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Legitime und illegitime Politik

von virOblationis

In Zeiten, da die Grundfesten des Gemeinwesens erodieren und bisher anerkannte Selbstverständlichkeiten in Frage gestellt werden, muß auch die Politik gründlicher durchdacht werden, und es stellen sich Fragen, die seit langer Zeit, wohl seit Beginn der Neuzeit, nicht in solcher Unerbittlichkeit aufgeworfen worden sind wie heute: Warum z.B. sollten Politiker in ihrem Handeln darauf abzielen, eine Nation zu bewahren, statt sie durch ein ethnisches Konglomerat zu ersetzen? Wenn die Herrschaft der Politischen Klasse lediglich auf Wahlen beruhte, so ließen sich doch die bisherigen Wähler auch durch andere beliebig ersetzen.

Bereits der Marxismus mit der von ihm angestrebten klassenlosen Gesellschaft verlangte damit nach etwas, das einzig während des Neolithikums realisiert worden war: Nach der Zeit der Jäger und Sammler entstanden neusteinzeitliche Gemeinwesen als Verbindung einzelner Familien, die eigenständig für die Bewahrung ihres Daseins sorgten; es handelte sich um eine klassenlose Gesellschaft, die sich später in verschiedene Stände ausdifferenzierte; man vermag sich unschwer vorzustellen, wie einzelne Familien z.B. die Tätigkeit in der Landwirtschaft über Generationen hinweg verminderten, um sich intensiver dem Handwerk oder dem Handel zu widmen.

„Klassenlos“ steht dabei nicht etwa für Gleichheit aller: Innerhalb der Familie gab es eine natürliche, d.h. auf der Natur des (gefallenen) Menschen beruhende Hierarchie, und zwischen den Familien vergrößerten sich in der Endphase der Neusteinzeit, während des Chalkolithikums, die Besitzunterschiede, und so werden möglicherweise zu jener Zeit bereits einige durch Unglück oder Untüchtigkeit in die Abhängigkeit anderer geraten sein, so daß Dritter und Vierter Stand sich zu unterscheiden begannen, noch bevor die bäuerlichen Gemeinwesen Europas von den indoeuropäischen Krieger unterworfen wurden, die danach den Zweiten Stand bildeten.

Traditionell spricht man von Lehr-, Wehr- und Nährstand, doch sollte zumindest der Vierte Stand mit hinzugenommen werden, die Werktätigen mit ihren Familien, die – freiwillig oder unfreiwillig (als Sklaven) – in den Dienst von Angehörigen der drei zuvor genannten Stände treten. – Alle Mitglieder des Vierten Standes verbindet als gemeinsames Interesse ein angemessener Lohn; „der Arbeiter ist seines Lohnes wert“, heißt es im Neuen Testament.*

* 1. Tim. 5, 18; vgl. Matth. 10, 10

Die Rede vom gemeinsamen Interesse verweist zurück auf die volonté générale Rousseaus*, den allgemeinen Willen bzw. den Willen der Gesamtheit. Er versteht darunter nicht etwa die Gesamtheit aller einzelnen Anliegen, sondern das – auf der Vernunft beruhende – gemeinsame Wollen aller, also etwa das, was im Marxismus später – wenn auch, auf Grund eines defizitären Menschenbildes, auf die ökonomische Perspektive und deren Konsequenzen verkürzt – objektives Interesse genannt worden ist. – Rousseau wähnt die Gesellschaft auf einen Vertrag gegründet, durch den sich alle miteinander vereint haben durch Übertragung ihrer angeborenen Rechte auf die Gemeinschaft. Darum handelt diese als Gesamtkörperschaft entsprechend der volonté générale und nicht gemäß Partikularinteressen.

* Jean Jacques Rousseau; geb. 1712, gest. 1778

Wenn man man die volonté générale und das objektive Interesse des Marxismus aus ihrer ideologischen Beschränkung befreit, zeichnet sich ab, was oben bereits erwähnt worden ist: Jeder Stand hat – abgesehen von den Vorlieben und Wünschen einzelner – ein gemeinsames Interesse aller derer, die ihm angehören, und alle Stände gemeinsam bilden das Gemeinwesen; dessen Bürger vereint derselbe Wille in einer Hinsicht: Sie wollen, daß ihr Gemeinwesen fortdauere, so daß ihr Dasein erhalten bleibt. – Damit wird auch verständlich, warum traditionell mit Verweis auf Cicero*, das bonum commune, das allgemeine Wohl, als Zweck des Staates gilt; so heißt es bei Papst Leo XIII. (1878 – 1903) z.B.: „Finis enim societati civili propositus pertinet ad universos, quoniam communi continetur bono…“** Der schiere Zweck nämlich einer [öffentlichen] Zivilgesellschaft erstreckt sich auf alle [Bürger], weil er das gemeine Wohl enthält [bzw. darin besteht].

* Marcus Tullius Cicero; geb. 106, gest. 43 v. Chr.

** Enzyklika „Rerum novarum (1891)“, Abschnitt 37

Da dem Wohle gemäß bzw. gut, bonum, nicht sein kann, was die die Existenz gefährdet, setzt das Bonum commune die Erhaltung des Gemeinwesens voraus. – Eine Politik also, die die Abschaffung eines bestehenden Gemeinwesens betreibt, indem sie es mittels Bevölkerungsaustausches in ein ganz anders geartetes transformiert, die Ersetzung des Staatsvolkes durch ein ethnisches Konglomerat, ist illegitim.

Darüber hinaus kann das Gemeinwohl kaum anders verstanden werden, als daß es das gemeinsame Interesse aller das Gemeinwesen konstituierenden Stände einschließt. Ein Staat, dessen Politische Klasse nur noch das Interesse eines einzigen Standes oder mehrerer, aber nicht aller vertritt, entspricht nicht dem Gemeinwohl. Eine Politik also, die den multinationalen Konzernen dient, aber den heimischen Unternehmern, Selbständigen und Werktätigen schadet, ist demnach illegitim.

Wenn es bei Cicero heißt, das Wohl des Volkes sei das oberste Gesetz,* so darf dies nicht nationalistisch mideutet werden als Wohl nur eines bestimmten Volkes, denn dieser Grundsatz gilt in jedem Gemeinwesen. Die ihm angehörenden Familien besitzen bestimmte Rechte von Natur aus, da sie eher bestanden als der Staat, der als nachträglich Entstandenes nicht das Vorherige okkupieren darf. So steht den Eltern das Recht zu, über die Erziehung samt der Bildung ihrer Kinder zu entscheiden. Eine Politik also, die den Hausunterricht verbietet, die Kinder zum Besuch von Schulen zwingt und sie dort indoktriniert, ja ihren Eltern entfremdet und diese möglicherweise sogar einkerkert, wenn sie ihre natürlichen Rechte in Anspruch nehmen, ist illegitim. – Was endlich jeder einzelne auf reelle Weise erworben hat, ist sein Privateigentum. Eine Politik also, die die Kriminalität überborden läßt, ist illegitim.

* „salus populi suprema lex esto“, De legibus III, 8

 

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