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Der 8. Mai

von virOblationis

Was ist das für ein eigentümliches Zusammentreffen: Der Tag der Kapitulation 1945, der gewaltigsten Niederlage in der gesamten deutschen Geschichte, fällt auf den Tag eines Festes des Schutzpatrons der Deutschen.

St. Michael erscheint auf dem Monte Gargano

Der 8. Mai ist der Festtag der Erscheinungen des hl. Erzengels Michael auf dem Monte Gargano in Süditalien, die sich am Ende des 5. Jahrhunderts ereigneten; die erste davon fiel auf den 8. Mai 490. – Vom Konzilspapst Johannes XXIII. (1958 – 1963) wurde das Fest aus dem Kalender entfernt. Inzwischen ist auch der Hauptfesttag St. Michaels, der 29. September, nicht mehr frei von Abänderungen, da man die gestrichenen Festtage der hll. Erzengel Gabriel und Raphael (24. März und 24. Oktober) ebenfalls auf den 29. September gelegt hat. Offenbar versteht man kaum mehr, was geistige Mächte, die nicht mit Gott identisch sind, bedeuten sollen: „Wenn schon Engel sein müssen, dann wenigstens alle auf einmal.“

St. Michael galt als Patron des (Alten) Reiches sowie des Volkes, dessen König den Kaiser stellte. Otto I. (936 – 973; Kaiser ab 962), Otto III. (983 – 1002; Kaiser ab 996), St. Heinrich II. (1002 – 1024; Kaiser ab 1014) und Lothar von Supplinburg (1125 – 1137; Kaiser ab 1133) pilgerten zum Monte Gargano. – Das Neue Testament stellt St. Michael als militärischen Führer der himmlischen Heerscharen dar; sein hebräischer Name lautet ins Deutsche übersetzt: „Wer [ist] wie Gott!“. Michael tritt dem Bösen entgegen; dessen irdischen Repräsentanten, das „Tier“, feiert man mit dem Ausruf: „Wer [ist] dem Tier gleich!“ (Offb. 13, 4)

Sancte Michael Archangele, / Heiliger Erzengel Michael,

defende nos in praelio, / verteidige uns im Kampfe.

contra nequitiam et insidias diaboli esto praesidium. / Gegen die Bosheit und die Nachstellungen des Teufels sei unser Schutz.

Imperet illi Deus, supplices deprecamur: / Gott gebiete ihm, so bitten wir flehentlich.

tuque, princeps militiae caelestis, / Du aber, Fürst der himmlischen Heerscharen,

Satanam aliosque spiritus malignos, / stürze den Satan und die anderen bösen Geister,

qui ad perditionem animarum pervagantur in mundo, / die zum Verderben der Seelen die Welt durchziehen,

divina virtute, in infernum detrude. Amen. / mit der Kraft Gottes in die Hölle. Amen

Ist das eigentümliche Zusammentreffen der Ereignisse am 8. Mai vielleicht weniger ein Zeichen dafür, daß sich Gottes Engel, unser Patron, von uns zurückgezogen hat, als daß die Vielzahl der Deutschen sich vom christlichen Glauben abgewendet und ihr Land damit seinen Schutzpatron verloren hat?

