Die Entstehung der Neuen Linken 2: Roosevelts Propaganda
von virOblationis
Der Sozialismus ist bekannt für das gewaltige Ausmaß seiner Propaganda, dessen tiefster Grund möglicherweise darin besteht, daß sie beständig der widerstrebenden Wirklichkeit als Korrektur auferlegt werden soll. Auch für Franklin D. Roosevelts New Deal als Abkömmling des Sozialismus wurde eifrig Propaganda betrieben. Roosevelt setzte letztlich eine Ideologie mit Anspruch auf Weltherrschaft bzw. Befreiung aller Welt zu einem Leben nach us-amerikanischem Modell an die Stelle des älteren US-Liberalismus, der seine imperialistischen Ambitionen in der Zeit vor dem 1. Weltkrieg lediglich mit dem in der Monroe-Doktrin (1823) zum Ausdruck gebrachten Anspruch auf den amerikanischen Doppelkontinent zu rechtfertigen wußte, den auszuweiten der Friedensnobelpreisträger von 1906, Theodore Roosevelt, bereits bestrebt war.
Theodore Roosevelts Zusatz, Corollary, zur Monroe-Doktrin (1904) bezeichnete den Einsatz des US-Militärs als Ausübung internationaler Polizeigewalt, „exercise of an international police power“, gegenüber in Unordnung geratenen Staaten, was sich auf den amerikanischen Doppelkontinent bezog, dem aber bereits ein „elsewhere“, anderswo, hinzufügt wurde, das sich nur auf den USA vergleichbare, zivilisierte Nationen zu beziehen schien, doch ebenso auf die USA selbst gedeutet werden konnte, die damit den von ihnen für Interventionen beanspruchten Raum über den gesamten Erdball auszuweiten vermochten: „Chronic wrongdoing…, may in America, as elsewhere, ultimately require intervention by some civilized nation…to the exercise of an international police power.“ Fortgesetztes Unrechttun…, sei es in Amerika oder anderswo, verlangt ultimativ nach Intervention durch (irgend)eine zivilisierte Nation, …zur Ausübung einer internationalen Polizeigewalt.
Präsident Wilson* von den US-Demokraten führte sein Land nicht nur in den 1. Weltkrieg, um den alliierten Gläubigern der USA den Sieg zu bescheren und zugleich einen Schuldigen zu liefern, der für deren Schulden aufzukommen hatte, sondern er verstand es auch, die Teilnahme der USA am 1. Weltkrieg ideologisch in neuer Weise zu überhöhen: Man kämpfte nicht nur gegen die Deutschen samt Österreichern als Wiederverkörperung der Hunnen, wie es sonst hieß, sondern für das Selbstbestimmungsrecht der Völker und die Freiheit der Meere. Dazu veröffentlichte Wilson im Rahmen einer Rede vor dem US-Kongreß einen vierzehn Punkte umfassenden Plan (8. Januar 1918), auf den der liberal gesinnte Teil Deutschlands seine Hoffnung auf faire Behandlung durch die Siegermächte gründete, obwohl Wilson darin bereits von einem Frankreich angetanen Unrecht („wrong done“) sprach durch die Abtrennung [des überwiegend deutschsprachigen] Elsaß-Lothringen, was den Weltfrieden seit 1871 erschüttert habe („unsettled the peace of the world“), weshalb der vorherige Zustand wiederherzustellen sei, um den Frieden zu sichern im Interesse aller [Nationen].** Dies deutet schon darauf hin, daß das Selbstbestimmungsrecht der Völker konsequent im Sinne der Sieger zurechtgebogen werden sollte, und was dabei als Ergebnis herauskam, würde mit dem wiederhergestellten Weltfrieden identifiziert und damit für nicht hinterfragbar erklärt werden.
* Woodrow Wilson; 1913 – 1921; Friedensnobelpreis 1919
** Punkt 8 – Der sozialistisch gesinnte Teil Deutschlands setzte gleichzeitig auf einen Umsturz nach russischem Vorbild. So blieb nur wenig Hoffnung für die deutschen Konservativen zwischen Liberalen und Sozialisten.
Im letzten seiner vierzehn Punkte erwähnt Wilson „a general association of nations“, einen allgemeinen Verein von Nationen, was auf die Gründung des Völkerbundes, League of Nations, (1919) abzielte. Kombiniert mit vollkommener Freiheit der Seeschiffahrt in [Zeiten des] Frieden[s] wie [des] Krieg[es] in Punkt 2, „absolut freedom of navigation upon the seas…, alike in peace and war“, ergab sich – unter Berücksichtigung des Selbstbestimmungsrechtes der Völker (abgesehen von Deutschland samt Österreich und einigen weiteren, übergangenen Nationen) – die frühe Form einer Weltordnung nach us-amerikanischem Konzept; dabei dachte Wilson freilich noch nicht daran, daß allein die USA die Ordnung des Weltfriedens durchzusetzen hätten. – So leisteten Theodore Roosevelt und Woodrow Wilson die Vorarbeiten, auf denen Franklin Delano Roosevelt aufbauen konnte, dessen Propagandamaschinerie die neue Ideologie dann verbreitete.
