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fiat justitia aut pereat mundus (3)

Auf ein Übergreifen der Moral vom Bereich des Familiären auf den der Gesellschaft weist auch Arnold Gehlen* in seinem Buch „Moral und Hypermoral. Eine pluralistische Ethik (Frankfurt / Bonn 1969, 2. Aufl. 1970)“ hin. Gehlen spricht von Humanitarismus und sieht einen solchen, der die im familiären Bereich beheimatete Moral auf den der gesamten Gesellschaft ausweitet, bereits in der Antike wirksam. So ist bei Gehlen die Rede vom „Ethos der Großfamilie mit der Erweiterung zum Humanitarismus“.** Er charakterisiert den Humanitarismus als „Ausdehnung und Entdifferenzierung des ursprünglichen Sippen-Ethos“.***

* geb. 1904, gest. 1976

** 7. Institutionen

*** 6. Humanitarismus

Zwar sei die Übertragung der Moral, des Ethos der Großfamilie bzw. des Clans, auf die gesamte Gesellschaft eigentlich positiv zu bewerten,* doch die dort „immer segensreiche Gegenwart [des Humanitarismus] wird übermächtig, wenn die Großreiche sich über niedergebrochenem Nationaldasein, über durcheinandergeschobenen Bevölkerungen und weiten Verkehrsflächen erheben.“**

* Für die [alte] BRD lag es nahe, einen solchen Humanitarismus zu pflegen, denn, so schreibt Gehlen im Schlußkapitel (12. Über Sprachlosigkeit und Lüge): „Als Deutscher kann man (dazu noch) der Frage nach dem verlorenen Vaterland aus dem Wege gehen, wenn man die Zwischeninstanzen zwischen Familie und Menschheit moralisch preisgibt.

** 6. Humanitarismus

Das Phänomen der Ausdehnung der Moral erkennt Gehlen also durchaus, nur in bezug auf seine ins Detail gehenden Ausführungen dazu stellen sich Fragen, ins Besondere die nach der nahezu ungeschichtlich anmutenden Art des Humanitarismus, der im Altertum aufgetaucht sein soll, um in der Neuzeit wiederzukehren; was Gehlen zur Antike ausführt, wirkt wenig überzeugend, denn die von ihm angeführten Stoiker stellten die staatliche Ordnung durch ihre Tugendlehre keineswegs in Frage, sondern bejahten sie und zeigten sich durchweg willig, Ämter zu übernehmen, so daß ihre Haltung überhaupt nicht entpolitisiert erscheint; auch sollen „…das Wohlstandsdenken und der Feminismus“ nach Gehlen mit der „Moral des Humanitarismus sogar ursprungsidentisch“ sein* – wie paßte dies zur Stoa? Gehlen verkennt den modernen Charakter des Phänomens, das er Humanitarismus nennt. – Darüber hinaus rückt Gehlen [die Geschichte von] Großfamilie bzw. Clan und Staat so dicht aneinander, daß für eine vorstaatliche Gesellschaft als Sphäre des Rechts, nicht der Moral, kein Platz bleibt; dies wird auf den Einfluß der auf Hobbes und Locke** zurückgehenden Lehre von der Gesellschaft zurückzuführen sein, denn danach wird der Naturzustand unmittelbar durch die staatliche Ordnung der Gesellschaft abgelöst: Es fehlt das, was man – manchmal in verklärender Weise – zu erfassen versucht hat als Zusammenschluß zur Dorfgemeinschaft, klassenlose Urgesellschaft*** und egalitäre Gesellschaft des Neolithikums. Dieser Zustand einer noch klassenlosen Gesellschaft ist anzusetzen zwischen dem Dasein einzelner Familien und der Errichtung einer staatlichen Ordnung.

* 10. Moralhypertrophie

** Thomas Hobbes; geb. 1588, gest. 1679 und John Locke; geb. 1632, gest. 1704

*** Marx (Karl Marx; geb. 1818, gest. 1883) erkennt im Gegensatz zur aufklärerischen Lehre vom Gesellschaftsvertrag eine klassenlose Urgesellschaft an, die er zwischen dem Naturzustand der Darwin‘schen (Charles Darwin; geb. 1809, gest. 1882) Urhorde „primitive horde“, und der frühesten Klassengesellschaft ansetzt.

