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Die Untaten der Zwickauer Zelle

Die Untaten der Zwickauer Zelle sind in aller Munde – jedenfalls so weit es um die Angehörigen der politischen Klasse samt Anhang in Medien und Justiz geht. In den Niederungen des Alltags spielen diese Verbrechen wohl eine wesentlich geringere Rolle, weil die meisten Bürger sich nicht unmittelbar dadurch betroffen sehen.

Die Medien können gar nicht oft genug über den braunen Terror und sein Umfeld berichten.Wenn ich nur „NSU Unterstützer“ bei Google eingebe, erscheinen 395 Artikel, die 1 bis 4 Stunden alt sind. Es geht bei all dem um die jüngste Festnahme, aber nicht etwa um jemanden, der Waffen geliefert hätte o.ä., sondern um den mutmaßlichen Hersteller der Bekenner-DVD, zu dessen Festnahme eigens die GSG 9 bemüht wurde; die wird nur „in besonders gefährlichen Lagen“ eingesetzt, wie es in der Bildunterschrift eines Artikels heißt. Nun, wenn der „dringende Verdacht der Volksverhetzung und der Beihilfe zur Billigung von Straftaten“ besteht, muß man wohl schon schwerstes Geschütz auffahren.

Bei der gestrigen Zusammenkunft des Bundestages wurde mit einer Schweigeminute der Getöteten gedacht, die nun, da ihre Mörder dem rechtsextremistischen Milieu zu entstammen scheinen, einen viel höheren Stellenwert erhalten. Bis dahin waren sie nur Ermordete, jetzt Opfer einer menschenverachtenden Weltanschuung, die nach Ansicht mancher  die Mehrheit der Bevölkerung beherrscht, welche seit der Veröffentlichung von Sarrazins Bestseller auch noch an Selbstvertrauen gewonnen habe. Angesichts dessen hält man sich natürlich nicht damit auf, nach den Einzelheiten der Untaten zu fragen, sondern zeigt in bis dato unbekannter Einigkeit seine Betroffenheit.

Nehmen wir uns stattdessen die Zeit, die Verbechen, soweit die Informationen darüber einigermaßen sicher sind, ruhig zu reflektieren. Jede Untat ist eine Tat, und wie in jeder Tat wird auch in der Unat eine bestimmte Absicht manifest. M.a.W. die Form läßt Rückschlüsse auf den Inhalt zu. Wenn eine rechtsradikale Mörderbande lauter Kleinunternehmer umbringt, wird sie damit ihre Weltanschuung zum Ausdruck bringen? Kaum. Wer Fremde haßt, sie vertreiben möchte und vor Mord nicht zurückschreckt, würde der nicht ohne Rücksicht auf Alter, Geschlecht und Stand töten? Hinzu müßte dann natürlich so etwas wie ein Bekennerschreiben treten.

Im Falle der Zwickauer Zelle sieht es aber ganz anders aus. Es wurden lauter Kleinunternehmer umgebracht, zumeist Türken, aber auch ein Grieche. Eine Bekenner-DVD wurde zur Zeit der Morde oder bald danach nicht veröffentlicht, dafür die Tatwaffe aufbewahrt. Stelle ich die Information über den weltanschaulichen Hintergrund der Täter für einen Augenblick zurück, dann scheint mir der Fall nicht unerklärlich: Ich würde vermuten, daß hier die organisierte Kriminalität Morde verübt hat, weil z.B. Schutzgeld verweigert wurde. Die Verwendung stets immer derselben Tatwaffe bekäme nun einen Sinn: Ihr Markenfabrikat wird in der Öffentlichkeit natürlich irgendwann bekannt; im Falle der sog. Döner-Morde geschah dies auch. Man braucht dann einem als Opfer Ausersehenen nur z.B. ein Photo der Tatwaffe zu schicken, um einer Drohung größten Nachdruck zu verschaffen.

Wozu dann die Bekenner-DVD(, die nicht aus dem abgebrannten Haus stammen muß, da ja Exemplare just zum Zeitpunkt der Entdeckung der Zelle versandt wurden), mag man fragen. Sie paßt in diesen Zusammenhang nicht hinein. Ziehen wir nun aber die weltanschauliche Ausrichtung der mutmaßlichen Täter mit heran: Sie mögen die DVD sozusagen als ideologisches Nebenprodukt hergestellt haben. Wenn sie Morde im Auftrag der organisierten Kriminalität ausführten, – was auch erklären würde, warum sie ihre kriminellen Taten auf „eigene“ Rechnung in Mitteldeutschland begingen, die Morde hingegen fast ausschließlich auf dem Gebiet der alten BRD – dann hätten sie diese mit ihrer DVD ideologisch sekundär auszuschlachten gesucht. Die Bekenner-DVD durfte natürlich nur im Kreis Gleichgesinnter, nicht allgemein bekannt werden, weil dies z.B. bei einer geplanten Schutzgelderpressung die Wirkung einer Drohung vermindert hätte, da das Opfer sich nicht mehr nur als Geschäftsmann, sondern auch als Angehöriger einer anderen Ethnie unter Druck gesetzt sieht: Die Eindeutigkeit der Drohung wäre verloren gegangen. Die Auftraggeber der Untaten wären darüber erbost.

Die Mordserie könnte ihr Ende gefunden haben, da die Täter aus irgendeinem Grunde nicht mehr für die organisierte Kriminalität geeignet erschienen. Die Tatwaffe hätte für sie aber weiterhin Wert gehabt, da man sich mit ihrer Hilfe vor etwaigen neuen Auftraggebern aus der Unterwelt jederzeit als Täter ausweisen konnte.

Der Mord an der Polizistin könnte wiederum einen ganz anderen Hintergrund haben: Vielleicht hätte sie auf Grund ihrer Herkunft aus Oberweißbach Zusammenhänge erahnen können, was sie zum Opfer eines hinterhältigen Mordanschlags machte. Wie dem auch sei – jedenfalls hat es wenig Sinn anzunehmen, nur aus ideologisch motiviertem Haß seien die Täter nach Heilbronn gefahren, um dort auf Polizisten zu schießen.

 

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