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Der ältere Liberalismus ging davon aus, daß es lauter gleiche Wähler gibt, deren Mehrheitswille vom Parlament in Gesetzesform gebracht und von der Regierung ausgeführt wird. Der Bolschewismus hingegen glaubte sich im Besitz der Wahrheit und sah sich deshalb geradezu beauftragt, die Menschen nicht nur danach zu regieren, sondern sie durch Propaganda aufzuklären und zu formen. – Franklin D. Roosevelt wandte sich immer wieder in Rundfunkansprachen an die Nation, um den Hörern in einfacher Sprache seine Pläne darzulegen; dies war neu und ungewohnt. Roosevelt sprach sehr einfühlsam; seine Reden wurden von besonders befähigten Mitarbeitern wie dem Dramatiker Robert E. Sherwood* verfaßt. Einen wichtigen Beitrag zum Erfolg der Roosevelt‘schen Rundfunkansprachen leistete aber auch die bis 1936 durch Elmo Roper, Archibald Crossley und George Gallup** entwickelte Technik der Meinungsumfrage. Sie trug dazu bei, daß der gar nicht volkstümliche Roosevelt in seinen über den Rundfunk verbreiteten „fireside chats“, den Kamingespächen bzw. -monologen, als ein Jedermann zu erscheinen vermochte. Hinzu kam eine neue Form von Pressekonferenzen in hoher Anzahl: Neben denen des Präsidenten gab es nämlich nun auch solche der First Lady, und zwar für Reporterinnen, wöchentlich! Außerdem erschien ab 1935 Eleanor Roosevelts Zeitungskolumne „My Day“, Mein Tag, die sie bis in ihr Todesjahr 1962 fortsetzte, und in denen neben den Frauen ins Besondere die Afro-Amerikaner angesprochen wurden.
* geb. 1896, gest. 1955
** geb. 1900, gest. 1971 / geb. 1896, gest. 1985 / geb. 1901, gest. 1984 – 1936 wurde Roosevelts haushoher Wahlsieg zutreffend vorhergesagt. – Crossley blieb auch nach der Blamage von 1948 (Ankündigung einer Niederlage Trumans) der Wahlprognose treu, während sich Gallup schon während der vierziger Jahre in Hollywood mit dem Erfolg von Spielfilmen befaßt und Roper für das OSS gearbeitet hatte; an der Fehlprognose von 1948 waren aber alle drei beteiligt.
All dies trug dazu bei, Franklin D. Roosevelt nicht nur volksnah zu präsentieren, sondern auch die Massenmedien auf seine Seite zu bringen. Roosevelt arbeitete als Propagandist nicht wie Stalin mit dem Holzhammer, doch tat dies der Effektivität keinen Abbruch; im Gegenteil, denn Roosevelts Hörer meinten, ihre eigenen Gedanken in den Worten ihres Präsidenten wiederzufinden. Hinzu kam, daß Roosevelt keine in sich geschlossene Lehre vortrug, was einerseits als Schwäche ausgelegt werden konnte, ihn andererseits aber in die Lage versetzte, sich bei Rückschlägen einer veränderten Lage anzupassen, was ihn als eben nicht unfehlbaren Menschen noch populärer zu machen vermochte.
Der Schriftsteller John Steinbeck*, der seit 1935 einige Bekanntheit erlangt hatte, unterstützte mit seinen Erzählungen den New Deal. 1939 veröffentlichte er „The Grapes of Wrath (1939; dtsch. Die Früchte des Zorns, 1940)“, und die positive Schilderung der kalifornischen Auffanglager der FSA** für zu Wanderarbeitern heruntergekommene Bauern in diesem Roman lobte Eleanor Roosevelt 1940 öffentlich, womit sie wiederum Steinbeck vor der Kritik von Seiten der Großgrundbesitzer schützte und ihm zu weiterer Anerkennung verhalf; so erhielt er 1940 den Pulitzer Prize für Romane. – Schon 1939 hatte ein Briefwechsel zwischen John Steinbeck und Franklin D. Roosevelt begonnen, der Steinbecks Befähigung als Propagandist des New Deal erkannt hatte. Steinbeck hielt sich zu jener Zeit in Mexiko auf und bot seine Dienste als Spion für die USA an; 1940 warnte er den Präsidenten brieflich vor Nazi-Saboteuren, die in Mexiko am Werke seien.