6 Kommentare zu „Der 8. Mai“

  • Eine interessante, mystisch anmutende Betrachtung.
    Als Deutschem ist mir die christliche Religion – mit all ihren inneren Widersprüchen – selbstverständlich unvergleichlich lieber als die moslemische oder jüdische.
    Nicht nur, weil sie allein schon im Festtagskalender fast vollauf germanisch durchwirkt, sondern auch, weil sie Liebe und Vergebung in den Vordergrund stellt.
    Ob nun aber unser allgemeiner Niedergang mit der Abwendung vom christlichen Glauben zu begründen sei, eine Rückhinwendung dahin das Heilmittel, bezweifle ich aber – als Nichtabrahamit, hiemit auch Nichtchrist, zugegeben – doch erheblich.
    Aus dem Heiligen Michael wurde der Michel. Der mit der Schlafmütze.
    Meine Oma, eine fast unvorstellbar tapfere kleine Frau, hatte am 8. Mai Geburtstag, und meine Mutter, die noch lebt, sagte mir mal, dass für sie dieser Tag immer dieser Ehrentag gewesen sei, nie für die deutsche Niederlage stand. Nun gut, das nur am Rande.
    Ich sehe immer noch eine große Kraft in unserem Volke; ein Freund beispielsweise arbeitet seine 40 Stunden Schicht in der Metallindustrie, forscht „nebenher“ fast jede freie Stunde an Zahlen, speziell Zahlenfolgen. Für nichts als ein Vergeltsgott. Und das stört ihn nicht die Bohne. Deutsch sein heißt eben, eine Sache um ihrer selbst willen zu tun.
    Er hat „religiös“ in erheblichem Maße andere Ansichten als ich, wir disputieren auch immer wieder darüber. Er meint, ich sei zu schwach im Glauben (er ist sich der Seelenwanderung sicher, bindet den christlichen Glauben in seiner Weise dazu ein), ich meine, dass er etwas zu leichtfertig glaube. Das macht aber nichts. Wir ziehen, bei allen Streitigkeiten, die eine über dreißigjährige Freundschaft auch mit sich bringen musste, letztlich an einem Strange.
    Wir sind Patrioten, wir versuchen zumal unsere schöne deutsche Sprache aufs Beste und Genaueste zu pflegen, gnadenlos auch im dionysischen Scherze, da beißt die Maus keinen Faden ab.
    Was ich damit meine: Der Antagonismus zwischen Christen, Reinkarnationsgläubigen, Atheisten, Agnostikern, Heiden usw. gehört meines Erachtens gänzlich überwunden.
    Unser aller Gemeinsamkeit und Streben gehört zuvörderst der Redlichkeit und der Freiheit. Damit sind wir eine Nation des guten Willens.

  • Christoph Klein:

    Sie erinnern sich an unsere kleine Kommentardiskussion jüngsthin. – Karfreitag, Tod und Untergang („Vater, warum hast du mich verlassen?“). Und am dritten Tage? Da stellte sich heraus: Es war alles anders. Oder aber doch anders zu verstehen.

    Sie, virOblationis, stellen die Frage, ob die Ereignisse am 8. Mai 1945 „vielleicht weniger ein Zeichen dafür“ seien, „daß sich Gottes Engel, unser Patron, von uns zurückgezogen hat, als daß die Vielzahl der Deutschen sich vom christlichen Glauben abgewendet und ihr Land damit seinen Schutzpatron verloren hat.“ Darüber läßt sich nachdenken. Sofern man Christ ist.

    8. Mai 2014: Sie erinnern an den Untergang und den alten St. Michaelstag. Und am dritten Tage? Am 10. Mai 2014 erschien etwas Rätselhaftes im deutschsprachigen Bereich. Eine Auferstehung war es nicht, auch keine Wiederkunft St. Michaels, kein überraschender Lichtblick tat sich auf. Am dritten Tag erschien ein zwitterhaftes Wesen, dem ganz Europa zujubelte, rauschhaft, betrunken vor Glück über die sichtlich gelungene Sprengung vorgegebener Art und Grenzen. Auf allen Bildschirmen sichtbar: Es gibt keine Setzung. Wir bestimmen alles selbst.

    Man schüttelt sich und fragt sich: Satanas et alii spiritus maligni „ad perditionem animarum pervagantur in mundo“? Das „Tier“ in zugleich berückender und abstoßender Gestalt?

