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Körperverletzungen

Von einem Standpunkt aus, der nur einzelnen Menschen Rechte zuerkennt, scheint es ganz konsequent zu sein, die Beschneidung zu verbieten: Wer hätte das Recht, dem anderen auch nur einen Hautzipfel zu nehmen? Handelt es sich nicht tatsächlich um eine Körperverletzung, wenn ein Älterer veranlaßt, daß einem Jüngeren, der sich nicht dagegen zu wehren vermag, eine Verletzung durch Abtrennung eines Häutchens vorgenommen wird?

Betrachtet man die Angelegenheit so, dann stellt die Beschneidung nicht die letzte Maßnahme gegen Körperverletzung an Schutzbefohlenen dar: So klagten nun Eltern, weil ihrem Kinde beim Ohrlochstechen Schmerzen zugefügt worden waren. Aber müßte nicht viel mehr ein Dritter den Ohrlochstecher sowie die Eltern verklagen, weil sie sich verschworen haben, dem unmündigen Kinde eine Verletzung seiner Ohren zuzufügen? Die Frage danach, ob Unmündige überhaupt noch Ohrringlöcher bekommen dürfen, wird nun debattiert.

Haben denn aber wirklich nur die Einzelnen Rechte? Kommt der Gemeinschaft, in der ein Einzelner aufwächst, in der er geborgen wird und die ihm überhaupt erst die Möglichkeit verschaftt zu überleben, keinerlei Rechte an dem Schutzbefohlenen zu?

Nur dem Einzelnen Rechte zusprechen zu wollen, wirkt angesichts der Wirklichkeit des Lebens abstrakt. Wenn die Gemeinschaft, d.h. Familie und Volk bzw. im Falle des Judentums auch die Religionsgemeinschaft*, Kindern den Raum zum Heranwachsen schafft, dann muß sie auch Verfügungsrechte gegenüber den Kindern erhalten. Im Falle des Judentums pflegt die Gemeinschaft an den Söhnen seit Jahrtausenden die Beschneidung vorzunehmen. Eine wenige Jahrzehnte bei uns vorherrschende Rechtsauffassung sollte dies umstürzen? – Kaiser Hadrian (117 – 138) hat bereits versucht, die Beschneidung, in der er eine Form der Kastration erblickte, gesetzlich verbieten zu lassen, doch bereits sein Nachfolger hob dies wieder auf; angemerkt sei, daß Kaiser Hadrian auch den 2. Jüdischen Krieg führte, der für das Judentum katastrophal endete; Jerusalem durfte von Juden nicht mehr betreten werden.

* Der Islam ist nicht die Religionsgemeinschaft eines Volkes, und die Beschneidung hat dort nicht denselben Stellenwert; deshalb beschränke ich mich in diesem Artikel auf das Judentum.

Ohrringe für Mädchen bilden einen Teil unserer Kultur, der zwar nicht von ähnlich großer Bedeutung ist wie die Beschneidung für das Judentum, doch immerhin würde wieder ein Stück des uns Vertrauten verschwinden, wenn das Ohrlochstechen bei Unmündigen verboten würde. Wieder einmal hätte der Erziehungsstaat seinem Hang zum Totalitären nachgegeben.

 

9 Kommentare zu „Körperverletzungen“

  • vitzliputzli:

    der artikel ist inkonsequent und widersprüchliich:

    am anfang wird sich für die rechte der gemeinschaft über die rechte des einzelnen ausgesprochen, am ende wird die inanspruchnahme der rechte der gemeinschaft (staat) – anders als es dem verfasser gefällt – als totalitär angesehen.

  • virOblationis:

    Den Widerspruch sehe ich nicht: Familie und Volk bilden auf niederer und höherer Ebene die Gemeinschaft, in der wir leben. Der Staat ist keine Gemeinschaft solcher Art, sondern mögliche Organisationsform des Volkes (oder eines Teiles desselben bzw. mehrerer Völkerschaften). Zumindest die Familie ist älter als der Staat (das Volk im allg. auch): Wenn der Staat deren (naturgemäße) Rechte ignoriert, verfällt er ins Totalitäre.

  • vitzliputzli:

    ja, der staat ist eine organisationsform (um das zusammenleben der völker und der familien zu regeln) diese aufgabe können natürlich auch völker oder familien selbst übernehmen. je kleiner die einheit, desto mehr konflikte mit den nachbareinheiten entstehen allerdings.

    mit der einigung auf die organisationform „staat“ geben die familien und völker natürlich ein paar regelungskompetenzen ab (was hierzulande eben im GG zu der Höherbewertung der unverletzlichkeit des individuums vor dem brauchtum des betreffenden volksstamms geführt hat). die schlimmen auswüchse der kompetenzabgabe erleben wir gerade auf der eu-ebene, was für deinen standpunkt spricht.

    ich tue mich schwer mit deinem argument (das kommt selten vor), weil es letztendlich darauf ankommt, wie hoch man den brauch (du sagst: rechte) eines volkes bewertet, das selber die normsetzungsbefugnis an die „organisationsform“ staat abgibt.

    ich glaube, im endeffekt kommt es darauf an, ob man die regelung dieser frage im übertragenen sinn dem bundesland oder dem bund übertragen will (wobei land hier für volk und bund für den staat steht).

    danke, der kurze disput hat durchaus für mich interessante aspekte hervorgebracht.