* geb. 1902, gest. 1968; 1962 Literaturnobelpreis
** Farm Security Administration, Behörde zur [Existenz]absicherung der Land[bevölkerung]
In die USA zurückgekehrt arbeitete Steinbeck, der in der Sowjetunion als „progressiver“ Schriftsteller anerkannt wurde, während des Krieges – zusammen mit den Dramatikern Robert E. Sherwood und Thornton Wilder* – für den 1941 gegründeten Foreign Information Service, den Auslands-Informationsdienst,** und verfaßte dazu auch eine Erzählung, die hauptsächlich aus Dialogen besteht und daher häufig auf der Bühne gespielt worden ist, „The Moon is down (1942; dtsch. Der Mond ging unter, [Zürich] 1943)“, das den Kampf der nicht genannten [norwegischen] Bevölkerung gegen die ebenso wenig genannten [deutschen] Besatzer imaginiert, wofür Steinbeck das Friedenskreuz des norwegischen Königs Haakon VII.*** erhielt. – Nach dem Kriege untersagten die US-Amerikaner die Aufführung von „Der Mond ging unter“ in ihrer Besatzungszone aus Sorge um die eventuell noch fehlende demokratische Reife der deutschen Theatergänger, welche sie dazu hätte veranlassen können, die Besatzer mit den US-Amerikanern in Deutschland zu identifizieren; außerdem hatte Steinbeck während der ersten Jahre des Kalten Krieges, die später als McCarthy-Aera bezeichnet wurden, vorübergehend an Beliebtheit verloren, da er in der UdSSR als Schriftsteller geschätzt wurde und als Reporter 1947 (nach 1937) eine (weitere) Reise dorthin unternahm. Erst 1950 fand die deutsche Uraufführung von „Der Mond ging unter“ statt.
* geb. 1897, gest. 1975
** Der FIS ging im OSS, Office of Strategic Services, dem Bureau für strategische Dienste, auf (1942).
*** 1905 – 1957
Der Hollywood-Regisseur John Ford* verfilmte Steinbecks „Grapes of Wrath“ bereits 1940 und erhielt im folgenden Jahr einen Oscar-Filmpreis dafür. Später war Ford für das OSS, Office of Strategic Services, das 1942 gegründete Bureau für strategische Dienste, tätig; für seine Dokumentarfilmarbeit während des 2. Weltkrieges im Auftrag des OSS erhielt Ford dadurch noch zwei weitere Oscars (1943/1944) neben den vier als Regisseur von Spielfilmen (1936/1953).
* eigentl. John Feeney; geb. 1894, gest. 1973
Woody Guthrie* verfaßte ein Lied über den Protagonisten aus Steinbecks „Grapes of Wrath“. – Woody Guthrie und Pete Seeger** gehörten zu den populären Musikern, die sich als Kommunisten verstanden, obwohl sie dem Typus des Bolschewisten überhaupt nicht entsprachen, sondern schon auf den der Neuen Linken vorauswiesen. 1940 gründeten Guthrie und Seeger die Folk-Band „The Almanac Singers“, Die Kalender-Sänger, die so lange für den Isolationismus eintrat, wie die Sowjetunion mit Deutschland verbündet war (1939 – 1941); nach dem Beginn des Krieges zwischen beiden ergriffen die Kalender-Sänger Partei für den Interventionismus Roosevelts.
* geb. 1912, gest. 1967
** geb. 1919, gest. 2014
Guthrie schrieb 1940 den song „This land is your land“, Dies Land ist dein Land, der sehr volkstümlich wurde. Seeger ließ sich von Guthries Art zu komponieren inspirieren und schrieb daraufhin ebenfalls Lieder zum Mitsingen. Während der Jahre des Kalten Krieges wurde Seeger von den meisten Medien in den USA boykottiert und mußte ein Jahr lang in Haft zubringen wegen Mißachtung des US-Kongresses. Aus seinen Sympathien für den real existierenden Sozialismus machte Seeger keinen Hehl; 1967 trat er in Ost-Berlin auf. Doch er nahm 1969 auch an der Gründung von „Clearwater“, Sauberes Wasser, einer frühen Umweltschutz-Organisation teil, engagierte sich mit seinen Liedern gegen den Vietnam-Krieg der USA* und sang für die schwarze Bürgerrechtsbewegung.