Die vorstaatliche Gesellschaft konstituierte sich im Zusammenschluß einzelner Familien, was Gehlen als Großfamilie, Sippe oder Clan bezeichnet. Doch dabei blieb es in vorstaatlicher Zeit nicht, sondern es bildeten sich Stämme, und sogar ein Handeln als Volk war nicht ausgeschlossen. Dies zeigt das Alte Testament, wo sichtbar wird, wie in Zeiten militärischer Bedrohung die einzelnen Stämme Israels sich – unter der Führung einzelner Persönlichkeiten – gemeinsam der Herausforderung stellen, so daß diejenigen getadelt werden, die ihrer Beistandsverpflichtung nicht nachkommen.* Der Stämmebund ersetzte also eine staatliche Ordnung, doch erwies er sich auf die Dauer als zu wenig effektiv, um der Bedrohung durch die philistaeische Expansion gewachsen zu sein, so daß das Königtum um 1000 v. Chr. an die Stelle der vorstaatlichen Stämmegemeinschaft trat. – Der Staat entsteht dadurch, daß einem oder mehreren Familienoberhäuptern bestimmte Rechte gegenüber allen übrigen eingeräumt werden, wodurch eine hierarchische Ordnung an die Stelle der egalitären tritt.** Voraussetzung für das Gelingen eines Übergangs zur Staatlichkeit dürfte in jedem Falle eine gewisse Bevölkerungsdichte sein.

* s. Jud. [Richter] 4f. – Eine solche – freilich höchst unvollkommene, nicht-hierarchische – Ordnung schiene auch für die europäischen Staaten denkbar, denn sie käme ohne übergeordnete Instanz aus, was von größter Bedeutung wäre, da kein einzelner europäischer Staat so stark ist, daß er alle anderen dirigieren könnte. (vgl. Theoderichs Bündnisse zwischen den germanischen Königreichen als Nachfolgeordnung für das untergegangene Weströmische Reich)

** Wenn ein egalitäres Gemeinwesen erobert wird, dann können die siegreichen und fortan als staatliche Obrigkeit herrschenden Familienoberhäupter einer anderen Ethnie angehören. Auf solche Weise werden die indoeuropäischen Krieger Herren neolithischer Gemeinwesen der Donaukultur geworden sein.

Locke setzt wie Hobbes einen Naturzustand voraus, der durch die staatliche Ordnung abgelöst wird. Im Unterschied zu Hobbes fordert Locke allerdings, daß sich das staatliche Handeln im Einklang mit dem in der menschlichen Natur begründeten Wunsch der Bürger nach Sicherung des Eigentums befinden muß, so daß es andernfalls seine Legitimität verliert. Dazu verzichten die Menschen per Gesellschaftsvertrag („contract“) auf die natürliche, uneingeschränkte Freiheit, die sie dazu zwang, ihr Eigentum** selbst zu schützen; im Naturzustand fehlte ein allgemein anerkanntes Recht sowie die Obrigkeit, die solche Gesetze erläßt und durchsetzt. – Übrigens erblickte bereits Panaitios*, der Begründer der mittleren Stoa, im Bedürfnis nach Sicherung des Privateigentums die Veranlassung zur Bildung eines Staates.

* geb. ca. 185, gest. nach 100 v. Chr.

** Das Eigentum besteht – auch schon im Naturzustand – zuerst aus der eigenen Person und dann aus dem, was sie für sich erarbeitet hat.

Ehe und Familie gehören nach Locke dem Naturzustand an, doch werden sie durch den Gesellschaftsvertrag nicht verändert, denn – so setzt Locke offensichtlich voraus – diesen schließen allein die männlichen Familienoberhäupter; die Söhne sind als potentielle Erben und Nachfolger berücksichtigt. Den Frauen wird Locke jedoch nicht pauschal das Eigentum an der eigenen Person abgesprochen haben, versteht er die Eheschließung doch als Abschluß eines Vertrages zur Aufzucht von Kindern; ein Vertrag aber setzt zwei unabhängige, etwa gleichberechtigte Parteien voraus, denn sonst handelt es sich um ein Dictat, dessen Anerkennung der eine vom anderen erzwingt. Wahrscheinlich setzt Locke voraus, daß die Arbeit einer Frau im Hause verrichtet wird, das dem Manne gehört, so daß sie nicht über das Produkt ihrer Tätigkeit verfügen kann wie er. Auf jeden Fall wird deutlich, daß Locke für die Andersartigkeit gesellschaftlicher Verhältnisse in vorstaatlicher Zeit kein Verständnis hat, sondern er setzt auch schon für den Naturzustand voraus, was er aus seiner Gegenwart kennt. Locke versteht Ehe und Familie von der rechtlichen Sphäre der Gesellschaft her, obwohl beides in irgendeiner Form bereits bestanden haben muß, bevor sich eine Gesellschaft in vorstaatlicher Zeit konstituierte. Das Connubium zwischen – danach exogamen – Familien – innerhalb einer endogamen Sippe – wird eingerichtet worden sein, um vor allem die Folgen von Inzucht zu vermeiden. Das Connubium bot natürlich weitere Vorteile; so war der Zusammenschluß schon von seiner Größe her jeder isoliert lebenden Familie überlegen. Doch während der Zeit der egalitären Gesellschaft wird man die Eheschließung kaum als Vertrag zwischen Gleichberechtigten verstanden haben, sondern als Ausscheiden einer Tochter aus ihrer Familie und als deren Aufnahme in derjenigen des Ehemannes, wofür vom Bräutigam eine Gabe in irgendeiner Form als Entschädigung für den Verlust an Arbeitskraft zu entrichten gewesen sein dürfte;* man stelle sich egalitäre gesellschaftliche Verhältnisse nicht grundsätzlich menschenfreundlicher vor als hierarchisch geordnete.

