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Exzerpt von Manfred Kleine-Hartlages „Die liberale Gesellschaft und ihr Ende. Über den Selbstmord eines Systems (2013)“

von virOblationis

In meinem Exzerpt von Manfred Kleine-Hartlages „Die liberale Gesellschaft und ihr Ende. Über den Selbstmord eines Systems (2013)“ habe ich versucht, die Grundgedanken des Buches durch Zitate zusammenzufassen. Dies soll denen, die sich damit auseinandersetzen oder schon auseinandergesetzt haben, die Rezeption erleichtern und diejenigen, die es noch nicht kennen, anregen, es zu lesen.

„Man kann aber solche Gemeinschaften [wie die Nation] nicht willkürlich gründen – man kann sie höchstens willkürlich zerstören – weil sie zirkulär strukturiert sind: Ich verhalte mich solidarisch, weil ich erwarte, daß die meisten anderen Gruppenmitglieder es auch tun… Es sollte auf der Hand liegen, daß man die zirkulären Wechselwirkungen, auf denen Solidargemeinschaften basieren, nicht willkürlich erzeugen kann… Zerstört wird damit (sc. mit der Solidargemeinschaft) eine Struktur, auf deren Existenz die menschliche Gesellschaft angewiesen ist.“ II. Ideologien der Destruktion, 7. Dekonstruktivismus: Die Abschaffung der Wahrheit [S. 134f.] – kursiv im Original

„Soziale Ordnungen sind nämlich normalerweise nicht in dem Sinne ,gemacht‘, daß sie einem bewußt konzipierten Masterplan folgen würden. Sie entstehen und entwickeln sich durch unzählige soziale Wechselwirkungen über lange Zeiträume hinweg, und sie bleiben bestehen, solange sie sich bewähren und ihre Integrität bewahren, wobei sie sich durchaus an veränderte Bedingungen anpassen können.“ I. Die Selbstgefährdung der liberalen Moderne, 14. Die Verleugnung der menschlichen Natur [S. 58]

„Wir hatten [in den vorangegangenen Kapiteln] gesehen, daß der innere Friede eines Landes um so stabiler sein wird, je größer die kulturelle Homogenität innerhalb der Bevölkerung ist; daß diese Homogenität…bestimmte zentrale Vorstellungen von Gut und Böse, Recht und Unrecht, Wahr und Unwahr, Wir und Sie betreffen muß…“ III. Mechanismen und Akteure der Destruktion, 2. 5. Die Rolle von Minderheiten [S. 186]

„Ihm (sc. Bruce G. Charlton, Professor für Evolutionspsychologie und theoretische Medizin) zufolge ist abstrakte analytische Intelligenz das geeignete Mittel zur Bewältigung evolutionär neuer Probleme, während der gesunde Menschenverstand (common sense), der mehr oder minder allen Menschen, auch den Dummen, eigen ist, die bewährten Lösungen für jene Probleme menschlichen Zusammenlebens repräsentiert, die die Menschheit schon immer gehabt hat und lösen mußte.“ I. Die Selbstgefährdung der liberalen Moderne, 16. Die Dummheit der Intelligenz [S. 67] – kursiv im Original

„…alle gewachsenen Strukturen…[sind] der aufklärerischen Kritik und der revolutionären Politik der Kritiker ausgesetzt…“ I. Die Selbstgefährdung der liberalen Moderne, 8. Das Dilemma konservativer Politik [S. 43]

„Daß es Völker geben könnte, die Anspruch auf ihr Land haben, ist vom Liberalismus her buchstäblich nicht denkbar, weil die Kategorien, mit denen er die Welt beschreibt, es nicht hergeben. Wer vom Individuum her denkt, kann unter einem Volk nichts anderes verstehen als eine bloß additive Gesamtheit von Staatsbürgern.“ II. Ideologien der Destruktion, 5. Die Dialektik des Liberalismus [S. 112] – kursiv im Original

„…der Versuch, den Liberalismus als Utopie zu verwirklichen und eine Gesellschaft allein auf der Basis individueller Freiheitzu gründen, führt dann ganz von alleine die Probleme herbei, die nach autoritären, paternalistischen, etatistischen ,Lösungen‘ rufen, also nach genau jener Sorte Lösungen, die den Liberalen aus guten Gründen am meisten verhaßt ist.“ II. Ideologien der Destruktion, 5. Die Dialektik des Liberalismus [S. 118]

[Die Ideologie des Sozialismus zerstört die überlieferten Formen des Zusammenlebens ebenfalls, doch erhebt der Sozialismus auch nicht den Anspruch, die Freiheit des Individuums im liberalen Sinne zu verwirklichen.] „Wenn gerade diese Kritik (sc. die marxistische) die einzige ist, mit der der Liberalismus sich überhaupt noch ernsthaft auseinandersetzen muß, wenn er die notwendigen Kompromisse nur noch mit der Linken zu schließen braucht, dann gewinnt das liberale Projekt eine Dynamik, durch die es sich selbst zerstört…“ II. Ideologien der Destruktion, 5. Die Dialektik des Liberalismus [S. 105] – kursiv im Original