  • Wer sich mit den jüngeren Erkenntnissen aus der Kindheitsforschung, bestätigt durch die Hirnforschung, auseinandersetzt und dem die Empathie für das Kind nicht ganz verloren gegangen ist, wird der Traumatisierung von Säuglingen und Kindern nichts Positives abgewinnen können. Aggression führt früher oder später zu aggressiver Reaktion.

    Freilich müssen die betroffenen Ritualgruppen von sich aus gegen diese Unmenschlichkeit aktiv werden, und das geschieht ja allmählich (Israel, USA).

    http://kreidfeuer.wordpress.com/tag/beschneidung/

    Und: Göttliche Gebote müssen mit der gottgeschenkten Vernunft vereinbar sein. Was vor x-tausend Jahren eine Verbesserung gewesen sein mag (statt Kindesopfer nur Beschneidung), darf heute kein Tabu sein.

    „Verfügungsrechte“ gegen das Kindeswohl halte ich für anthropologisch unvertretbar.

  • virOblationis:

    Wie sollen Eltern Kinder erziehen, wenn sie nicht über sie bestimmen dürften!
    Nicht ohne Bezug zu den Verfügungsrechten der Eltern, insbesondere des Vaters schreibt Papst Leo XIII. in seiner Enzyklika „Rerum novarum (1891)“:
    10. Ein dringendes Gesetz der Natur verlangt, daß der Familienvater den Kindern den Lebensunterhalt und alles Nötige verschaffe, und die Natur leitet ihn an, auch für die Zukunft die Kinder zu versorgen, sie gegenüber den irdischen Wechselfällen instand zu setzen, sich selbst vor Elend zu schützen; er ist es ja, der in den Kindern fortlebt und sich gleichsam in ihnen wiederholt. Wie soll er aber jenen Pflichten gegen die Kinder nachkommen können, wenn er ihnen nicht einen Besitz, welcher fruchtet, als Erbe hinterlassen darf? Wie der Staat (civitas, das staatlich verfaßte Gemeinwesen, vO), so ist auch die Familie, wie schon gesagt, im eigentlichen Sinne eine Gesellschaft, und es regiert selbständige Gewalt in ihr, nämlich die väterliche. Innerhalb der von ihrem nächsten Zwecke bestimmten Grenzen besitzt demgemäß die Familie zum wenigsten die gleichen Rechte wie der Staat in Wahl und Anwendung jener Mittel, die zu ihrer Erhaltung und ihrer berechtigten freien Bewegung unerläßlich sind. Wir sagen, zum wenigsten die gleichen Rechte. Denn da das häusliche Zusammenleben sowohl der Idee als der Sache nach früher ist als die bürgerliche Gemeinschaft, so haben auch seine Rechte und seine Pflichten den Vortritt, weil sie der Natur nahestehen. Wenn Individuum und Familie, nachdem sie im Verbande der staatlichen Gesellschaft sind, seitens der letzteren nur Schädigung fänden statt Nutzen, nur Verletzung des ureigenen Rechtes statt Schutz, so würde der Staatsverband eher als Gegenstand der Abneigung und des Hasses erscheinen müssen denn als ein begehrenswertes Gut.

  • Diesen Text kann ich voll unterschreiben, und auch gegen Verfügungsrechte habe ich nichts einzuwenden. Allerdings dürfen diese niemals zum Schaden des Kindes angewendet werden. Ich vermute, da sind wir uns ohnehin einig.

    Es steht nur die Frage im Raum, ob die Beschneidung dem Kind schadet oder nicht. Von der Schädlichkeit bin ich allerdings überzeugt, siehe oben bzw. Infos im Netz.

    Ohrloch stechen sehe ich, aus heutiger Sicht, weit weniger schädlich, aber nur dann als erlaubt an, wenn das Kind es von sich aus will. Befürworten würde ich es nicht, eher davon abraten.

  • virOblationis:

    @ vitzliputzli
    Der Unterschied der „Regelungskompetenzen“ von Staat und Familie (vgl. Volk) könnte mit dem Unterschied von Politik und Moral zu tun haben; ich bin mir über diesen Punkt noch nicht klar.

  • virOblationis:

    @ Carolus
    Kann der Wille eines unmündigen Kindes ausschlaggebend sein? – Ich habe (vor etlichen Jahren) dem Wunsch meiner kleinen Tochter nachgegeben, die von meiner Frau unterstützt wurde. Weil die Kleine Ohrringe tragen wollte, wurden also die Ohrläppchen durchstochen. Doch anschließend mußten die entzündeten Ohrläppchen wochenlang behandelt werden.

  • Kann der Wille eines unmündigen Kindes ausschlaggebend sein?
    Das soll er nicht sein, aber er sollte imho beachtet, erwogen und gewürdigt werden.

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