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Notizen zu Subjekt und Objekt in Philosophie und politischer Ideologie

von virOblationis

Der Mensch lebt nicht als Einzelwesen in der Welt, und daher ist die Geschichte stets auch eine des Gemeinwesens. Der Mensch wird geboren und aufgezogen, bevor er beginnt, als selbständiges Subjekt in Eigenverantwortung zu handeln. Doch auch dann wird er nicht jede Tat neu erwägen, um darüber zu urteilen und danach sein Verhalten auszurichten, sondern vieles aus Gewohnheit tun. Diese ist aber nicht allein auf ganz persönliche Erfahrungen zurückzuführen, sondern zumeist auf das, was in der Umgebung gang und gäbe ist. Dadurch also wird der Mensch geformt; zunächst durch die Familie, dann aber auch von der Ortschaft, der Region, in der er herangewachsen ist und vielleicht weiterhin lebt, schließlich durch das Volk, dem er angehört, und durch den Kulturkreis. Je näher die Gemeinschaft der Besonderheit des einzelnen Menschen steht, desto intensiver wird seine Prägung durch sie sein, so daß er z.B. Sproß einer Bauernfamilie ist, dann aus einem Dorf in Dithmarschen stammt, als Deutscher schließlich dem Bereich der abendländischen Kultur angehört.

Da die Gemeinschaft in der Lage ist, den Einzelnen zu prägen, ist ein abstrakter Idealtyp denkbar, der der Gemeinschaft vollkommen, d.h. ohne jegliche individuelle Abweichung entspricht, also z.B. der Dithmarscher oder der Deutsche, der im wirklichen Leben natürlich nie begegnet. Dennoch ist er denkbar, und als Mensch entspräche er in philosophischer Hinsicht dem Subjekt, da die Angehörigen der betreffenden Gemeinschaft als tatsächlich existierende Subjekte ihm gleichen, d.h. mehr oder weniger mit ihm übereinstimmen. So wird man von dem Angehörigen einer Familie Wilkens feststellen, nachdem er in einer bestimmten Situation verwirklicht hat, worauf die Seinen besonderen Wert legen, er sei ein echter Wilkens. Stammt er aus dem Dorfe Schrum, wird ggf. dasselbe von ihm als Schrumer gesagt. Vergleicht man diesen Wilkens mit einem anderen Deutschen oder Europäer, so heißt es von ihm wohl: Er ist nun einmal ein Dithmarscher bzw. Deutscher.

Eine übergebührliche Hervorhebung der Gemeinschaft, der man selbst angehört, auf Kosten aller übrigen – ins Besondere durch den Nationalismus* – entspricht einer einseitigen Betonung des Subjekts gegenüber dem Objekt in der Philosophie. Man sieht dies beispielsweise an Fichte**; in seiner Frühzeit suchte er erkenntnistheoretisch alles auf das Subjekt zurückzuführen, und später bekannte er sich zu einem deutschen Nationalismus. – Die extremste Variante der Subjektphilosophie stellt wohl der Voluntarismus dar, da er die Vernunft mit ihren vom erkennenden Subjekt unabhängigen und damit allgemeinverbindlichen Erkenntnissen dem Willen nachordnet, und so erstaunt es nicht, daß man den Voluntarismus nicht selten mit faschistischem Gedankengut verbunden sieht, zu dessen konstitutiven Elementen der Nationalismus gehört.

* Der Nationalismus betont die Zugehörigkeit zu einem Volk auf Kosten anderer Gemeinschaften, also der Familie, der Heimatregion, aber auch des Abendlands.

** Johann Gottlieb Fichte; geb. 1762, gest. 1814

Wenn René Descartes* am Beginn der philosophischen Ausrichtung auf das Subjekt in der Neuzeit steht, so bildet sein Gegenüber John Locke**, der den Menschen als tabula rasa, als geglättete [und daher leere wächserne Schreib-]Tafel, ansieht, die erst durch Erfahrungen beschrieben wird: Die äußeren Umstände prägen den Menschen. Seine Persönlichkeit wird damit aus den wie auch immer beschaffenen Verhältnissen abgeleitet, unter denen der Mensch lebt. – Eine solche Position ließ sich mit dem Positivismus des 19. Jahrhunderts und der Sozialindustrie des 20. Jahrhunderts kombinieren. Vor allem aber der Marxismus versteht den Einzelnen als Produkt gesellschaftlicher Verhältnisse, denen die Ökonomie zu Grunde liegt. In philosophischer Hinsicht wird damit das Objekt überbetont, womit eine Bevorzugung der Natur- gegenüber den Geisteswissenschaften verbunden ist bzw. eine naturwissenschaftliche Umgestaltung der Geisteswissenschaften.

* geb. 1596, gest. 1650

** geb. 1632, gest. 1704

Während das (unternehmerisch tätige) Subjekt, die sich eigenständig entscheidende Persönlichkeit, zentrale Bedeutung für den älteren Liberalismus besaß, interessiert (in Zeiten des Globalkapitalismus) die menschliche Freiheit nicht mehr: Der neuere Liberalismus* sieht die Menge nur dorthin fluten, wo sie das meiste Geld und die hemmungsloseste Befriedigung der Leidenschaften erwartet. Der Mensch geht damit aus der Sicht des neueren Liberalismus im Objekt auf.

* Als Neoliberalismus wird er vor allem in ökonomischer Hinsicht bezeichnet; in der Politik hingegen nennt man ihn durchweg (fälschlich) Konservatismus.

Da – jenseits der scholastischen philosophia perennis – trotz jahrhundertelanger Bemühung keine Position zu finden gewesen ist, die ein stimmiges Verhältnis von Subjekt und Objekt aufzeigt, werden sich moderne Philosophien und Ideologien stets eher am Subjekt oder eher am Objekt orientieren. – In den oben angeführten Beobachtungen zeigt sich eine Tendenz der politischen Rechten zum Subjekt und eine der Linken zum Objekt. Dies darf jedoch nicht verabsolutiert werden. Zwar wird beispielsweise der auf das Subjekt ausgerichtete Existentialismus wie im Falle Heideggers* politisch eher zum Lager der Rechten zu rechnen sein, doch für Sartre** gilt dies keineswegs; und im Bereich der Politik denke man nur an den Stalin*** huldigenden Personenkult!

* Martin Heidegger; geb. 1889, gest. 1976

** Jean-Paul Sartre; geb. 1905; gest. 1980

*** eigentl. Josef Wissarionowitsch Dschugaschwili; geb. 1878 (offiziell 1879), gest. 1953

 

 

1 Kommentar zu „Notizen zu Subjekt und Objekt in Philosophie und politischer Ideologie“

  • Jules:

    Pseudointellektuell.
    [vO: Wollen Sie sich mit diesem Votum vorstellen? – Dann ersparen Sie uns doch lieber weitere Kostproben Ihrer Mitteilsamkeit.]

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