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Standortwechsel

Die spektakuläre Einhundertachtzig-Grad-Drehung der Kanzlerin in der Energiepolitik bestätigte das zentrale Anliegen, das die Grünen, später zusammen mit der SPD und der SED-Nachfolgerin, sozusagen als parteipolitische Vertreter der Anti-Atomkraftbewegung, stets vorgebracht haben: Ausstieg aus der Stromerzeugung durch Atomkraftwerke! Nicht lange zuvor hatte man auf seiten von Schwarz-Gelb noch eine Laufzeitverlängerung von zehn Jahren für die Atomkraftwerke ins Auge gefaßt, nun den Ausstieg innerhalb derselben Frist von zehn Jahren.

Wahrscheinlich wollte Merkel damit kurzfristig verhindern, daß sich angesichts der Katastrophe von Fukushima verunsicherte Wähler bei der Landtagswahl in Baden-Wuerttemberg von der CDU abwenden. Ein solches Kalkül ist nicht aufgegangen, und dieses allein kann auch nicht das Motiv für die Einhundertachtzig-Grad-Drehung in der Energiepolitik gewesen sein, denn im Grunde genommen mußte man mit dieser Wende doch treue CDU-Wähler düpieren, denen man jahrzehntelang weißgemacht hatte, man stehe aus guten Gründen für eine andere Energiepolitik als die Anti-Atomkraftbewegung und die ihr zuzuordnenden Parteien. Nein, nur um kurzfristige Vermeidung der Abwanderung wankelmütiger Wähler ging es offenbar nicht. Dies zeigt sich daran, daß die CDU unter Merkels Leitung auch in der Schulpolitik eine Angleichung an die Position der politischen Linken herzustellen sucht, obwohl es damit kaum Wählerstimmen zu gewinnen gibt – im Gegegnteil: Das Beispiel des letztjährigen Hamburger Referendums stellte klar, wie wenig populär die Abschaffung der schulischen Differenzierung ist, selbst wenn sie von sämtlichen Rathausparteien gefordert wird.

Demnach dürfte es einen tieferen Grund als kurzfristige Wahlerfolge für die Merkel’schen Wenden geben. Worin dieser tiefere oder eigentliche Grund für das Vorgehen besteht, liegt auf der Hand: Aus der CDU soll eine Partei geformt werden, die irgendwo im politischen Spektrum zwischen Grünen, SPD und SED-Nachfolgerin angesiedelt ist; die FDP bleibt dabei auf der Strecke, was aber keine Lücke reißt, da die Grünen die liberalen Positionen vielleicht noch urbildhafter vertreten. – Fukushima wäre also weniger als Grund für eine politische Panikreaktion anzusehen, sondern eher als willkommener Anlaß für einen ohnehin geplanten Standortwechsel.

Und das „C“ im Namen der Partei stört nicht bei einer Abwanderung zur Linken? – Keineswegs. Die EKD zeigt doch, wohin man mit einem vorgeblich christlichen Bekenntnis gelangen kann; und die katholische Amtskirche mag dem in ihrer ökumenischen Beflissenheit keine Alternative entgegensetzen. In diesem Zusammenhang bedenke man übrigens auch Merkels familiäre Herkunft.

6 Kommentare zu „Standortwechsel“

  • […] “Wessen Kult?” beschäftigt er sich mit der Bedeutung der Sonntagsruhe, in “Standortwechsel” stellt er die Atomwende der CDU in der Zusammenhang ihrer Drift nach links, und der […]

  • Obwohl ich es früher nicht geglaubt und nicht für möglich gehalten hätte, denke ich heute, daß dieser Standortwechsel einfach nur die logische Folge eines Standortwechsels der Wählerklientel ist.

    Soll heißen, das Milieu und die (konservative) Klientel, für das die CDU stand, hat seine Ansichten, Meinungen und Überzeugungen geändert (oder wurde propagandistisch so manipuliert). Genau wie die Kirchenmitglieder (früher sozusagen Horte des Konservativen) politisch immer weiter nach links driften, driftet die Gesamtheit des konservativen Lagers nach Links. Ein Teil, der seine Positionen nicht aufgeben will, bleibt zurück, aber die CDU muß der Masse folgen.