„Der Anspruch, bloß als Vollstrecker objektiver Notwendigkeiten aufzutreten, legitimierte die Herrschaft kommunistischer Parteien ebenso, wie er heute die Herrschaft global vernetzter Eliten legitimiert, innerhalb derer es über eine Reihe von grundlegenden ideologischen Annahmen praktisch keinen Dissens gibt.“ III. Mechanismen und Akteure der Destruktion, 1. 4. Entdifferenzierung als politisches Machtinstrument [S. 153]

„Wie schon bei der Einwanderungspolitik und dem sie vorantreibenden Kartell aus linken Strategen und Großkapital finden wir auch hier (sc. bei der Durchsetzung der Gender-Ideologie) eine Interessenkoalition zwischen Partikularinteressen eben dieses Großkapitals und den Vertretern einer sich emanzipatorisch gebärdenden Ideologie…“ III. Mechanismen und Akteure der Destruktion, 2. 6. Gender Mainstreaming [S. 195]

„[Es existiert] eine relativ kleine Schicht von Multimilliardären, von denen einige, speziell über die von ihnen kontrollierten Stiftungen, an der gesellschaftlichen Durchsetzung von Ideologien und Politiken arbeiten, die einem ungehemmten Globalkapitalismus förderlich sind.“ III. Mechanismen und Akteure der Destruktion, 2. 10. Fazit [S. 207]

„Für die Globalisten hat die ,Menschheit‘ mit den wirklichen Menschen so wenig zu tun wie für die Kommunisten die ,Arbeiterklasse‘ mit den wirklichen Arbeitern. … Indem partikulare durch globale Strukturen ersetzt werden, werden demokratische Strukturen und Verfahren entwertet…“ III. Mechanismen und Akteure der Destruktion, 2. 9. Partikularität und Demokratie [S. 203f.]

„Die Bürgerrechte werden formal nicht als solche beseitigt, sondern ihre Ausübung wird lediglich einem bestimmten Teil des Volkes bis zur Unmöglichkeit erschwert.“ III. Mechanismen und Akteure der Destruktion, 2. 2. Die Umgehung des Zensurverbots [S. 175]

„Die politische Klasse wird in ihrer Funktion als Managerin des entstehenden globalen Herrschaftssystems ein gewisses Eigengewicht behalten…“ III. Mechanismen und Akteure der Destruktion, 2. 10. Fazit [S. 207]

„Dabei (sc. bei der Zusammenarbeit von Großkapital und linker Ideologie, hier: vertreten durch die Medien) spielt es keine Rolle, daß das schreibende Fußvolk eine andere (nämlich linke) Utopie im Kopf hat als die Chefetagen und die milliardenschweren Anzeigenkunden, denen es um eine entgrenzte, alle Lebensbereiche ökonomisierende Marktwirtschaft geht…“ III. Mechanismen und Akteure der Destruktion, 2. 7. Entdemokratisierung durch Supranationalisierung [S. 199]

„Liberale wie marxistische Ideologie basieren auf einer gemeinsamen Metaideologie…“ II. Ideologien der Destruktion, 8. Fazit [S. 138]

„Politische Kräfte, die aus ideologischem Prinzip die stabilisierenden Strukturen (sc. die „durch unzählige soziale Wechselwirkungen über lange Zeiträume hinweg“ entstandenen „Ordnungen“) unter Beschuß nehmen, führen, wenn ein bestimmter point of no return einmal überschritten ist, genau jene totalitäre Repression herbei, der sie selbst am Ende zum Opfer fallen werden, sofern sie dann nicht auf der Siegerseite sind.“ I. Die Selbstgefährdung der liberalen Moderne, 6. Wie die Aufklärung den Totalitarismus hervorbringt [S. 39] – kursiv im Original

„Die totalitären – kommunistischen, faschistischen, heutzutage zunehmend auch islamischen – Gegenentwürfe zur liberalen Moderne sind nicht zuletzt Antworten auf ein von dieser selbst erzeugtes existentielles Problem. Sie sind der Versuch, einen neuen Konsens zu stiften, wo der alte zerstört worden ist.“ I. Die Selbstgefährdung der liberalen Moderne, 6. Wie die Aufklärung den Totalitarismus hervorbringt [S. 39]

„Dabei muß der Sieg [des Totalitären] keineswegs darin bestehen, daß einer der totalitären Gegenentwürfe sich durchsetzt. …[Vielmehr] haben beide auf der Aufklärung basierenden Großideologien, also nicht nur der Sozialismus, sondern auch der Liberalismus, eine immanente Tendenz, in totalitäre Herrschaft umzuschlagen. Das kann auch nicht anders sein: Indem die Aufklärung das Fundament zerstört, auf dem die Gesellschaft basiert, und dadurch deren Grundlagen zersetzt, führt sie Probleme herbei, die anders als mit repressiven, am Ende totalitären Mitteln nicht lösbar sind.“ I. Die Selbstgefährdung der liberalen Moderne, 6. Wie die Aufklärung den Totalitarismus hervorbringt [S. 40] – kursiv im Original