* 1964 – 1973
Im Wahlkampf 1948 unterstützte Pete Seeger Trumans Gegenkandidaten Henry Agard Wallace*, der während Roosevelts dritter Amtszeit dessen Vize-Präsident gewesen war: Roosevelt ließ während des 2. Weltkriegs Ängste vor einer Unterwanderung der USA durch Nazi-Agenten schüren. Die Übertragung der Propaganda Roosevelts in das protestantische US-Milieu, bei der Hitler wahlweise die Rolle des Antichrists oder des Satans erhielt, besorgte vor allem der Vegetarier und Anhänger der us-amerikanischen Theosophie Wallace, erst Roosevelts Landwirtschafts-, dann Wirtschaftsminister und Vizepräsident**. Wallace verklärte den Interventionismus zum Krieg Gottes gegen alles Böse in der Welt; z.B. während einer Rede in New York 1942 bezeichnete er Hitler wiederholt als Satan. – Es gab verschiedenste Nazi-Verschwörungstheorien, die von Welteroberungsplänen sprachen, die Deutschland schon immer gehegt hätte, z.B. seit 378 n. Chr., der für die Westgoten (als Deutsche?) siegreichen Schlacht gegen die Römer bei Adrianopel, dem heutigen Edirne. Roosevelt hieß solche Hirngespinste gut, und nach ihm taten Truman und General Eisenhower, der spätere Präsident***, dasselbe.
* geb. 1888, gest. 1965
** 1933 – 1940 / 1940 – 1946 / 1940 – 1944
*** 1953 – 1961
Die Angst in den USA vor Nazi-Saboteuren wurde während des Krieges allgegenwärtig. Sogar nach der Kapitulation Deutschlands wirkte sie noch fort; es sei dazu auf den Film „The Stranger (1946; dtsch. Die Spur des Fremden)“ verwiesen mit Orson Welles*, der als Regisseur zugleich einen in den USA untergetauchten Nazi spielte, den Erfinder der in den Konzentrationslagern zum Massenmord genutzten Gaskammern, Franz Kindler; interessanter Weise werden diese im hineingeschnittenen Dokumentarmaterial als Gefängnistrakt mit Türen von lauter einzelnen Zellen gezeigt (Min. 57 – 59), insofern vergleichbar der in den USA seit der zwanziger Jahren zur individuellen Hinrichtung gebräuchlichen „gas chamber“. – Der später als Darsteller von Privatdetektiven bekannt gewordene Schauspieler Humphrey Bogart** wirkte zuvor in Propagandastreifen als Hauptdarsteller mit, abgesehen u.a. von der Kriegs-Schnulze „Casablanca (1942)“ sind vor allem „Black Legion (1937; dtsch. Geheimbund Schwarze Legion)“ und „All through the Night (1941; dtsch. Agenten der Nacht)“ zu nennen. In dem älteren der beiden letzteren Streifen stellt Bogart einen Arbeiter dar, der sich durch fremdenfeindliche Propaganda zu dem Irrglauben verleiten läßt, durch ungebremste Einwanderung würden us-amerikanischen Werktätigen Arbeitsplätze genommen, so daß er einem terroristischen Geheimbund beitritt, und in „All through the Night“ spürt Bogart eine Gruppe von Nazi-Saboteuren auf.
* geb. 1915, gest. 1985
** geb. 1899, gest. 1957
*
Zu der ab 1937 von Roosevelt verkündeten Neuen Weltordnung paßte der Isolationismus nicht, da dieser seine Übergriffe auf andere Staaten nur im Bereich des amerikanischen Doppelkontinents durchführte. Mit dem Beginn der Errichtung der Neuen Weltordnung ab 1939, war also zugleich der unbeschränkte Interventionismus zu propagieren. Diese Aufgabe wurde vor allem dem als Dichter eher unbedeutenden Archibald MacLeish* übertragen. Er hatte zuvor den vor allem mit Photos der FSA, Farm Security Administration, der Behörde zur [Existenz]absicherung der Land[bevölkerung], ausgestatteten Bildband „Land of the Free (1938)“ mit pathetischem Text versehen und wurde nun von Roosevelt zum Leiter der Kongreßbibliothek erhoben; dieses Amt hatte MacLeish von 1939 bis 1944 inne. Hinzu kam die Stellung als Direktor einer Propaganda-Abteilung des Kriegsministeriums, des Office of Facts and Figures, des Bureaus der Fakten und Zahlen,** und als stellvertretender Direktor des Office of War Information, des Bureaus für Kriegsinformation***. 1944 begab sich MacLeish nach London, um an der in Großbritannien von 1942 bis 1945 tätigen Konferenz der alliierten Erziehungsminister, Conference of Allied Ministers of Education (CAME), teilzunehmen, durch die die Gründung der UNESCO – im Rahmen der seit 1945 bestehenden UNO – vorbereitet wurde; sie erfolgte 1946.
* geb. 1892, gest. 1982
** 1941 – 1944
*** 1942 – 1944
Emigrierte europäische wie us-amerikanische Intellektuelle unterstützten Roosevelts Interventionismus. 1940 bildete eine Auslese von ihnen das Committee on Europe, an dessen Spitze Thomas Manns* Schwiegersohn Antonio Borgese** stand, ein 1931 als Antifaschist aus Italien emigierter Literaturwissenschaftler. Das Committee on Europe, Komitee für Europa, verabschiedete ein Manifest unter dem Titel „The City of Man. A Declaration on World Democracy“, Die Stadt des Menschen. Eine Deklaration zur Welt-Demokratie [nach us-amerikanischem Vorbild]; zu den Mitgliedern des Komitees gehörte auch Thomas Mann selbst.
