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Gedankensplitter (18. Dez. 2015)

Wenn ich noch einmal auf die Serie von Beiträgen zur Ergründung des Wesens der Neuen Linken (von hier bis dort) zurückblicke, dann wird mir deutlich, daß damit nicht allein die genannte Bewegung thematisiert wurde, sondern die gesamte Moderne. – Um sie zu erklären, wird allzu oft lediglich auf die Französische Revolution als Ergebnis der Aufklärung des 18. Jahrhunderts verwiesen, doch gerade die Neue Linke erschließt sich ausschließlich von dorther nur unzureichend. Es gibt noch eine zweite Strömung neben der französischen bzw. kontinental-europäischen, die für die Moderne und damit das, was „Westen“ genannt wird, von ebenfalls konstitutiver Bedeutung ist, das manichäische Denken im Gefolge des angelsächsischen – ins Besondere nordamerikanischen – Puritanismus.

Das Pendant der Französischen Revolution (1789 – 1799*) bildet daher der Englische Bürgerkrieg (1642 – 1649) samt Glorious Revolution (1688 – 1689) gemeinsam mit dem nordamerikanischen Unabhängigkeitskrieg (1775 – 1783) samt Beschluß der US-Verfassung (1787), wodurch das angelsächsische Bürgertum als Vertreter des Dritten Standes die Vorherrschaft in beiden Ländern diesseits und jenseits des Atlantiks erlangte. In den USA wurde dabei der Puritanismus in geringerem Maße durch den Anglikanismus abgemildert und vermochte daher das Geistesleben nachhaltiger zu prägen. Dies schlug sich nicht allein in der Umkehrung bzw. Verkehrung von Dingen oder Zuständen zum Zwecke von deren Kritisierung nieder, sondern auch in aller möglichen Zweiteilung, entsprechend Gutem und Bösem, das beispielsweise zur Unterscheidung von wirtschaftlich Erfolgreichen und Triebverhafteten, ökonomisch genutzter Vernunft und sinnlichem Vergnügen dient, dem politisch die Lager des – mittlerweile nur noch sogenannten – Konservativismus und der Neuen Linken entsprechen.

* Die Datierung auf 1799 identifiziert das Ende der Revolution mit der Machtergreifung Napoleons.

Im Gefolge der Französischen Revolution wird Freiheit und Gleichheit propogiert, die – nach dem Erscheinen von Liberalismus und Sozialismus – inzwischen im Sinne der Beliebigkeit selbst von Geschlechtern, Genderismus, und biologischer Gleichheit, Leugnung menschlicher Racen, verstanden wird. Das angelsächsische Denken nach manichäischem Muster diente vor allem der Daemonisierung jeglichen anderen Standpunkts und eignete sich vorzüglich als Voraussetzung für einen weißen Racismus im 19. Jahrhundert, der die massenhafte Tötung von nordamerikanischen Ureinwohnern ebenso begrüßte wie die Versklavung von Schwarzafrikanern, deren racische Minderwertigkeit ein höchstrichterliches Urteil 1857 (Dred Scott Decision) feststellte.* Doch das manichäische Denken führte dazu, daß eine Gegenposition bezogen wurde, die dies auf den Kopf stellte, umkehrte. Die Abolitionistin Harriet Beecher-Stowe**, die Autorin von „Uncle Tom’s cabin (1851/1852; dtsch. Onkel Toms Hütte, 1852)“ war nach einer Anekdote von US-Präsident Lincoln*** mit folgendem Satz angesprochen worden: „Sie sind also die kleine Frau, die diesen großen Krieg verursacht hat.“ Als Sklavenbefreiung deutete man gern den Sezessionskrieg (1861 – 1865), obwohl sein Anlaß, die Loslösung der Südstaaten, keineswegs bloß dem Wunsch entsprang, der Bosheit freien Lauf lassend weiter schwarze Sklaven zu knechten.

Tatsächlich fällt auf, daß die us-amerikanische Frauenbewegung das – der Französischen Revolution entsprechende – Verlangen nach politischer Gleichheit in Gestalt des Wahlrechtes mit der Sklavenbefreiung verknüpfte: Die Vorherrschaft wurde begriffen als die des Mannes, und zwar des weißen; unterdrückte er die Schwarzen, so war die Frage des Geschlechts bei ihnen nachrangig. Vier Jahre nach dem Sieg des Nordens im Sezessionskrieg erhielten der männlichen Afro-Amerikaner das Wahlrecht, woraufhin sich die Frauenbewegung nun auf diese Frage konzentrierte; doch hatte sie es bereits mit einem weiteren Anliegen verknüpft, und zwar dem Alkoholkonsum [der weißen Männer], den die us-amerikanische Frauenbewegung nun so erfolgreich bekämpfte, daß 1919 die Prohibition durch den achtzehnten Zusatzartikel in die Verfassung aufgenommen wurde.

* Schwarze sind danach „beeings of an inferior order“, [Lebe]wesen einer niederen Ordnung.

** geb. 1811, gest. 1896

*** Abraham Lincoln; geb. 1809, gest. 1865 [durch ein Attentat]; US-Präsident 1861 – 1865

Beide „westlichen“ Geistesströmungen, die französische und die angelsächsische, begannen sich zu einem Amalgam zu verbinden, das als Grundlage politischer Ideologien vorzüglich geeignet ist, weil es kein widerspruchsfreies Ganzes bildet, so daß man stets das herausgreifen kann, was gerade opportun erscheint. – Es läßt sich das Zusammenwirken beider westlichen Strömungen am Beispiel der Roosevelts vor Augen führen: Während Franklin Delano* geistig eher kontinentaleuropäisch ausgerichtet war und die „Vier Freiheiten“ verkündete (1941), stand seine Ehefrau Eleanor** in der Tradition der us-amerikanischen Frauenbewegung; sie veranstaltete als Präsidentengattin nicht nur wöchentliche Pressekonferenzen ausschließlich für Reporterinnen, sondern setzte sich auch in ihrer von 1935 bis 1962 erscheinenden Zeitungskolumne „My Day“, Mein Tag, nachdrücklich für Afro-Amerikaner ein. Nach dem Tod ihres Ehemannes zog sie sich keineswegs aus der Politik zurück und hatte nicht unwesentlichen Anteil am Entstehen der Neuen Linken, die mittlerweile das systemimmanente Pendant des spätmodernen „Konservatismus“ bildet: Während letzterer die Anliegen des globalen Monopolkapitalismus offen vertritt, dabei alle Ebenen zwischen Individuum und Menschheit leugnend, bildet die Neue Linke dessen Partner, der sich vor allem für die Vorherrschaft sämtlicher „Randgruppen“ einsetzt, womit jeglicher Zusammenhalt in der Gesellschaft zersetzt und deren Widerstandskraft geschächt wird,*** was wiederum der Durchsetzung der Interessen des Globalkapitalismus sehr dienlich ist.

* geb. 1882, gest. 1945; US-Präsident 1933 – 1945

** geb. 1884, gest. 1962

*** Man vergleiche den Widerstand gegen die Umvolkung in der ehemaligen SBZ im Vergleich zu dem in der früheren Trizone.

 

 

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