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fiat justitia et pereat mundus

„fiat justitia et pereat mundus.“  Es soll Gerechtigkeit (gemacht) werden, und möge [auch] die Welt [darüber] vergehen! – Dies war der Wahlspruch Ferdinands I.*, der ab 1531 in Deutschland für seinen Bruder Karl V.** regierte und sich mit der anhebenden Reformation konfrontiert sah. – Das Recht steht höher als die vergängliche Welt, und daher muß dem Recht entsprochen werden, auch wenn die Welt dadurch zu Grunde geht. Die Gesetze haben der von Gott geschaffenen – immateriellen bzw. unvergänglichen – Natur des Menschen zu entsprechen; nur dadurch gewinnen sie ihre Autorität. Die Welt aber muß am Ende ohnehin untergehen, um verwandelt in eine neue Erde und einen neuen Himmel den Erlösten Heimat zu sein.

* Erzherzog Österreichs 1521 – 1564, römischer König 1531 – 1564, Kaiser ab 1556

** Kaiser 1519 – 1556, gest. 1558

Die lutherische Tradition kennt keine positive Funktion des Gesetzes im Erlösungsgeschehen, da das Gesetz dem Menschen nur sein Unvermögen, es zu erfüllen, vor Augen führen soll, woraufhin der davon Gebrochene im Glauben das Evangelium ergreift – so Gott will. Es ist wohl kein Zufall, daß die gegenwärtig amtierende Kanzlerin, eine Pastorentochter, zusammen mit dem Bundespräsidenten so etwas wie das letzte Aufgebot des landeskirchlichen Protestantismus bildet, dem anscheinend jedes tiefere Verständnis für die Bedeutung des Rechts fehlt. Natürlich gilt dasselbe für die Vielzahl ihrer Mitstreiter, würde man jene zwei doch sonst kaum gewähren lassen. – Preußens Soldatenkönig*, Angehöriger eines – seit 1613 – dem reformierten Bekenntnis anhangenden Herrscherhauses, übernahm den Wahlspruch Ferdinands I. zwar nicht, führte ihn aber in abgewandelter Form an, da er den Richterspruch über Katte** zum Todesurteil verschärfte, indem er anmerkte: „Fiat justitia aut pereat mundus.“ Es soll Gerechtigkeit (gemacht) werden, sonst könnte die Welt vergehen – und eben das soll verhindert werden.

* Friedrich Wilhelm I., 1713 – 1740

** Hans Hermann von Katte; geb. 1704, gest. 1730

Jüngst* besuchte die Kanzlerin Duisburg-Marxloh, um dort einen sog. Bürgerdialog abzuhalten. Dabei belehrte sie um 14:27 Uhr Fragesteller, die sich wohl in dem Sinne geäußert hatten, ob denn nicht die Staatsmacht ohne Rücksicht auf die sie hindernden Gesetze durchgreifen könne, um der ständigen Übergriffe gegen Rettungskräfte, Feuerwehrleute, ja selbst Polizisten Herr zu werden: „Gesetze kann man ändern, aber man kann nicht einfach sagen, wir heben bestehende Gesetze auf.“ – Ein tadelloses Rechtsverständnis, nicht wahr? Freilich hatte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge keine halbe Stunde zuvor gemeldet, daß das Dublin-Abkommen hinsichtlich der syrischen Refugees in Deutschland außer Kraft gesetzt werde, was man de facto, unter den Augen der Kanzlerin, ja schon längst praktizierte.

* am 25. Aug.

Was für ein Rechtsverständnis muß eine Regierungschefin haben, die ganz offensichtlich nichts daran auszusetzen findet, wenn eine Behörde ihres Staatsapparates en passant erklärt, irgendein internationaler Vertrag werde nun nicht mehr beachtet. Dabei informiert die bpb* darüber, daß das Dubliner Übereinkommen „ein völkerrechtlicher Vertrag“ ist! – Dies fiel der Kanzlerin aber wohl am heutigen Tage wieder ein, da sie angesichts von Budapest aus mit dem Zug anreisender Massen von Refugees die ungarische Regierung kontaktieren ließ, um sie darauf hinzuweisen, daß gemäß dem Dubliner Vertrag das Erstaufnahmeland für solche Menschen zuständig sei.

* Bundeszentrale für politische Bildung

Das ist nicht einmal mehr Rechtspragmatismus, das ist reine Beliebigkeit, Willkür.

 

 

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