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Gedankensplitter (28. Okt. 2015)

Der reine Kalauer beruht nicht auf einem Hörfehler o.ä., sondern darauf, daß manch ein Wort Verschiedenes zu bezeichnen vermag; Rosinen tragen keinen Helm, auch wenn sie sich in einem Stollen befinden. Ebenso kann ein ganzer Satz recht Unterschiedliches bedeuten, je nach dem Zusammenhang, dem er entstammt, und somit auch entsprechend der Geisteshaltung, die ihm zu Grunde liegt. Beispielsweise heißt es auf einem Plakat von 1981 zum X. Parteitag der SED: „das schaffen wir!“ Dazu ist eine Frau abgebildet, deren Aussehen an die junge Merkel erinnert, die sich zuletzt als Kanzlerin mit der Aufmunterung „Wir schaffen das“ an die Öffentlichkeit wandte. So scheint es nahezuliegen, den Slogan von 1981 und die Parole von 2015 gedanklich mit derselben Person oder zumindest einander – vielleicht nicht nur äußerlich – ähnelnden Frauen zu verknüpfen und beide Aussagen für inhaltlich miteinander nahezu identisch zu halten.

Bisher hatte Merkel als Regierungskunst einen Opportunismus besonderer Art gepflegt: Indem sie die Positionen ihrer Partei nach und nach preisgab, also die Forderungen der Opposition oder des Koalitionspartners in den eigenen Reihen durchsetzte, erreichte sie stets große Mehrheiten. Allerdings gerät ein solches Vorgehen dann an sein natürliches Ende, wenn die eigene Partei sich nicht mehr von der Opposition bzw. dem Koalitionspartner unterscheidet, also nichts mehr preiszugeben hat. – Es wäre zwar theoretisch nun ein Umfallen in die entgegengesetzte Richtung denkbar, nach rechts, doch diese einzig verbleibende Möglichkeit scheint Merkel auszuschlagen, und daher bleibt nur ein „weiter so!“ bzw. „wir schaffen das“. – Allenfalls dem Ausland kann Merkel noch die Aufgabe der eigenen Position anbieten, was sie ja auch jüngst in der Türkei versucht hat.

Merkels Opportunismus ist kein wahlloser, sondern stets ein der Globalisierung kompatibler. Daher mag sie zwar äußern „wir schaffen das“ und damit an das „das schaffen wir“ der SED erinnern, doch sind die beiden – nur in der Wortstellung differierenden – Aussagen aus einander ganz verschiedenen ideologischen Perspektiven geäußert, und dem entsprechend bedeuten sie auch Verschiedenes: Die SED wähnte, mit dem Marxismus-Leninismus im Besitz der universalen Wahrheit zu sein, die zur Bewältigung jedes Problems befähige,* so das stets gelten muß: „Vor welche Aufgaben auch immer uns die Wirklichkeit stellen mag, mit Hilfe unserer Ideologie werden wir damit fertig werden: das schaffen wir!“ – Wie anders klingt es aus Merkels Mund: „Und dann ist doch die Aufgabe einfach, dass man so rangeht, dass man es schafft. Und dann kann man das auch schaffen. Ich habe überhaupt keinen Zweifel. Stellen Sie sich mal vor, wir würden jetzt alle miteinander erklären, wir schaffen’s nicht. Und dann?“** Jegliche Gründung der Gewißheit auf Einsicht fehlt; es bleibt nur der Appell, blind zu vertrauen.

* vgl. „Die Lehre von Marx ist allmächtig, weil sie wahr ist.“ Lenin, „Drei Quellen und drei Bestandteile des Marxismus (1913)“

** Merkel in der ARD am 7. Okt. 2015

Merkel sieht sich offenbar als Verwalterin der Provinz Deutschland innerhalb der globalisierten Welt mit Vorgängen konfrontiert, die von höheren Mächten ins Werk gesetzt sich ihrer Kontrolle und Einsicht entziehen, so daß sie sie nur in ihrem Machtbereich zu verwalten hat; dazu mögen auch Berechnungen dienen, die formal denen gleichen, die in der Physik zur Bestimmung des Verhaltens von Teilchen gebräuchlich sind, wenngleich die Lebenswirklichkeit der Menschen weit komplexer ist. Es bleibt Merkel nur das Vertrauen darauf, daß die höheren Mächte ihr persönlich* gnädig sind und sie nicht vor unlösbare Aufgaben stellen; so fordert sie sich und ihre Zuhörer zum Vertrauen auf, zur Überwindung von Ängsten und Zweifeln,** um sich „von guten Mächten wunderbar geborgen“ zu wissen.