* geb. 1875, gest. 1955; Literaturnobelpreis 1929
** geb. 1882, gest. 1952
In bezug auf den Hauptgegner der Neuen Weltordnung brauchte Roosevelt lediglich an die seit dem 1. Weltkrieg geläufige Gleichsetzung der Deutschen mit den Hunnen* und die durch Woodrow Wilson diagnostizierte, fast fünfzig Jahre währende Erschütterung des Weltfriedens durch Deutschland (1871 – 1918) anzuknüpfen; danach hatten die USA also schon ab 1917 dem Weltfrieden und damit dem guten Teil der Menschheit bzw. den allein Menschlichen zum Sieg verholfen.
* Die Bildabenteur von Prince Valiant erschienen ab Februar 1937 wöchentlich in verschiedenen us-amerikanischen Zeitungen des Verlegers William Randolph Hearst (geb. 1863, gest. 1951). Bald wurde Prince Valiant auf eine Europareise geschickt, auf der er von Mai 1939 bis Mai 1940 in den Alpen siegreich gegen die Hunnen kämpfte.
Über die Deutschen und das von ihnen über die Welt verbreitete Böse existierten verschiedenste Theorien. So meinte John Dewey*, gewissermaßen US-Nationalphilosoph der Zeit zwischen der Mitte des 19. und der Mitte des 20. Jahrhunderts, in seinem auf drei Vorlesungen beruhenden, vom Niveau her allerdings nur als pseudowissenschaftlich zu bezeichnenden** Buch „German Philosophy and German Politics (1915)“ aufzeigen zu können, daß in Kant (und Luther) die Wurzel des deutschen Übels zu entdecken sei, nämlich eines inhaltlich nicht bestimmten Innenlebens, das sich – dem beliebig mit Inhalt zu füllenden kategorischen Imperativ gehorchend – in Gestalt des Glaubens an seine göttliche Sendung, ja Göttlichkeit, erfolgreich in der Außenwelt verwirklicht, [statt philosophisch den umgekehrten Weg des angelsächsischen Pragmatikers vom empirischen Objekt zu dem von daher verstandenen Subjekt zu beschreiten,] und dieses Buch erschien 1942 erneut, nun um eine Einleitung mit Bezug auf Hitler erweitert, der wiederum die durch Kants Spaltung von Innen- und Außenwelt bewirkte Schwäche Deutschlands erkannt und zu überwinden gesucht habe.*** – Auf deutsch erschien Deweys Machwerk unter dem Titel „Deutsche Philosophie und deutsche Politik“ im Jahre 2000, herausgegeben von Axel Honneth****, seit 2001 Leiter des Frankfurter „Instituts für Sozialforschung“. Was Dewey Kant als Philosophie zuschreibt, ist die aus der antiken Philosophie hervorgegangene und in den verschiedensten philosphischen Lehren (bis in die „Dialektik der Aufklärung“) wiederzufindende Auffassung, die Notwendigkeit herrsche in der äußeren Natur, so daß z.B. Tiere ihren Trieben zu folgen haben, während dem menschlichen Geist auf Grund der Vernunft Freiheit gegeben ist; dies mit der deutschen Philosophie im allgemeinen und mit Kant im besonderen zu identifizieren, zeugt von einer geradezu ungeheuren Ignoranz.
* geb. 1859, gest. 1952
** So werden zur Begründung einerseits bloße Behauptungen angeführt und andererseits Zitate, die einer Überprüfung nicht standhalten.
*** „The One-World of Hitler‘s National socialism“
**** geb. 1949
Während sich Deutschland also vor 1933 als wiedererstandene hunnische Nation entpuppt hatte, wurden Gegner der USA nach dem 2. Weltkrieg wiederum mit Deutschen bzw. Nazis identifiziert, weshalb deren Führungspersönlichkeiten, z.B. Saddam Hussein*, als Re-Incarnationen Hitlers erscheinen. So verkündete der US-Außenminister am 1. September 2013, Syriens Präsident „Assad** has now joined Hitler and Hussein“, Assad hat sich nun Hitler und [Saddam] Hussein angeschlossen, d.h. als deren Wiedergänger offenbart, m.a.W. nun müsse man ihn bekriegen, denn Hitlers Taten kulminierten in dem geschichtlich einzigartigen Holocaust, und die Bekämpfung seiner Re-Incarnationen verhindert somit letztlich die Wiederkehr des Holcaust: Es wird immer dasselbe gedankliche Muster gestrickt.
