Die Entstehung der anti-racistischen Ideologie (1)
von virOblationis
Die anti-racistische Ideologie entstammt der Moderne, wohl kaum aber der französischen Aufklärung, denn das Ideal der Gleichheit wird dadurch nicht wirklich verfolgt. Man gibt allenfalls vor, die Verhältnisse auf den Kopf stellen zu müssen, damit daraus irgendwann Gleichheit hervorgehe, doch tatsächlich scheint die Verkehrung der traditionell geordneten Zustände seinen Zweck in sich zu tragen, denn sie wird immerfort weiterbetrieben, obwohl sich keine Gleichheit einstellen will, sozusagen wie eine permanente Weiberfastnacht. – Dabei steht dem Anti-Racismus eine bestimmte Art des Feminismus nahe, nämlich diejenige, die nach der Erstreitung gleicher Rechte für Frauen die Ansiedelung gerade solcher exotischen Bevölkerungsgruppen vehement befürwortet, bei denen eine Rechtsgleichheit der Geschlechter ausgeschlossen erscheint, weil deren Religion, gemeint ist der Islam, eine mit der Moderne nicht zu vereinbarende soziale Ordnung vorschreibt.
Dies ist ein erster Hinweis auf die Herkunft der Ideologie des Anti-Racismus, die einerseits modern ist, aber andererseits nicht im Einklang steht mit der französischen Aufklärung. Schon von daher liegt die Vermutung nahe, daß sie dem angelsächsischen Zweig der Moderne entstammt. Dort ist das Motiv der Verkehrung der Verhältnisse fest verankert, und zwar in der Tradition des Puritanismus, für den – auf Grund der Lehre einer doppelten Praedestination – das manichäische Denken konstitutiv ist. Wenn man dem verhaftet bleibt und zugleich Kritik an irgendwelchen Zuständen üben will, dann kann daraus nur die Forderung nach einer Umkehrung der Verhältnisse resultieren, so daß das vom Bösen unterdrückte Gute an dessen Stelle die Oberhand gewinnt.
Die englische Kolonialisierung Nordamerikas begann 1607 mit der Gründung Virginias, wo vor allem Tabak angebaut wurde. Das Gebiet wurde in die anglikanische Staatskirche einbezogen und bildete den historischen Kern der späteren Südstaaten. Weiter nördlich ließen sich die Puritaner nieder, aus deren Gründungen die Neuenglandstaaten hervorgingen;* die Puritaner waren in religiöser Hinsicht vor allem durch die Lehre einer doppelten Praedestination gekennzeichnet, nach der nicht nur ein Teil der Menschen von Ewigkeit her zum Heil erwählt ist, sondern ebenso ein anderer Teil von Gott aus dessen freiem Ratschluß heraus verdammt ist.** Zur doppelten Praedestination bekannten sich die englischen Calvinisten sowie die Wiedertäufer durch die Westminster Confession (1646).
* Ab 1620 kamen die „Pilgrim Fathers“ dorthin.
** Die Lehre einer doppelten Praedestination tauchte schon während des frühen Mittelalters (Gottschalk, 9. Jh) auf. – Nach Thomas besteht die Verwerfung darin, daß Gott die Menschen nicht etwa aus eigenem Ratschluß verdammt; vielmehr läßt er es zu, daß Menschen auf Grund ihres freien Willens, ex libero arbitrio, in Todsünde sterben und somit das Ziel verfehlen, auf das hin sie geschaffen sind, wodurch sie sich die Verdammnis zuziehen, S. Th. I q 23 a 3.
Zwischen den puritanisch geprägten Neuenglandstaaten und dem anglikanischen Süden konstituierte sich das Territorium William Penns, aus dem der Staat Pennsylvanien hervorging.* – William Penn** gehörte dem spiritualistischen Zweig des Protestantismus an, für den das Erleben der Gottunmittelbarkeit konstitutiv ist. Im Zentrum steht das fromme Ich als Gegenüber Gottes. Aus dem Spiritualismus ist neben dem Quakertum ebenso der Pietismus hervorgegangen, der sowohl im Bereich protestantischen Staatskirchentums als auch unter Calvinisten Anhänger fand. Zum Spiritualismus ist ferner der Methodismus zu rechnen.
* Zwischen Pennsylvanien und den Neuenglandstaaten liegt das Gebiet von NewYork samt New Jersey, das eine besondere Geschichte hat: Es wurde vom niederländisch-französischen Calvinismus geprägt, bis es 1664 von England annektiert, zerteilt und in den Bereich der anglikanischen Staatskirche einbezogen wurde. – In Maryland ließen sich Katholiken nieder.
