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Vor der Wahl

von virOblationis

Einigermaßen erstaunt hörte ich am vergangenen Freitag im Rundfunk, daß Kanzlerin Merkel, die in Rußland zusammen mit Präsident Putin eine Ausstellung über die Bronzezeit eröffnen wollte, diesen gemeinsamen Auftritt absagte, weil ihr das Grußwort gestrichen worden war, in dem sie auf die deutsche Sicht in der Frage der Beutekunst hatte hinweisen wollen. – Gibt es plötzlich so etwas wie eine Vertretung nationaler Interessen durch die bundesdeutsche Politik? Das wäre doch allzu erstaunlich.

Schließlich setzte sich Merkel sogar durch und trug ihr Grußwort zur Beutekunstfrage vor. – Da es Merkel, wie ich vermute, letztlich immer nur um Merkel geht, wird sie nicht plötzlich ihr Herz für nationale Interessen entdeckt haben. So heißt es bei ihr ja noch immer, daß in der Not nicht etwa die Deutschen zusammenstehen, sondern „die Menschen in Deutschland“, was ja gerade nicht der Fall war. Da argwöhnt der kritische Zeitgenosse doch, daß Merkel – wenn schon ihre Partei sich nicht mehr großartig von anderen im Bundestag unterscheidet – etwas bieten will, um Wählern einen Anstoß zu geben, ihr – durch ein Votum für die CDU – die Stimme bei der Bundestagswahl im Herbst zu geben.

Der Argwohn wird noch verstärkt, wenn plötzlich nicht wie geplant das neue Kapitel in den Beitrittsverhandlungen mit der Türkei eröffnet wird: Deutschland und die Niederlande (später auch Österreich) stimmten dagegen. Wegen der wütenden verbalen Attacken aus Ankara wurde sogar der türkische Botschafter einbestellt. Sollte sich Deutschland nun endlich einmal konsequent zeigen? Natürlich nicht: Es folgte ein Kompromißvorschlag des Außenministeriums: Nun soll die Eröffnung des für diese Woche geplanten neuen Kapitels in den Beitrittsverhandlungen stattfinden, nachdem der neue „Fortschrittsbericht“ vorgelegt worden sein wird, also im Herbst – nach den Bundestagswahlen am 22. September.

 

 

1 Kommentar zu „Vor der Wahl“

  • Konservativer:

    „Die anthropologische Vorordnung der Machtebene vermittelt ihr bekanntlich ein fest verankertes Lügenprivileg, das zum evolutionären Bestand der Herrschaftsfunktion gehört. Seit Platon gibt es das Vorrecht der Dauerlüge zum elitären Machterhalt, das den daran zweifelnden Bürger als behandlungsbedürftigen Verirrten ausweist.

    „Es scheint, daß unsere Herrscher allerlei Täuschungen und Betrug werden anwenden müssen zum Nutzen der Beherrschten.
    Und wir sagen ja, alles dergleichen sei nur nach Art der Arznei nützlich“ (Jörn Müller, Lüge und Wahrhaftigkeit, 40 in: J. Müller / H.G Nissing (Hrsg.), Die Lüge – Darmstadt 2007).

    Was zum Nutzen der Macht und Schaden der Masse gereicht, ist nicht als Lüge, sondern als notwendiges Heilmittel zu betrachten, zu dessen Einnahme das Volk in der Regel „keine Alternative“ hat.“
    (Hans-Peter Raddatz, „Erbsünde der Moderne – Teil 2: Pathologien schuldtechnischer Machtevolution“)

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