://anundaussichten.wordpress.com)

  • Jambalaya:

    Eine allgemeine Deutschfeindlichkeit der Briten, kommt mir eher ein bisl als an den Haaren herbeigezogen vor. Kipling war sicher ein klarer Befürworter des britischen Imperialismus und so Deutschfeindlich wie er war, war er auch gleichzeitig frauenfeindlich.

    Seine Popularität verdankte er aber eher seinen Kinderbüchern, hier mal das „Dschungelbuch“ an erster Stelle genannt!

    Wenn seine Meinung Volkes Meinung gewesen sein soll , dann bitte ich die Autoren mal um Erklärung wie es sein konnte das kaum 70 Jahre vor seiner Geburt in vielen englischen Häusern und Stuben, ein Bild vom alten Fritzen hing. In Erinnerung und Bewunderung für die preußischen Leistungen im siebenjährigen Krieg, welche insbesondere Frankreich banden (Balance of Power) und damit die englische Dominanz in Nordamerika und Indien sicherten.

    Erst mit der deutschen Wirtschaftskonkurrenz Ende des 19. Jahrd., wurde von der angelsächsischen Presse im Dienste der eigenen Wirtschaft propagandistisch ein solches Deutschen-Bild erzeugt.
    Das Imperien sich von der Natur Ihres Selbstbildes heraus, immer als überlegen betrachten liegt wohl in der Sache bergündet.

  • Georg Mogel:

    „Herr Kant (wie mir Herr Lehmann erzählte) pflegte zu sagen, wenn er vom Verdienst der Nationen um die Wissenschaften redete: Der Deutsche besorgte die Wurzeln und den Stamm, der Franzose die Blüten, die Engländer die Früchte und die Italiäner die Blätter.“

    G. Chr. Lichtenberg,
    Sudelbücher
    Heft I (678)

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