** geb. 1644, gest. 1718
So sieht man im englischen Nordamerika eine ursprüngliche konfessionelle Gliederung, die sich auch topographisch aufzeigen läßt. Im Norden die Puritaner, und unter ihnen auch einige Antitrinitarier, Anhänger des vierten Zweiges der Reformation, aus denen der angelsächsische Unitarismus hervorging. Im Süden die Anglikaner und zwischen beiden Lagern der Quakerstaat Pennsylvanien. – Der protestantische Spiritualismus begann auch auf den Puritanismus auszustrahlen, und so kam es dort zu einer Erweckungsbewegung, dem Great Awakening, um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Sie erfaßte zuerst* die Presbyterianer Pennsylvaniens und New Jerseys, also diejenigen angelsächsischen Calvinisten, die einem Gemeindeverband angehörten, und dann auch die Congregationalisten des Nordens, in lauter selbständigen Gemenden organisierte Calvinisten und Wiedertäufer.** Die Zuschauer mehr oder weniger theatralischer Darbietungen sollten vor allem durch die Androhung der Hölle Erschütterung empfinden. Erweckte Prediger der Presbyterianer warben danach auch im Süden für ihren Glauben, in Virginia***, und solche der Wiedertäufer in North Carolina****. Zwar entsprach die nordamerikanische Erweckungsbewegung einer Ausbreitung des spiritualistischen Elementes innerhalb des dortigen Protestantismus, doch handelte es sich nicht um die quakerische Spiritualität des Verlangens nach Geistbegabung, so daß sich von der Erweckungsbewegung abwendende Protestanten den Anglikanern oder aber den Quakern anschlossen. Auch unter den Gegnern der Erweckung, die Presbyterianer oder Congragationalisten blieben, kam es zur internen Gemeindespaltungen.
* ab ca. 1730
** ab ca. 1740
*** ab ca. 1740
**** ab ca. 1750 – Im Süden (Georgia) hatte bereits 1736 bis 1737 der Gründer der Methodistengemeinschaft, John Wesley (geb. 1703, gest. 1791), noch vor seinem Erweckungserlebnis (24. Mai 1738, 20.45 Uhr), als Prediger gewirkt.
Geraume Zeit nach dem Unabhängigkeitskrieg (1775 – 1783) und der Gründung des Staates USA durch Beschluß einer Verfassung (1787 – 1789) kam es dort zu einer zweiten Erweckung, Second Great Awakening, während des ersten Drittels des 19. Jahrhunderts. Eine führende Rolle spielte dabei Timothy Dwight IV.*, ein Nachkomme Thomas Hookers**, eines der Pilgrim Fathers, der 1633 in Nordamerika angekommen war und 1636 zusammen mit John Haynes***, dem danach dort amtierenden ersten Gouverneur, die Kolonie Connecticut gegründet hatte. Timothy Dwight IV. entstammte einer der nach wie vor einflußreichsten Famlien Neuenglands. Seine Mutter war eine Tochter von Jonathan Edwards****, einem der bedeutendsten congregationalistischen Prediger der ersten Erweckung; Edwards hatte die Lehre einer doppelten Praedestination abgelehnt, bis er durch ein persönliches Entrückungserlebnis (1721) dazu bekehrt worden war.
* geb. 1752, gest. 1817
** geb. 1586, gest. 1647
*** geb. 1594, gest. 1653
*** geb. 1703, gest. 1758
Schon als Vierjähriger soll der 1752 zu Northampton in Massachusetts geborene Timothy Dwight unter Anleitung seiner Mutter in der Bibel gelesen und mit sieben Jahren Eingeborenen Katechismusunterricht erteilt haben. Obwohl er bereits 1760 die Aufnahmebedingungen des Yale College* erfüllte, mußte Timothy Dwight auf seine Aufnahme bis 1765 warten. Nach vier Jahren erlangte er 1769 den Bachelor und 1772 den Master of Arts. Bereits 1771 hatte er eine Tätigkeit als Tutor in Yale aufgenommen. Danach wurde Timothy Dwight Geistlicher einer Congregationalistengemeinde in Connecticut und heiratete (1777) die von Long Island stammende Tochter eines Bankiers und Freundes seines Vaters; zugleich hatten es die beiden Väter in Yale 1744 zum Bachelor gebracht. Timothy Dwight und seine Ehefrau wurden Eltern von acht Kindern, das erste, ein Sohn, der den Namen des Vaters erhielt, kam 1778 zur Welt.
