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Schwundstufe erreicht

Während für die scholastische Philosophie und Theologie das Gute immer dasselbe ist, ob im Reiche Gottes oder in der Welt, und daher die in der Welt vollbrachten guten Werke problemlos in Bezug gesetzt werden können zur göttlichen Wirklichkeit, ist es dem Luthertum stets schwergefallen, weder Offenbarung noch Geschichte zu verabsolutieren, da sie als innerlich nicht mit einander verbunden angesehen werden: Das Reich Gottes besteht in Wort und Glauben, hat grundsätzlich nichts mit der Welt zu tun – und umgekehrt die Welt nichts mit ihm. Dem Kulturprotestantismus, der sich auf die Welt einließ, drohte die Offenbarung verloren zu gehen; an die Stelle des Heiligen Geistes drohte sich nur allzu bald der Zeitgeist zu setzen.

Gesteigert wurde diese Gefahr nach dem Verlust des landesherrlichen Kirchenregiments im Zuge der Umwälzungen nach dem Ende des 1. Weltkrieges, denn nun geriet die Welt in Bewegung, und um innerhalb der verschiedenen Strömungen nicht die Orientierung zu verlieren, schien es verlockend, sich dem herrschenden Zeitgeist anzupassen. So etablierte sich entsprechend dem Aufstieg der NSDAP eine dem nationalistischen, tw. auch dem nationalsozialistischen Gedankengut angepaßte Glaubensrichtung, die 1933 einen Aufschwung erfuhr, die Deutschen Christen, DC. Freilich bildete die Bekennende Kirche ein Gegengewicht, auch sie nicht überall frei vom Zeitgeist, aber zumindest nicht dem herrschenden ergeben.

Wie beliebig die Inhalte bei der Anbiederung an den vorherrschenden Zeitgeist sind, zeigt das aktuelle Beispiel einer Bischöfin, die sich – das Gegenteil von dem verfolgend, was die Deutschen Christen erstrebten – vor allem dem Kampf gegen Rechtsextremismus verschreiben will; immerhin setzt sie ein „-extremismus“ zum verbreiteten Schlagwort „KgR“ hinzu.

In welchem Maße die „Öffnung zur Welt“ im Gefolge des Vatikanum II innerhalb der katholischen Kirche zu einem ganz ähnlichen Aggiornamento gegenüber dem Zeitgeit geführt hat, zeigt das Beispiel eines Bischofs, der „auf die Gesellschaft verstärkt auch in solchen Fragen (sc. denen des Rechtsextremismus) einwirken“ will. Eigentlich müßte er dann Liberalismus und Sozialismus, die die Abtreibung befürworten, die alltäglich ungeborenen Menschen das Leben raubt und die Moral der gesamten Gesellschaft untergräbt, ebenso entschlossen entgegentreten; da wird er freilich leiser treten, denn dabei bliese ihm der Sturm des Zeitgeistes alsbald ins Gesicht.

Es ist deutlich, wie schwierig die katholsiche Position wird, sobald sie sich nicht darauf beschränkt, für die Obrigkeit zu beten und die Wahl einer solchen Partei, deren Worte und Taten mit der kirchlichen Lehre, insbesondere den zehn Geboten, vereinbar sind, dringend zu empfehlen – was ja ein darüber hinausgehendes Engagement des einzelnen Gläubigen keineswegs ausschließt. Doch wollte man solch eine traditionelle Haltung wieder einnehmen, stellte sich sogleich die Frage, was denn heute noch verbindliche kirchliche Lehre ist. Im Zuge der „Öffnung zur Welt“ ist auch die Antwort darauf weitgehend unsicher geworden.

Die Schwundstufe des Religiösen wird aber endgültig erreicht, wo aus dem einstmaligen Bemühen um Rettung der Seelen bloße Mittel zu innerweltlichen Zwecken geworden sind, und zwar nicht unbedingt notwendige Mittel. Als Beispiel dazu sei auf eine Stellungnahme hingewiesen, die den Religionsunterricht als Hilfsmittel im Kampf gegen „rechtsextremistische(n) Einstellungen, …Fremdenfeindlichkeit und Rassismus“ anpreist, wobei es der Phantasie des Lesers überlassen bleibt sich vorzustellen, was wohl alles darunter fällt.

 

1 Kommentar zu „Schwundstufe erreicht“

  • Georg Mogel:

    Eine Gesellschaft, in der seit Jahrzehnten ein jährlich hunderttausendfacher Fetozid nicht täglich von der katholischen und protestantischen (Amts-) Kirche thematisiert und skandalisiert wird, steht in größtmöglicher Distanz zum christlichen Glauben.
    Stattdessen befassen sich Kirchenfürsten, Bischöfe, Prälaten, Landesbischöfe, Pfarrer, Dekane und andere kirchensteueralimentierte „Christen“-Funktionäre mit (vermeintlichen) gesellschaftlich-politischen Problemen rund um den Globus, womit sie ihre geringe Kraft und ihren geringen Mut vertun.

    Den heuchlerischen Würdenträgern der hiesigen christlichen Kirchen ins Stammbuch das Wort Davillas:
    „Glaubt man nicht an Gott, ist das einzig Anständige der
    vulgäre Utilitarismus.
    Alles Übrige ist Rhetorik.“

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