* geb. 1937, gest. 2006 – Der Amtsvorgänger Präsident Husseins (1979 – 2003) hatte 1972 die Erdölindustrie des Landes verstaatlicht, doch die us-amerikanische Reaktion darauf ließ auf sich warten, zuerst wohl wegen der us-amerikanischen Niederlage im Vietnam-Krieg (1964 – 1973), anschließend wegen der Gegnerschaft zum Iran, dessen äußeres Zeichen die Besetzung der us-amerikanischen Botschaft bildete (1979 – 1981), während sich der Iraq auf die Seite des Westens stellte und Krieg mit dem Iran führte (1980 – 1988). Danach aber unterwarfen die USA den Iraq in zwei Kriegen (1991 und 2003).
** Baschar al-Assad; geb. 1965
Die Kehrseite der Verschwörungstheorien bildeten die us-amerikanischen Rachephantasien. Besonders populär war Louis Nizers*, „What to do with with Germany (1944)“, verbreitet auch Theodore N. Kaufmans** „Germany must perish (1941)“, der Traktat eines Pazifisten, der eine Sterilisierung aller männlichen Deutschen und ihre Zerstreuung unter die Nachbarvölker forderte. Das englische Pendant solcher Haßpamphlete lieferte Lord Vansittart***. – Angemerkt sei, daß Nizers Auslassungen Eingang fanden in die Direktiven zur Re-education der Nachkommen des Brudermörders „Cain“****.
* geb. 1902, gest. 1994
** Theodore N.[ewman] Kaufman; geb. 1910, gest. 1986
*** Robert Vansittart, Baron Vansittart; geb. 1881, gest. 1957; geadelt 1941
**** der älteste Sohn Adams
Henry Morgenthau Jr.*, Sohn einer wohlhabenden jüdisch-us-amerikanischen Familie New Yorks, war ein Freund Roosevelts und diente als dessen Finanzminister von 1934 bis 1945. Morgenthau entwickelte zusammen mit Harry Dexter White**, einem aus jüdisch-litauischer Familie stammenden und wahrscheinlich als Agent für die UdSSR tätigen Mitarbeiter des US-Finanzministeriums, den sog. Morgenthau-Plan in bezug auf Nachkriegs-Deutschland. – Stalin hatte sich für eine Deindustrialisierung Deutschlands ausgesprochen; er wollte damit wohl ein Machtvakuum im Zentrum Europas schaffen, das seine Herrschaft über Osteuropa sowie das östliche Mitteleuropa nicht zu behindern vermochte. Roosevelt hingegen dachte an die Teilung Deutschlands in einen Nord- und einen Südstaat. Der Morgenthau-Plan suchte beides in Übereinstimmung zu bringen; dabei stand die Deindustrialisierung des Landes im Vordergrund. Ferner sollten einige Gebietsabtrennungen vorgenommen werden. Durch die Teilung sollten zwei deutsche Staaten mit föderalem System und schwacher Zentralregierung geschaffen werden. Eine Bodenreform würde die bisherigen Besitzverhältnisse aufheben; hinzu käme die Abstrafung der Kriegsverbrecher. Dann könnten die Besatzungstruppen wieder abgezogen werden, da Deutschland mittels internationaler Isolierung ökonomisch fortdauernd schwach bliebe und weil Kultur, Medien und Bildung auch weiterhin unter der Aufsicht der Sieger stehen sollten. – Anzumerken bleibt, daß um einer wirtschaftlichen und damit militärischen Schwächung Deutschlands willen eine Aneignung all seiner Patente samt Deportation der Wissenschaftler moralisch geradezu geboten schien.
* geb. 1891, gest. 1967
** geb. 1892, gest. 1948
Roosevelt befürwortete den nach seinem Minister Morgenthau benannten Plan, nachdem er ihn im Sommer 1944 kennengelernt hatte, und er bekräftigte, daß die Deutschen auf den niedrigsten Lebensstandard Europas gebracht werden sollten. Noch im Sommer stimmte auch Großbritanniens Premierminister Churchill* dem Morgenthau-Plan zu. Dieser gelangte durch eine Indiskretion jedoch an die Öffentlichkeit, und nun bestritt Roosevelt die Existenz des Planes, weil er fürchtete, dessen Radikalität könne ihm in den anstehenden Präsidentschaftswahlen (November 1944) schaden. Nachdem er diese aber gewonnen und im Januar 1945 eine vierte Amtszeit angetreten hatte, gab Roosevelt seine Zustimmung zur Veröffentlichung des vom US-Finanzminister selbst zu seinem Plan verfaßten Buches „Germany is our problem (1945)“. – Roosevelt blieb den Vorstellungen des Morgenthau-Planes eines geteilten und deindustrialisierten Nachkriegs-Deutschland treu, ebenso seiner Vision der UN, und in Jalta (Februar 1945) einigte er sich mit Stalin über die Bedingungen einer Mitgliedschaft der UdSSR in den Vereinten Nationen, wodurch Roosevelt die endgültige Weichenstellung zur Schaffung der UNO gelang.