* vgl. dazu diesen – allerdings noch viel zu positiv urteilenden – Artikel von 2011

** s. Kampfideologie der Diktatur

Weil sie zwar gewählt, aber nicht ihren Wählern – sowie den verfassungsmäßigen Institutionen – verpflichtet ist, sondern besagten höheren Mächten,* deshalb vermag Merkel auch in absolutistischer Manier zu regieren, was sich bereits 2011 in der von ihr verordneten Energiewende äußerte** und was in der von ihr – ohne Rücksicht auf geltende Gesetze – betriebenen Grenzöffnung während dieses Sommers unübersehbar wurde.

* Zur Berufung auf sie vgl. das Zitat: „Der Herrgott hat uns diese Aufgabe (sc. die Refugee-Invasion) jetzt auf den Tisch gelegt.“ Merkel am 4. Okt. im Deutschlandfunk

** vgl. auch das Vorwegnehmen des gewünschten Ergebnisses einer gerichtlichen Untersuchung der dem „NSU“ zugeschriebenen Verbrechen durch eine offizielle Gedenkfeier (2012)

 

6 Kommentare zu „Gedankensplitter (28. Okt. 2015)“

  • Konservativer:

    Merkel: „Der Herrgott hat uns diese Aufgabe (sc. die Refugee-Invasion) jetzt auf den Tisch gelegt.“
    Diese Frau schreckt nicht vor dieser Blasphemie zurück, und das als eine Pastorentochter. Ihr Vater war allerdings höchstwahrscheinlich mehr Kommunist als Pastor. Möglicherweise war er ein Wolf im Schafspelz. Hier gilt dann wohl auch das Sprichwort: „Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm“.

    https://www.youtube.com/watch?v=3YwGVQqR-9w

  • Christoph Klein:

    Sie gehen aber verdammt schonsam mit dieser Frau um!

    „Der Herrgott hat uns diesen Aufgabe jetzt auf den Tisch gelegt.“ – Nehmen Sie diese Aussage etwa ernst? Den Kritikern der Behauptung, daß der Islam zu Deutschland gehöre (ich glaube, so war’s) empfahl sie, statt zu maulen, doch ab und zu mal in die Kirche zu gehen. Dort mal zu singen. Oder dort mal ein Bild zu betrachten…

    Diese dürre Empfehlung, diese lachhafte Floskelei, ließ deutlich erkennen: Nichts dahinter, nichts davor. Ironie der besonderen Art. Wobei man sich durchaus fragen kann, ob sie das selber bemerkt (ihre unbeholfene Sprache ist oft verräterisch).

    Ich bin mir sicher: Die glaubt an nichts. Allenfalls an Physik.

    So macht sie ja auch Politik, wie Sie schreiben. Mir drängt sich auf, daß man bei Ihrer fast moderaten Beurteilung dieser Frau ein Augenzwinkern Ihrerseits annehmen darf. (Ich tu’s jedenfalls.)

    Im übrigen: Dieser Frau ist ganz offensichtlich (wie auch dem Bundespräsidenten) das real existierende Deutschland recht zuwider. – Aber das ist ein anderes Thema.

  • Bernd:

    „Ebenso kann ein ganzer Satz recht Unterschiedliches bedeuten,…“, z.B.:
    Ich habe Liebe genossen – Ich habe liebe Genossen

    Und zu Merkel fällt mir ein altes Sprichwort ein:
    Pfarrers Kinder und Müllers Vieh, gedeihen selten oder nie.

  • Plikiplok:

    Deutsches Land im Herbst 2015

    Die Krähen schrein
    Und ziehen schwirren Flugs zur Stadt:
    Bald wird es schnein, –
    Wohl dem, der jetzt noch – Heimat hat!

    Nun stehst du starr,
    Schaust rückwärts, ach! wie lange schon!
    Was bist du Narr
    Vor Winters in die Welt entflohn?

    Die Welt – ein Tor
    Zu tausend Wüsten stumm und kalt!
    Wer das verlor,
    Was du verlorst, macht nirgends Halt.

    Nun stehst du bleich,
    zur Winter-Wanderschaft verflucht,
    Dem Rauche gleich,
    Der stets nach kältern Himmeln sucht.

