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Noch einmal Finanzkapitalismus

von virOblationis

Vergleichsweise geringe Beachtung erlangt in den Medien ein Ereignis, das beispielhaft zeigt, wer die politische Macht eigentlich innehat, plakativ formuliert: wem die politische Klasse dient (und in welchem Zustand sich ihr medialer Anhang befindet).* Der Bundestag hat die Bankenaufsicht der EZB übergeben; zwar wird dies gemeldet, doch selten erwähnt, daß durch die Möglichkeit der Bankenrettung die EZB Zugriff auf 135 Milliarden Euro erhält, die von Deutschland, d.h. seinen Steuerzahlern, aufgebracht werden müssen.

* Wenige Medien berichten darüber. Der Artikel in Handelsblatt und FAZ wurde von Reuters übernommen, wobei man lediglich eine eigene Überschrift davorsetzte, anscheinend ohne sich um weitere Informationen zu bemühen und eigene Reflexionen anzustellen: Darauf weist die wortwörtliche Übereinstimmung des Textes in beiden verschiedenen Zeitungen.

Man bekommt ganz deutlich vor Augen geführt, wessen Interessen die politische Klasse vertritt: die der Banken, repräsentiert durch die Zentralbank, die mit ihrem Anrecht auf 500 Milliarden Euro zur Bankenrettung (zur Vorgeschichte vgl. diesen Artikel) durch die Euro-Mitgliedsstaaten ja nicht sich selbst dient, sondern den „systemrelevanten“ Banken (mit einer Bilanzsumme, die 30 Milliarden Euro übersteigt). – Die Banken als Institutionen bilden die herrschende Gruppierung innerhalb des dritten Standes, weniger einzelne Bankiers. Es handelt sich bei den Herrschenden auch weniger um die Menge der Milliardäre als um ihre Banken, denn letztere kommen zur Not auch ohne die Ersteren aus, diese aber nicht ohne jene. – Es ist auch nicht die Industrie, der die Banken dienen: Die Unabhängigkeit der EZB schützt sie davor, etwa durch politischen Druck den Interessen der Industrie – oder gar denjenigen der dort Beschäftigten – ausgeliefert zu werden.

Das Bankgeschäft birgt ein grundsätzliches Problem in sich: Sein Gewinn ergibt sich daraus, daß Geld aus Geld erwirtschaftet wird; es muß stets mehr Geld eingenommen werden als an Krediten ausgegeben worden ist. Dies führt auf lange Sicht entweder zur allgemeinen Verarmung, wenn die Geldmenge nicht vergrößert wird, da ja eine eine beständige Umverteilung von den Kreditnehmern hin zu den Banken stattfindet, oder zur Inflation, wenn die Geldmenge fortlaufend vergrößert wird, damit die Banken – zumindest nominell – ihre Einnahmen immer weiter steigern können. – Die Inflation ist hier von der Verarmung unterschieden: Obwohl jene praktisch stets mit dieser einhergeht, ist eine Geldentwertung denkbar, bei der durch vollständigen Inflationsausgleich keine Verarmung eintritt.

Tatsächlich wird es stets zu einer Mischung von Verarmung und Inflation kommen, da man bemüht sein wird, der einen Katastrophe auf Kosten der anderen zu entkommen. Dies zeigt auch der jüngste Beschluß zur Ermöglichung der Bankenrettung in direkter Weise auf Kosten der Steuerzahler: Es bestünde theoretisch ja ebenso die Möglichkeit, daß die EZB durch selbsterschaffene Milliarden Banken rettet, doch dies würde angesichts der bereits bestehenden Praxis der Geldmengenvergrößerung die Inflation weiter vorantreiben; so wählt man den anderen Weg und läßt diejenigen die Banken retten, deren Geld dem Wert der von ihnen hervorgebrachten Waren und Dienstleistungen entspricht, was wiederum die Verarmung befördert.

Da in der empirischen Wirklichkeit nichts bis ins Unendliche fortgesetzt werden kann, muß das finanzkapitalistische System irgendwann in sich zusammenbrechen, denn weder läßt sich das Geld grenzenlos entwerten, noch vermag der Mensch ohne materielle Grundlage zu existieren. Das Bankengeschäft verzehrt am Ende die Grundlage, auf der es beruht. Diesem – im Zinswesen verwurzelten – Grundwiderspruch (vgl. dazu die Anm. unter diesem Artikel) wird man nur entkommen, wenn an die Stelle der Gewinne der Banken eine Aufwandsentschädigung tritt. So werden sie dann unbegrenzt existieren können, freilich nicht als herrschende Gruppierung, sondern eingefügt in ein gesellschaftliches Ganzes, dem sie dienen.

 

1 Kommentar zu „Noch einmal Finanzkapitalismus“

  • virOblationis:

    Im Text heißt es im zweiten Absatz: „…wessen Interessen die politische Klasse vertritt: die der Banken, repräsentiert durch die Zentralbank…“ Wenn damit die herrschende Gruppierung innerhalb des dritten Standes bezeichnet wird, dann wäre folgende Formulierung noch präziser: „…wessen Interessen die politische Klasse vertritt: die der (Groß-)Banken, die einer Zentralbank zugeordnet sind, hier: der EZB,…“
    Dazu ein Gedanke: Müßten nicht im Zeichen des Finanzkapitalismus um eine Zentralbank versammelte Groß-Banken mit anderen gleichartigen Verbindungen in ein Konkurrenzverhältnis treten, also die EZB-Gruppe mit derjenigen der FED?

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