    Im Zusammenhang gesehen – vielleicht auch ein Zeichen? Faktisch gibt es diesen Zusammenhang netürlich nicht. Er hat sich mir aufgedrängt. Wieso aber? Ihre Überlegungen haben mich betroffen gemacht, bewegt und fingen an, in meinem Kopfe ein gewisses Eigenleben zu führen. Da es zwischen dem Untergang des Reiches und dem Erscheinen des gefeierten Zwischenwesens keinerlei sachlichen Zusammenhang gibt, mag der Zusammenhang – wenn es denn einen gibt! – auf einer anderen Ebene liegen. Mir drängt sich auf: Sie dürften mit Ihrer Vermutung recht haben, was die Gründe für das Verschwinden unseres Schutzpatrons sind.

    Was soll werden? Was bleibt uns? Wirklich nur die Hagen-von-Tronje-Lösung (die Sie illusionslos ins Auge gefaßt haben)? Was könnte der schwertbewehrte Erzengel dazu meinen?! frage ich mich und Sie (und vielleicht ihn selbst)…

  • virOblationis:

    Solche spekulativen Betrachtungen mag man anstellen; ich persönlich halte mich davon fern. Daher vermag ich auf Ihre Fragen nicht zu antworten.

  • Christoph Klein:

    Schon recht! Sie haben natürlich gemerkt, daß ich die Fragen nicht ohne Anflug von Humor formuliert habe (was sie aber nicht gegenstandslos machen sollte; manches kann man heutzutage nur noch mit melancholischem Augenzwinkern von sich geben).

    Spekulieren ohne Netz und doppelten Boden liegt mir eigentlich fern, das überlasse ich lieber anderen. Was ich als Kommentar geschrieben habe, bewegt sich, meine ich, unterhalb der Spekulation: Es war eher eine Art Anmutung, die mich überkam, ausgelöst durch Ihren Artikel und ein fast gleichzeitiges Ereignis – beides hat mich beschäftigt. Wäre ich Romancier, hätte ich damit einen Erzählkern…

    Unabhängig von meiner für Sie wundersamen Gedankenverknüpfung: Bei meiner Einschätzung des „Ereignisses“ auf dem europäischen Liederwettbewerb (Erscheinen jener Chimäre und die dadurch ausgelöste Masseneuphorie) bleibe ich. Bedeutet „diabolos“ nicht eigentlich „Verwirrer“?

    Das „Ereignis“ – für sich genommen – ist natürlich ein gänzlich anderes Thema und hat mit Ihrem Artikel nichts zu tun (mit der Basis, auf der Sie stehen, allerdings wohl doch, meine ich.). Ich bitte um Pardon fürs Abschweifen!

    Mit freundlichen Grüßen! – C.K.

  • virOblationis:

    „(ho) diabolos“ heißt „(der) Verleumder“. Damit wird das hebr. „(has-)satan“ wiedergegeben, „(der) Widersacher“, denn dieser zeigt sich im Buche Job als Verkläger, und so tritt er in der Septuaginta-Version des Buches Job auch als „ho diabolos“ auf. – Dem „dia-bolos“ liege das griech. Verb „dia-ballein“ zu Grunde, so lese ich; „bole“ bedeutet „Wurf, Schuß“, „ballein“ „werfen“, „diaballein“ aber „hinüberbringen, auseinanderbringen, verleumden“. Wo dies im Sinne von „durcheinander-werfen“ verstanden wird, um es dann wiederum auf „diabolos“ (als „Durcheinanderwerfer, Verwirrer der Dinge“) zu beziehen, scheint es sich um eine gänzlich sekundäre Ausdeutung des Begriffes „diabolos“ auf Grund einer rein hypothetischen Übersetzung von „diaballein“ zu handeln.

  • Christoph Klein:

    Übersetzungsprobleme, vor allem da, wo es nicht um Realien geht – ein bekanntes Phänomen. Im Gefolge davon: falsche Assoziationen, falsche etymologische Anknüpfungen und Verschiebung des semantischen Gehalts von Begriffen – ebenfalls immer wieder feststellbar.

    Daß unter diesen Gesichtspunkten auch „diabolos“ kritisch zu betrachten ist, war mir nicht bekannt. Danke für die Informationen!

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