    Flieg, Vogel, schnarr
    Dein Lied im Wüstenvogel-Ton! –
    Versteck, du Narr,
    Dein blutend Herz in Eis und Hohn!

    Die Krähen schrein
    Und ziehen schwirren Flugs zur Stadt:
    Bald wird es schnein, –
    Weh dem, der keine Heimat hat!

    (Friedrich Nietzsche, 1844 – 1900)

    Kaum zu glauben, wie Nietzsche, weit vorausschauend, heutige Zustände und Befindlichkeiten treffend beschreiben konnte. Der Mann war ein Genie. Habe sein Gedicht heute per Zufall entdeckt, lediglich der Titel stammt von mir. Wollte es den werten Mitlesern nicht vorenthalten. Möge es den ein oder anderen zum Nachdenken anregen!

  • Konservativer:

    Thilo Sarrazin sprach in seiner Rede vom 06.10.2015 davon (ab 34:35 min.), daß uns Europäern das Schicksal von Ostrom/Byzanz droht, daß heißt auf Deutschland bezogen, nicht nur unserem Land, sondern auch uns Deutschen droht der vollständige Untergang! Es geht für uns Deutsche um Sein oder nicht Sein, um Leben oder Tod.

    https://www.youtube.com/watch?v=WfXVY_8x6c8

    „Wieder hört man einen Einwand. Er besagt, Geschichte wiederhole sich nie ganz.
    Es liegt mir fern, diese Binsenweisheit zu bestreiten. Wenn man das principium individuationis schon dem pflanzlichen Blatt zuerkennt, wieviel mehr derart komplizierten Gebilden wie geschichtlichen Ereignissen. Aber in den beiden abschließenden Wörtern „nie ganz“ liegt bereits die Einschränkung. Geschehnisse können sich wiederholen, nur nicht ganz wiederholen. Mit dieser wechselseitigen Einschränkung ist das Entscheidende ausgesprochen. Es gibt in dem Komplex einer geschichtlichen Erscheinung Bestandteile, die sich wiederholen und solche, die es nicht tun. Nach beiden Bestandteilen darf der Historiker fragen — und er tut es ständig in seiner Forschung. Beide sind bedeutsam, wenn auch meist nach verschiedener Richtung.“
    (Franz Altheim, Niedergang der alten Welt, Band 1, S.223)

    100 Jahre vor dem Ende von Byzanz äußerte sich der damals dort herrschende Kaiser folgendermaßen (eine vergleichbare Persönlichkeit suchen wir gegenwärtig unter unseren, derzeit herrschenden, Politikern vergeblich; lediglich in der AfD werden wir fündig, doch diese Partei hat leider noch keinen Einfluß auf die hiesige Politik):

    „Nichts trägt mehr zur Zerstörung eines Staatswesens bei, ob Republik oder Monarchie, als der Mangel an weisen oder intelligenten Menschen. Hat eine Republik viele Bürger oder eine Monarchie viele Diener mit ausgezeichneten Eigenschaften, erholt sie sich rasch von den Verlusten, die ihr ein Ungemach bereitet hat. Fehlt es jedoch an solchen Menschen, fällt sie in tiefste Schande. Deshalb beklage ich den gegenwärtigen Zustand des Reichs, das nun, nachdem es in der Vergangenheit so viele hervorragende Menschen hervorgebracht hat, so unfruchtbar geworden ist, daß den Regierenden von heute nichts gegeben ist, was sie über die von ihnen Regierten erhebt.

    Wir sind nämlich einer so jämmerlichen Schwäche verfallen, daß wir, weit davon entfernt, das Joch anderen aufzubürden, alles tun müssen, um es von uns selbst fernzuhalten […] Wir wollen deshalb dafür sorgen, daß uns die Freunde wieder schätzen und unsere Feinde wieder fürchten. Wenn wir aber verzweifeln und uns verächtlicher Trägheit überlassen, werden wir schon bald in Knechtschaft geraten. Es gibt keinen Mittelweg. Entweder retten wir das Reich, indem wir unsere alten Tugenden erneuern; oder wir verlieren es und leben unter der Herrschaft unserer Eroberer. Trefft daher einen edlen Entschluß und handelt um Eures Ruhmes, Eurer Sicherheit, Eure Freiheit und Eures Leben willen.“
    (Johannes Kantakuzenos, Kaiser von Byzanz 1347-1354)

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