* Sir Winston Churchill; geb. 1874, gest. 1965; geadelt 1953; Literaturnobelpreis 1953; Premierminister 1940 – 1945
Roosevelt starb am 12. April 1945, kurz vor Kriegsende. – Bei der Potsdamer Konferenz im Sommer 1945 saß Truman als sein Stellvertreter und Nachfolger Stalin gegenüber. Dabei wurde Deutschland nicht gemäß dem Morgenthau-Plan in zwei Staaten aufgeteilt, sondern in drei Besatzungszonen, für deren Angelegenheiten die jeweilige Siegermacht zuständig sein sollte. Die für alle drei Zonen bzw. den gesamten Rest Deutschlands vorgesehenen Richtlinien aber entsprachen weitgehend dem Morgenthau-Plan. Allerdings trat Gesamtdeutschland spätestens mit Beginn des Kalten Krieges 1947 in den Hintergrund, denn nun stand die Ausrichtung jeder deutschen Zone an der Politik der jeweiligen Besatzungsmacht im Vordergrund, wobei die drei Westmächte, USA, GB und das nachträglich hinzugekommene Frankreich, zusammenarbeiteten; so stand deren Trizone – ohne das von Frankreich (bis 1956) abgetrennnte Saarland – der Ostzone, dem Gebiet der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) westlich der Oder-Neiße-Linie, gegenüber. Aus der Trizone ging die BRD hervor, aus der Ostzone die DDR (1949).
*
Die während der Kriegsjahre in den USA gedrehten Filme über Nazi-Spione und -Saboteure sind Legion. Sogar Stan Laurel und Oliver Hardy* wurden auf die Jagd geschickt.** – Die so überaus verbreitete Angst vor Nazi-Saboteuren in den USA hatte eine bis ins Jahr 1933 zurückreichende Vorgeschichte.
* eigentl. Arthur Stanley Jefferson; geb. 1890, gest. 1965 / eigentl. Norvell Hardy Jr.; geb. 1892, gest. 1957
** „Air Raid Wardens (USA 1943; dtsch. Dick & Doof: Schrecken aller Spione)“
1933 hatte der – in dem zu jener Zeit noch zum Zarenreich gehörigen Litauen geborene – jüdisch-us-amerikanische Kongreßabgeordnete Samuel Dickstein* als Vorsitzender des Einwanderungs- und Einbürgerungskomitees aus eigenem Antrieb Untersuchungen über die Verbreitung faschistischer Propaganda in den USA vorgenommen. 1934 präsentierte er seinen Bericht, auf den hin ein Committee on Un-American Activities, ein Komitee [des Repräsentantenhauses] für un-amerikanische Umtriebe, ins Leben gerufen wurde.
* geb. 1885, gest. 1954
Das House Committee on Un-American Activities, das Komitee des [Repräsentanten]hauses für un-amerikanische Umtriebe, das seine Untersuchungen seit 1945 als ständiges Gremium durchführte, war mit seiner Arbeit in den frühen Nachkriegsjahren eigentlich schon an ein natürliches Ende gelangt, doch vor allem der Prozeß gegen den Sowjetagenten Alger Hiss* 1949 bis 1950, den das Komitee im Jahr zuvor selbst vernommen hatte, bescherte ihm ein neues Arbeitsfeld: Nun galt es, die während der Aera Roosevelts vor sich gegangene sowjetische Unterwanderung zu ergründen. Auftrieb erhielt diese Bestrebung durch die Zündung der ersten sowjetischen Atombombe 1949, die indirekt von der us-amerikanischen Forschungstätigkeit ermöglicht worden war, denn deren Ergebnisse waren an Moskau verraten worden.
* geb. 1904, gest. 1996
Die New Deal – Protagonisten gehörten tatsächlich dem linken Spektrum der Politik an, und nicht wenige betrachteten sich als Kommunisten, wenn auch kaum im Sinne des real existierenden Sozialismus. Als deren Gegner trat ab 1950 der US-Republikaner Joseph McCarthy* auf. Er unterstellte der von US-Demokraten gestellten Truman-Regierung, (wie zu Roosevelts Zeiten) von Kommunisten unterwandert zu sein, und er warf allen, die davon auch nur wüßten, sowie allen, die sich nicht von allem politisch Linken ausdrücklich distanzierten, guilt by association, Schuld durch Teilhabe, vor.