* Vgl. im AT dazu Jakobs Dienst zur Erlangung von Lea und Rahel (Gen. [1. Mose] 29). – Die Ungleichheit der Geschlechter findet darin ihren Ausdruck, daß die Frau stets nur die eigene Ehe brechen kann, der Mann eine fremde.

Locke setzt also die Gesellschaft – unter staatlicher Aufsicht – absolut und versteht von daher auch die Familie; deren grundsätzliche Verschiedenheit von der Gesellschaft wird nicht wahrgenommen. Daher muß Locke sie auch von dem – genuin im gesellschaftlichen Leben verwurzelten – Recht her begreifen. Die Moral verliert dadurch ihre Zuordnung familiären Fundament, über dem die Gesellschaft errichtet ist. Wenn die Moral unter diesen Bedingungen aufrecht erhalten werden soll, kann dies nur geschehen, indem man sie auf die – absolut gesetzte – Gesellschaft überträgt. Daraus folgt, was oben (2. Teil) festgestellt wurde: „Der Liberalismus nimmt in bezug auf das Gemeinwesen allein die Gesellschaft wahr, nicht deren familiären Unterbau. Er setzt die Gesellschaft absolut und faßt die sie tragenden Familien daher als gesellschaftliches Phänomen auf, als mehr oder weniger beständige Zusammenschlüsse zwischen einzelnen Angehörigen der Gesellschaft, also zwischen Individuen.“ Mit den Folgen der daraus resultierenden Negation der Familie wird man gegenwärtig konfrontiert. – Die Moral, die ihre Beheimatung in der Familie verliert, ergießt sich über die Gesellschaft, während gleichzeitig die familiären Verhältnisse verrechtlicht werden. Innerhalb der Gesellschaft konkurriert die Moral mit Politik und Staatstugenden sowie der Rechtsordnung und sorgt damit für die Relativierung der letzteren, so daß deren gelegentliche oder auch häufigere Mißachtung um der Moral willen durchaus plausibel erscheint, wenn der Gesellschaft der familiäre Unterbau abgesprochen wird.

7 Kommentare zu „fiat justitia aut pereat mundus (3)“

  • Ed:

    ‚Vom Standort der Gesellschaft als vermeintlich höchster Einheitsperson aus -ein Standort, den fast die gesamte Philosophie des 18. Jahrhunderts und Kant, den auch die Positivisten , z.B. D. Hume, Comte und Spencer, bewusst oder weniger bewusst einnehmen – erscheint die Lebensgemeinschaft* (und das ihr zugehörige Ethos) nur als eine primitivere* Entwicklungsform der Gesellschaft, nicht als eine dauernde* Wesensart der Menschenverknüpfung, in der sich Wesenswerte eines bestimmten Ranges sozial darstellen und allein darstellen können*. Die Eigenart der Gemeinschaft als einer Wesensart* sozialer Einheit wird hier überhaupt nicht erfaßt, und ein bald bewußt geschlossener, bald – wie z.B. bei D. Hume – ein sich automatisch sich herstellender Kontrakt soll ebensowohl den Ursprung (d.h. die Entstehensf o r m, nicht die positive historische Entstehung) aller sozialen Geistesgebilde (Staat, wirtschaftliche Kooperation, Kirche, Recht, Sitte, Mythos, Sprache usw.) begreiflich machen, als die Vorstellung, „als ob“ die vorhandene Gebilde dieser Art vertraglich entsprangen, einen Maßstab* zur Beurteilng ihrer rechten Ordnung und ihrer Fortbildung bilden soll 1). -Wird dagegen die lebensgemeinschaftliche Daseinsform menschlicher Verknüpfung samt ihrem* Ethos zur „höchsten‘ und dem Ursprung nach grundlegend gemacht, wie es in den Lehren der alten und neuen Romantik („historische Schulen der Geisteswissenschaften) in vielfachster Form geschah, so erscheint die Gesellschaft* ebensowenig als dauernde* Wesensform einer möglichen Sozialeinheit, wie im ersten Falle die Lebensgemeinschaft. Sie erscheint dann als bloße Zersetzungserscheinung*, also wiederum als ein bloßes historisches Werdensstadium der Lebensgemeinschaft. Und das wäre auch in der Tat die Form gesellschaftlichen Daseins und seines Ethos, wenn diese Voraussetzung richtig wäre.‘