„Es liegt eine gewisse innere Logik darin, daß gerade herrschaftskritische Ideologien dazu neigen, in Totalitarismus umzuschlagen: Herrschaft, die auf der Basis einer herrschaftskritischen Ideologie ausgeübt wird, ist mit den Begriffen dieser ihrer eigenen Ideologie nicht als Herrschaft analysierbar.“ II. Ideologien der Destruktion, 4. Wie sich die Logik der Metaideologie in soziale Wirklichkeit übersetzt [S. 102] – kursiv im Original

„Wenn es überhaupt noch eine Rettung geben soll, so wird sie aus der Gesellschaft selbst erwachsen müssen. … Bleibt dies Rettung von unten aus, so werden wir uns zwischen den Alternativen des völligen Verfalls und der fragwürdigen ,Rettung durch die Gewalt eines totalitären Staatswesens zu entscheiden haben.“ I. Die Selbstgefährdung der liberalen Moderne, 8. Das Dilemma konservativer Politik [S. 45f.]

„Was zerstört ist und nicht von unten nachwächst, wächst überhaupt nicht nach.“ I. Die Selbstgefährdung der liberalen Moderne, 8. Das Dilemma konservativer Politik [S. 44] – kursiv im Original

 

 

3 Kommentare zu „Exzerpt von Manfred Kleine-Hartlages „Die liberale Gesellschaft und ihr Ende. Über den Selbstmord eines Systems (2013)““

  • Theosebeios:

    „Was zerstört ist und nicht von unten nachwächst, wächst überhaupt nicht nach.“
    Wenn aber der Nährboden vorhanden ist, so wird es nachwachsen. Schutz und Beharrlichkeit hegender Kräfte, die die Lage erkannt haben, werden dabei eine Rolle spielen.

    MKH ist mit diesem Werk ein großer Wurf gelungen. Man wird es auch uns „Liberalkonservativen“ als Pflichtlektüre empfehlen. Viele Passagen belegen, dass der Autor längst nicht so pessimistisch denkt, wie es der Titel suggeriert. Ein Selbstmord ist überdies ein bewusster finaler Akt, den man der „liberalen Gesellschaft“ nicht als Zweck unterstellen kann. Im Detail geht es darum, anhand zahlreicher eindrucksvoll beschriebener Beispiele die selbstzerstörerischen Tendenzen der verhandelten Ideologien (und ihrer Metaideologie) aufzuzeigen.

    An manchen Stellen, die für den Argumentationszusammenhang nicht unwichtig sind, erscheint die Darstellung überflüssig angreifbar. So wirkt es inkonsistent, wenn einerseits die Metaideologie ein „Wahrheitsmonopol“ (S. 95f.) herstellt, andererseits „die Wahrheit selbst als Begriff abzuschaffen“ (S. 129) sei, verbunden mit dem Hinweis, dies wisse die „Gesellschaft“ noch gar nicht, da es in den „Ideologiefabriken“ ausgeheckt werde. Nun, das klingt etwas reißerisch, dagegen habe ich auch gar nichts. Diese Zuspitzung zeigt freilich, dass beide Strebungen allein unter der Bedingung zusammenpassen, wenn sie nur teilweise Erfolg haben. Dann aber gibt es realiter auch kein „Wahrheitsmonopol“ und eine Abschaffung der Wahrheit durch den Dekonstruktivismus steht auch nicht befürchten. Unbestritten bleiben die fatalen Wirkungen dieser Strebungen, die aber nicht die verhandelten Ideologien selbst erzeugen, sondern Tendenzen des Geistes sind. Als Dogmatismus / Wahrheitsfanatismus vs. Agnostizismus / Skeptizismus sind sie weit in der Vergangenheit verschiedener Kulturen nachweisbar.

  • Es ist allerdings alles vorhersehbar und wurde wohl auch vorhergesehen.

    Der Plan dürfte aus dem Jahr 1763 stammen.

    1813 gab’s ’nen Rückschlag, 1913 den für uns heute entscheidenden Durchbruch.

    Wahrscheinlich sind letztes Jahr auch wieder zentrale Sachen durchgewunken worden, 250 jähriges Jubiläum und so.

  • […] R. bezieht sich auf die selektive Wirkung von Kontrollmechanismen die ‚Betrüger’, also Schmarotzer verhindern. Funktionieren diese nicht, vermehren sich die Egoisten stärker, die Gruppe wird im durchschnittlichen Genotyp mehr ‚Betrügergene’ enthalten. Andererseits, wird beim Verstärken des sozialen Drucks zu mehr Altruismus hinselektiert, was ebenso auf die Gruppenerbmasse Wirkungen zeitigt. Ein mindestens gleich wichtiger Punkt ist, daß sich für alle ‚Mitspieler’ – unabhängig von genetischen Änderungen der Gruppenfrequenz ‚frequenzabhängigem Lernen’ (!) – egoistisches Handeln für jedermann auszahlt, altruistisches nicht mehr, weil er keine Gegenleistung mehr erwarten kann. […]

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