* geb. 1908, gest. 1957
McCarthy wurde nach der von General Eisenhower* 1952 gewonnenen Präsidentschaftswahl im folgenden Jahr zum Vorsitzenden des zur Überwachung der Regierungsarbeit dienenden Government Operations Committee, eines Senatsausschusses, ernannt. Als solcher strebte McCarthy danach, die von ihm behauptete kommunistische Unterwanderung aufzuspüren und zu unterbinden; so suchte er nach Anhängern und Unterstützern der Alten Linken – und das mit unzulänglichen Mitteln, war er doch wohl mehr ein eifernder Alkoholiker und intellektuell seinem Gegner gar nicht gewachsen, der sich zudem zur Neuen Linken zu formieren begann.
* Dwight D.[avid] Eisenhower; geb. 1890, gest. 1969
Es ist auch zu fragen, ob die Bereitschaft zum Aufspüren einer kommunistischen Unterwanderung nach dem Tode Stalins (5. März 1953) und dem Ende des 1950 begonnenen Korea-Krieges (27. Juli 1953) nicht erheblich nachließ. Jedenfalls geriet McCarthy im Zuge seiner Ermittlungen 1954 in einen Konflikt mit dem US-Militär, verlor die Unterstützung Präsident Eisenhowers und mußte 1955 den Vorsitz des Senatsausschusses abgeben. So endete die später nach ihm benannte McCarthy-Aera (1949 – 1954). – Rückblickend muß man vielleicht sogar feststellen, daß die offen zur Schau getragene, abstoßende Aggressivität und die Primitivität der Anwürfe McCarthys, ja daß seine Beförderung an die Spitze der gegen den Kommunismus gerichteten Bewegung dieser eher schadete als nützte; insofern hätte McCarthy selbst dazu beigetragen, die später nach ihm benannte Aera zu einem frühen Ende zu bringen.
Später Kommentar,
aber ich fand das hier erhellend:
http://www.israelnationalnews.com/Articles/Article.aspx/14666#.UydrY85IrgE
Ist englisch.
@ JF
Das ist schon ein bemerkenswerter Artikel. Doch gibt er mehr Auskunft über jüdische Empfindlichkeiten als über Roosevelt, denke ich.
Um sich vor Augen zu führen, wie etabliert Juden in Roosevelts Staatsapparat waren, sei nicht einmal auf den Morgenthau-Plan (von Henry Morgenthau Jr. und Harry Dexter White) verwiesen, sondern auf die zentrale Rolle Felix Frankfurters für die Juristen um Roosevelt (s. Die Entstehung der Neuen Linken 1: Roosevelts New Deal).
Ausführlich geht es in dem Artikel dann um angeblich antisemitische Bemerkungen in politischen Gesprächen, zuerst mit Molotow, dann mit Stalin.
Mit Molotow wird das Erscheinungsbild der KPUSA erörtert und der große Anteil von „distinctly unsympathetic Jews“, ausgesprochen unangenehmen Juden, in dieser Partei erwähnt. – Nun wird im Artikel stillschweigend gefolgert: Vorausgesetzt, daß alle Juden gleich sind, dann sind also alle Juden ausgesprochen unangenehm.
Dazu klammert man sich an die Interpretation des Gesprächs als „Eisbrecher“ für die folgenden Verhandlungen, so als wäre dies unwiderlegbar und nicht nur eine mögliche Deutung.
Weiter: In Jalta soll Roosevelt zu Stalin gesagt haben, er überlasse den Saudis die sechs Millionen Juden der USA. – Wenn dies kein dummer Scherz ist, was soll es dann sein?
Weitere Bemerkungen Roosevelts werden nur angedeutet; der genaue Wortlaut fehlt. Es geht um polnischen Antisemitismus, an dem Juden mitschuldig gewesen sein sollen, und Verständnis für deutsche Klagen in bezug auf ein Übergewicht der Juden in manchen Berufen, [da sie doch nur einen geringen Teil der Gesamtbevölkerung ausmachten,] sowie die Erwägung, den Anteil jüdischer Studenten in Harvard zu quotieren, und die Empfehlung, Juden sollten sich nirgends auf der Welt so konzentrieren, daß sie Ökonomie und Kultur dominierten[; immerhin gab es den Staat Israel damals noch nicht]. Wenn man dies mit dem oben über die polnischen Juden Gesagten vergleicht, dann spricht daraus am ehesten die Sorge, daß ein jüdisches Übergewicht in einem nicht-jüdischen Land antisemitische Reaktionen hervorrufen könnte.
Abschließend folgt noch – nun wieder wörtlich – das schreckliche Zitat: „We have no jewish blood in our veins.“ Wir haben kein jüdisches Blut in unseren (Venen bzw.) Adern. – „Blut“ ist eine Umschreibung von Abstammung; das Judentum definiert sich über seine Herkunft. Roosevelt als Angehöriger der WASPs konnte also gar nichts anderes als das Angeführte sagen.
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