    Besonders deutlich macht das gerade der Atomausstieg. Man wird unter der konservativen Klientel kaum weniger Ausstiegsbefürworter finden als beim Rest des Volkes. Bei so einem „Blockbuster“ an Wahlkampfthema, so einem Dauerbrenner muß die CDU mitziehen, sonst ist sie weg vom Fenster. Das sind die Spielregeln der Macht.

    Politiker wie Merkel, Kauder und Röttgen haben das kapiert. Machterhalt eght iohnen über besseres Wissen. Prinzipientreue ist kein Wert (mehr) der in der Politik noch goutiert wird.

    Es bleibt immer wieder neu der Wunsch, daß endlich eine so große Lücke im Parteienspektrum entsteht, daß dort eine Partei hineinpaßt, die die 10-20% verbleibenden Wertkonservativen auffängt. Deren Aushängeschilder hießen (theoretisch, weil praktisch niemand bereit dazu ist) Erika Steinbach, Eva Herman, Thilo Sarrazin, Stefan Herre, Rene Stadtkewitz, Roland Baader, Manfred Kleine-Hartlage, Michael Stürzenberger, Dieter Stein u.v.a.m.

    Natürlich sind das aber meist auch keine Politiker-Typen.

    Die geeignete Führungspersönlichkeit muß erst noch auftauchen. Man darf gespannt sein. Irgendwas zwischen einem Jörg Haider und Geert Wilders sollte es wohl sein.

  • Wahnfried:

    Ich sehe das Problem weniger bei der Bundeskanzlerin, als viel mehr in der Presse. Wenn ausnahmslos jede Zeitung, ja, selbst die früher mal konservativen Blätter wie WELT und FAZ von der Fahne gehen und sich gegen die Atomkraft aussprechen, ist die Sache verloren. Die Politik führt doch eh nur das aus, was die Presse den Leuten einredet. Hätte Merkel nicht den Atomausstieg besiegelt, wäre es in 2-3 Jahren eine grün-rote oder vielleicht grün-rot-rote Regierung gewesen. Das Problem sind diese plappernden und schwätzenden Möchtegern-Journalisten, die heute wissen, was die Kirche besser machen sollte, morgen wissen, wie wir den Weltfrieden retten und gestern wussten, wie wir die Umwelt und ach, gleich die ganze Menschheit an sich retten. Und wovon haben diese Schwätzer wirklich Ahnung? Na? Genau, von gar nichts.

    Solange sich die Bürger von dieser Klasse von Lohnschreiberlingen die Realität erklären läßt – und es sieht nicht so aus, als würde sich daran irgendwann bald etwas ändern – geht es mit diesem Land eben nur in eine Richtung…

  • Wahnfried:

    Nebenbei bemerkt: Ich verstehe nicht, wieso „Zettels Raum“ als „rechtsliberal“ geführt wird. Dieser Blog ist weder rechts noch liberal, der Autor im weiteren ein Merkel-Zelot.

  • @Wahnfried:

    Zettel bezeichnet sich selbst als „linksliberal“. Ich wiederum orde ihn als „liberalkonservativ“ ein. Feine Unterscheidungen.

    Obwohl Zettel partiell zu guten Erkenntnissen kommt (aufgrund einer hochgradig faktenbasierten Bewertung der Dinge und unvoreingenommener Recherche), pflegt er doch seine ganz eigene Art der politischen Korrektheit. Als Agnostiker oder Atheist frönt er einem überhöhten Wissenschaftsglauben (plus Akademikerdünkel!) wie auch einem idealistischen Glauben an eine funktionierende Demokratie in Deutschland.

    Viele Kommentatoren sind da schon tief ins Fettnäpfchen gestiegen (und rausgeflogen), weil sie aus der „freien“ PI-Szene kamen und sich der Zettel’schen Korrektheit nicht beugen wollten. Sie auch?!

    🙂

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