    1) Wie die jene Philosophie meist beherrschende Lehre von einer punktuellen (dem Atom nachgebildeten) Seelensubstanz der Einzelperson sowie die eng dazu gehörige Lehre vom Analogieschluß als Grund für die Realsetzung fremder Personen dieses Ideengefüge letztlich trägt*, habe ich in dem Anhang meines Buches über Sympathiegefühle gezeigt. Die Lehre von ausschließlicher Selbstverantwortung in der Ethik, die Auflösung der Kirchenidee als Form eines (historisch wie gleichzeitig) solidarischen* Weges zu Gott zugunsten eines primären Grundverhältnisses „jeder Seele zu ihrem Gott“, die Idealbildung eines „ewigen Friedens“ auf Grund von Staatsverträgen (Friedensethos is vorwiegend Gesellschaftsethos, Kriegsethos ist vorwiegend Gemeinschaftsethos), die pädagogisch einseitige Intellektualbildung durch „Aufklärung“ der Individuen, das wirtschaftliche System freier Konkurrenz und noch vieles andere dieser Art sind strenge Folgen* dieser falschen Prinzipien.‘

    * von Scheler gesperrt

    aus: Max Scheler, ‚Der Formalismus in der Ethik und die materiale Wertethik‘, Zweiter Teil, B., ad 4. ‚Einzelperson und ‚Gesamtperson‘, blz 527 im Bouvier Verlag Bonn, 7e Auflage 2000 hrsg. von Manfred S. Frings

  • Ed:

    ‚Anderseits aber ist Gesellschaft im Unterschiede zu Lebensgemeinschaft, die auch die unmündigen* Menschen (und anhangsweise Haustiere) mitumfaßt, eine Einheit mündiger* und selbstbewußter* Einzelpersonen*. Während also die personale Einheitsform überhaupt in Masse und Lebensgemeinschaft noch gar nicht erscheint, erscheint sie in der Gesellschaft durchaus; aber sie erscheint ausschließlich als Einzel*person, die in ihr eben der Person gleich gilt – und zwar als Einzelperson, die auf die ihrer Natur nach nicht sammelnden, sondern scheidenden* und sinnlich relativen Wertmodalitäten des Angenehmen (Gesellschaft als Geselligkeit) und des Nützlichen (Gesellschaft als Träger der Zivilisation) bezogen ist. Die „Elemente“ der Gesellschaft sind indes keine Individuen im Sinne der früher bestimmten individuellen Geistesperson, sondern von Hause aus gleich* und gleichwerig*, da sie eben nicht vermöge ihres materialen* Individualgehalts, sondern nur vermöge ihres Form*charakters als Einzel*personen überhaupt als solche „Elemente“ in Frage kommen. Unterschiede und Wertunterschiede erwachsen in ihr und zwischen ihren Elementen allein aus den verschiedenen Leistungs*werten der Einzelnen in der Wertrichtung der der Gesellschaft korrelaten Werte des Angenehmen und des Nützlichen.- Insofern besteht das sehr eigentümliche Gesetz für die Elemente der Gesellschaft, daß sie formal (als Einzelne) ganz unvertretbat, material aber (d.h. als Individuen) schlechthin vertretbar, weil ursprünglich gleich* sind. Innerhalb der Lebensgemeinschaft hingegen ist zwar jedes Einzelwesen durch ein anderes der selben Gliedstelle (Stand, Amt, Würde, Beruf) vertretbar, niemals aber diese Stellen selbst und niemals die Einzelwesen, sofern sie Funktionen verschiedener Stellen ausüben.‘

    * von Scheler gesperrt

    Quellenangabe: wie oben, Seite 518-519

  • virOblationis:

    @ Ed

    Vielen Dank für diese Information! – Demnach versucht Scheler, das, was ich Familie nenne und was auch als „Haus“ bezeichnet werden könnte, unter dem Begriff der Lebensgemeinschaft bzw. der lebensgemeinschaftlichen Daseinsform zu erfassen. Auch die Absolutsetzung der Gesellschaft durch „fast die gesamte [Aufklärungs-]Philosophie des 18. Jahrhunderts“ wird erwähnt, von der aus „die L e b e n s g e m e i n s c h a f t (und das ihr zugehörige Ethos) nur als eine p r i m i t i v e r e Entwicklungsform der Gesellschaft“ erscheint. – In der Anmerkung 1) tritt schließlich noch das absolut gesetzte Individuum (mitsamt u.a. der protestantischen Behauptung von dessen Gottunmittelbarkeit) hinzu, auf das die (kapitalistische) Gesellschaft dann gegründet werden soll, da der familiäre Unterbau nicht erkannt wird. – Schade nur, daß Scheler keine Gesamtordnung als Alternative entdeckt, sondern nun seinerseits „dagegen die lebensgemeinschaftliche Daseinsform“ absolut setzt; so zeigt sich dann auch sein Verhaftetsein im neuzeitlichen Denken.

  • […] Ordnung erhält, die dem Individuum Vorteile bietet, da sein Privateigentum gesichert wird, wie im dritten Teil deutlich […]

  • Ed:

    „Nur die absolut intime Person ist es, die an einer Sozialverbindung mit anderen Personen (durch die Vermittlung einer Gesamtperson) keinen moeglichen*Anteil mehr hat. So steht sie innerhalb des Gesamtreiches endlicher Personen gleichsam in absoluter Einsamkeit 2) – eine Kategorie, die also ein unaufhebbares Wesensverhaeltnis negativer Art zwischen endlichen Personen ausdruekt. Diese Einsamkeit kann sich bei verschiedenen Personen mit ganz verschiedenem Erlebnisg e h a l t erfuellen; sie kann fuer Interesse und Aufmerksamkeit Einzelner wie ganzer Zeiten entschwinden, – ihre S p h a e r e ist doch notwendig vorhanden und als Sphaere auch immer in einem erschiedenen Grade miterlebt. Es ist daher widersinnig anzunehmen, dass die Sphaere der Einsamkeit durch moegliche historische Veraenderungen (steigende Vergesellschaftung und Solidaritaet) in den Sozialbeziehungen je koennte voellig aufgezehrt und zum Verschwinden gebracht werden. Da sie eine soziale W e s e n skategorie ist, ist solches ganz aus geschlossen. Nur Verschiebungen des Erlebnisgehaltes, der in der typischen Einzelperson einer bestimmten Entwicklungsstufe der sozialen Bildung diese Daseinsform der Person gleichsam besetzt, moegen in reichlichem Maasse stattfinden. Nur eine einzige Gemeinschaftsbeziehung schliesst die Einsamkeit nicht aus: das ist die Beziehung auf G o t t, der seiner Idee nach noch Einzelperson noch Gesamtperson ist und in dem Einzel- und Gesamtperson selbst noch solidarisch sind. In Gott und in ihm allein mag sich daher die intime Person noch ebensowohl gerichtet als geborgen wissen. Auch dieses aber vermag sie
    nicht, ohne gleichzeitig (zum mindesten „in Gott“) ihrer Solidaritaet mit der Gesamtperson u e b e r h a u p t und an erster Stelle mit der Kirche indirekt inne zu werden, und es waere nicht Gott, sondern nut Taeuschungsgegenstand des hoechsten Wesens, wuerde d i e s e Gewissheit fehlen. Dass hingegen die Einzelperson „nur“ und „ausschliesslich“ fundiert auf dieses ihr einsames Gottesverhaeltnis – also erst auf diesem „notwendigen“ Umwege – sich der Idee der Solidaritaet zu bemaechtigen haette, das waere eine Lehre, die mit der (unberechtigten)Leugnung der Wesensidee der Kirche selbst zusammen fallen wuerde.

    2) Mit objektivem „Alleinsein“ hat die Einsamkeit so wenig zu tun, dass sich das Gefuehl der Einsamkeit sogar weit haeufiger mitten in der Gesellschaft, ja in den relativ intimsten Gemeinschaftsbeziehungen (Freundschaft, Ehe, Familie) am reinsten einfindet. Denn erst hier wird die absolute Grenze der Selbstmitteilbarkeit der Person an eine andere am eindringlichsten ermessen. „Einsam bin ich, nicht allein“, unterscheidet die bekannte Precosiastelle.“

    Quellenangabe: wie oben, addendum 5: „Intime Person und soziale Person“ S. 549-550

    * das hp-keyboard kennt keine Umlaeute.

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