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Gedankensplitter (8. April ’15)

Dem laufenden Fernsehprogramm entziehe ich mich schon seit längerer Zeit; allenfalls zeichne ich einmal etwas auf, um es bei passender Gelegenheit anzuschauen. Doch nicht nur dazu überfliege ich öfter das Fernsehprogramm, sondern auch, um immer wieder befriedigt festzustellen, was mir alles erspart bleibt. – Neben vorgeblich Unterhaltsamem gibt es auch Sendungen zur Information. So beginnt heute ein Vierteiler „Sie wollten Hitler töten“, offenbar eine bundesdeutsche Produktion aus dem Jahre 2004. Den Anfang macht „Der einsame Held“; gemeint ist Georg Elser, dessen Todestag sich morgen zum siebzigsten Male jährt.

Bei Elser handelt es sich also um einen Helden; der Titel des Films läßt keinen Zweifel daran – die bundesdeutsche Realität ebensowenig, denn von der Briefmarke bis zum Denkmal reichen die Ehrungen, vom Straßennamen bis zur Gedenkstätte, ja selbst in einem ökumenischen Heiligenlexikon ist Elsers Name zu finden. Den Grund dafür bildet seine Heldentat, ein Anschlag auf Hitler im November 1939. Ob der Tyrannenmord moralisch gerechtfertigt ist oder nicht, wird nicht mehr diskutiert. Elsers Attentat erhebt ihn zum Helden, obwohl Hitler erst später als Inkarnation des schlechthin Bösen erkannt wurde; Elser wollte aber mit seinem Anschlag dafür sorgen, daß der im September ausgebrochene Krieg samt der Diktatur sein Ende finde, auch wenn nach dem Polenfeldzug kaum gekämpft wurde. Erst einige Wochen später fiel die Rote Armee in Finnland ein: Wäre also ein Attentat auf Stalin gerechtfertigt gewesen? Und wie hätte es sich mit einem Anschlag auf Mussolini verhalten, der doch Libyen besetzt (1922 – 1932) und Äthiopien bekriegt (1935 – 1936) hatte? Überhaupt gab es lauter Repräsentanten autoritärer Regime im Europa der Zwischenkriegszeit: Waren Attentate auf sie als Tyrannenmorde berechtigt? Etwa auch der tödliche Anschlag auf Österreichs Bundeskanzler Dollfuß 1934? Aber den verübten ja Nationalsozialisten!

Georg Elsers Bombenattentat kostete acht Menschen das Leben, während Hitler dem Anschlag entging. War der Tod der acht gerechtfertigt? Stellte er lediglich einen Kollateralschaden eines eigentlich verdienstlichen Unternehmens dar? Oder hatten die acht den Tod verdient, weil sie Nazis waren, da sie doch sicherlich der Rede Hitlers zum Gedenken des Putschversuches im Jahre 1923 zugehört hatten? Sollte aber ganz pauschal der Tod jedes Nazis gerechtfertigt sein, wie könnte dann schließlich noch die Bombardierung von Wohnvierteln deutscher Städte während des Krieges verurteilt werden, war doch selbst Dresden, wie in aktuellen Veröffentlichungen immer wieder zu lesen ist, keine unschuldige Kunst- und Kulturmetropole. Erscheint dann schließlich nicht auch die Parole „Bomber Harris, do it again!“ gerechtfertigt, sobald sich der alte Ungeist wieder regt bzw. wenn man davon überzeugt ist, daß dies geschieht?

 

 

5 Kommentare zu „Gedankensplitter (8. April ’15)“

  • Ein Attentat auf einen „pöhsen Teutschen“ ist IMMER „gerechtfertigt“ – sind wir doch das einzigartige „Täter-Volk“! Und viele sind auch noch „schuld-stolz“ darauf. So erleben wir schließlich in diesen „letzten Tagen“ ein Attentat auf ein ganzes Volk mittels Auslösung eines „Flüchtlings“-Tsunamis. Wenn dann alle Deutschen tot oder durch „Flüchtlinge“ ersetzt wurden, hört dann auch die ganze „Elserei“, „Bonhoefferei“ usw. von selbst auf – ein praktischer Nebeneffekt, quasi ein Kollateralschaden der „Endlösung der Deutschenfrage“.

  • Carl Sand:

    1.
    Den Elser zu machen ist das Einzige, was einem vereinzelten Individuum in einem totalitären System übrig bleibt.
    2.
    In einem System, das notgedrungen die Bedingungen so schafft, dass seine Untertanen die eigene Sklaverei und letztliche Auslöschung nicht mehr empfinden, geht es nicht um Revolution, sondern um Bestrafung.
    3.
    Der Tod Unbeteiligter ist zutiefst bedauerlich. Der Tod feindlicher Soldaten im Krieg erst recht. Der Krieg wie der Tyrannenmord sind ausschließlich zu rechtfertigen, wenn der Bestand des Volkes auf dem Spiel steht. Geistig oder physisch. Im Falle des …regimes beides.* Wenn ich mir überlege, für faktisch welchen Irrsinn Kriege geführt wurden, ist es eher zu rechtfertigen, wenn einige Menschen im Rahmen eines Attentats sterben.
    * [vO: Jeder Leser mag nach eigenem Gutdünken Namen in Gedanken einfügen. – Die im Beitrag genannten habe ich getilgt, da wir uns gegenwärtig nicht unter den Bedingungen eines herrschaftsfreien Diskurses austauschen.]

  • Carl Sand:

    vO: Ja, da hatte ich im Nachherein auch etwas Bedenken. Deswegen vielen Dank für die Korrektur und Veröffentlichung. Eines der genannten Regimes war das von Hitler, ich denke der Teil geht problemlos.

  • […] Gedankensplitter (8. April '15) […]

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