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Gedankensplitter (30. Sept.)

Häufig wurde über den „Börsengang“ des chinesischen Unternehmens Alibaba berichtet, aber vergleichsweise selten dabei eine Besonderheit erwähnt, die die Alibaba-Aktie von anderen unterscheidet.

Seit 2012 amtiert Xi Jinping (geb. 1953) als Staatspräsident, Generalsekretär der KPCh und Oberkommandierender der chinesischen Streitkräfte. Er sucht das Land aus der Stagnation herauszuführen, für die sein Vorgänger Hu Jintao (2002 – 2012; geb. 1942) stand. Unter Hu wurden z.B. us-amerikanische Staatsanleihen in Höhe von mehr als einer Billion Dollar eingekauft, so daß China selbst große Verluste erlitte, wenn es zuließe, daß der Dollar-Kurs sinkt; es überrascht nicht, daß der unter dem Reformer Xi von der chinesischen Zentralbank im November 2013 angekündigt wurdet, die Devisenreserven des Landes von ins Gesamt fast vier Billionen US-Dollar zumindest nicht weiter erhöhen zu wollen. Zu weiteren Maßnahmen gehört die Erlaubnis, daß sich seit 2014 ausländische Firmen in der im Jahr zuvor eröffneten Freihandelszone Shanghai ohne einen chinesischen Geschäftspartner niederlassen dürfen.

Wer nun glaubt, China werde durch die Reformen einfach ein Land nach westlichem Modell werden, dürfte jedoch eine Enttäuschung erleben. So wurde zwar dem Alibaba-Konzern erlaubt, Aktien auszugeben, doch zugleich bestimmt, daß die Firmengründern „auf ewig“ das Geschehen im leitenden Verwaltungsrat bestimmen; Alibaba wurde 1999 von Jack Ma (geb. 1964) und siebzehn seiner Bekannten in Hangzhou gegründet. Obwohl es Aktien gibt, wird die Leitung des Unternehmens nicht an das Votum der Aktionäre gebunden, die ja nur eines gemeinsam haben, das Interesse an möglichst hohem Gewinn (shareholder value) zwecks höchstmöglicher Dividende und Bewertung der Aktie. Die AG bildet jedes Unternehmen um in eine Profitmehrungsmaschine. Natürlich mußte auch der Unternehmer früherer Zeiten rentabel wirtschaften, doch blieb ihm, wenn er dies erreichte, noch immer Freiraum, um z.B. langfristtig zu planen. Ein Denken, das Generationen übergreift, bleibt der AG notwendig fremd. – Nun eben diesen Giftzahn zur Abtötung der subjektiven Komponente in der Unternehmensführung hat die chinesische Regierung der Alibaba-Aktie gezogen.

Damit wird das Schlimmste verhindert, doch die eigentliche Problematik der Aktie, die bereits Rudolf Hilferding (geb. 1877, gest. 1941 [in GeStaPo-Haft]) in seinem Werk „Das Finanzkapital (1910)“ aufgezeigt hat, nicht beseitigt. Zuerst hat Hilferding das Wesen der Aktie im Unterschied zum Leihkapital geklärt, denn dieses wird nach einer gewissen Frist wieder zurückerstattet, der durch die Aktie eingebrachte Betrag nie; sie stellt eine reine Gewinnbeteiligung dar. „…die Aktie ist…Anweisung auf einen Teil des Ertrages… Die Aktie ist also Revenuetitel, Schuldtitel auf künftige Produktion, Ertragsanweisung.“*

* Hilferding, Das Finanzkapital, Zweiter Abschnitt: Die Mobilisierung des Kapitals. Das fiktive Kapital, VII. Kapitel: Die Aktiengesellschaft, 1. Dividende und Gründergewinn

Hinzu kommt aber etwas ganz Entscheidendes: Die Aktie kann verkauft werden. „Diese Verkaufsmöglichkeit wird geschaffen durch einen eigenen Markt, die Effektenbörse.“* Dazu muß ein Preis für die Aktie gefunden werden, und der berechnet sich nach der Höhe des Ertrages, den man zukünftig durch die Aktie zu erzielen hofft. M.a.W. der Wert der Aktie gründet sich auf bloße Erwartung; Hilferding nennt ihn „fiktiv“. Wer eine Aktie kauft, geht das Risiko ein, daß sie schon morgen nicht mehr wert sein mag als der Betrag, „der beim Bankrott des Unternehmens aus der Masse nach Befriedigung aller anderen Forderungen als aliquoter Teil auf die Aktie entfiele.“** – Außerdem wird durch die Aktie die Geldmenge vergrößert, ohne daß die Menge von Waren und Dienstleistungen durch sie zunähme: „Der Handel mit Aktien, allgemeiner mit den fiktiven Kapitalscheinen überhaupt, erfordert neues Geld – Bargeld und Kreditgeld – zum Beispiel Wechsel. Während aber der Wechsel früher gedeckt war durch den Wert der Ware, ist er jetzt gedeckt durch den ,Kapitalwert‘ der Aktie, die wieder[um] abhängt von dem [künftigen] Erträgnis.“***

* ebd. – kursiv im Original Angemerkt sei, daß die Verkaufsmöglichkeit, durch die der Aktionär den eingezahlten Betrag scheinbar zurückerhält, den Aktionär zum Geldkapitalisten (gleich dem Leihkapitalisten) macht.

** ebd.

*** ebd.

Um an der Börse zu wetten, bedarf es keiner Leerverkäufe und keines Derivate-Handels mit binärer Option. Jeder Kauf einer Aktie an der Börse stellt ein Wettgeschäft dar. Wenn man solches verhindern will, muß der Handel mit Aktien unterbunden werden, so daß sie als Gewinnbeteiligung an einem Unternehmen allenfalls an Nachkommen verschenkt oder vererbt werden dürften.

 

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