* 1701 gegründet und von Congregationalisten gefördert
Doch inzwischen war der Unabhängigkeitskrieg ausgebrochen, und da sein loyalistisch gesinnter Vater* mit Major-General Phineas Lyman**, der die Kolonialtruppe Connecticuts kommendiert hatte, an der Spitze eines Siedlertrecks in den Westen gezogen war, um bei Natchez am Mississippi eine neue Kolonie zu gründen (1773), wo er nicht lange danach im Frühjahr 1777 verstorben war, gab sein Sohn die Stellung als Gemeindeprediger auf und wurde im Herbst desselben Jahres Militärgeistlicher der Rebellenarmee in Westpoint. Als ihn die Nachricht vom Tode des Vaters erreichte, nahm Timothy Dwight seinen Abschied und kehrte 1779 nach Northampton in Massachusetts zurück, um den dortigen Besitz seiner Familie zu verwalten. In dem Jahr des Pariser Friedens mit England (1783) trat Timothy Dwight eine Stelle als Prediger der Congregationalistengemeinde zu Greenfield in Connecticut an, die er bis 1795 innehatte.
* Major Timothy Dwight III.; geb. 1726, gest. 1777
** geb. 1716, gest. 1774
Timothy Dwight veröffentlichte neben theologischer Prosa auch poetische Werke. Er verglich das englisch besiedelte Nordamerika als Gelobtes Land der [protestantischen] Christenheit mit dem alttestamentlichen Palaestina in „The Conquest of Canaan. A Poem in eleven Books (1771 / Endfassung 1785)“*. In dem Epos „Greenfield Hill. A Poem in seven Parts (1794)“** pries er das dortige ländliche Leben und Connecticut insgesamt als Verwirklichung einer vollkommenen Gesellschaft; dem us-amerikanischen Tugendleben stellte er die europäische Dekadenz gegenüber. – Dwight gehörte der Föderalistenpartei Connecticuts*** an, die die Französische Revolution (1789 – 1799) anfangs begrüßt hatte, da man die Verfolgung der katholischen Kirche freudig begrüßte, weil man darin den Antichristen wähnte, doch als man erkannte, daß auch der Protestantismus nicht verschont wurde, verwarf man die Französische Revolution. Ebenso verhielt sich die Föderalistenpartei der Forderung nach Gleichheit aller Menschen gegenüber ablehnend.
* Die Eroberung Kanaans. Ein Gedicht in elf Büchern – Wenn die Protestanten europäischer Herkunft als Erwählte das Gelobte Land nach Gottes Willen in Besitz nehmen, ist es klar, welche Rolle den Indianern dabei zwangsläufig zufällt.
** Greenfield Hill. Ein Gedicht in sieben Teilen
*** Die Federalist Party beherrschte Connecticut bis 1818. – Im gesamten Bereich der USA verlor sie ihren politischen Einfluß weitgehend, nachdem sie den Krieg der USA gegen Großbritannien (1812 – 1814), der das Ziel verfolgte, Kanada zu annektieren und die Kontinentalblockade für die US-Handelsschiffahrt ignorieren zu dürfen, anfangs nicht bejaht hatte.
1795 wurde Dwight zum Nachfolger des verstorbenen Präsidenten Yales bestimmt; Dwight hatte dieses Amt bis zu seinem Tode 1817 inne. Er gewann bedeutende Wissenschaftler als Professoren für sein College. Als Theologe wandte er sich gegen die europäische Kultur, vor allem die französische Aufklärungsphilosophie, und als Prediger gegen den sich mittlerweile ausbreitenden Unitarismus, zu dem ganze Congregationalistengemeinden übergingen; selbst das bis dahin puritanische Harvard öffnete sich 1805 dem Unitarismus mit der Berufung eines Anhängers dieser Lehre zum Professor der Theologie. – Um dem Unitarismus wirkungsvoller als bis dahin entgegenzutreten, rückte man die Lehre einer doppelten Praedestination samt rationaler Argumentation in den Hintergrund und betonte stärker den Spiritualismus in Gestalt des emotionalen Erlebens religiöser Inhalte, ohne die puritanische Freudlosigkeit aufzugeben und ohne das manichäische Denkmuster zu überwinden, das dem Frommen alles Gute zuerkennen muß und den Gegner daemonisiert. Dwight gehörte dieser Richtung an, durch die eine zweite Erweckungsbewegung initiiert wurde, the Second Great Awakening.
Die doppelte Praedestination wandelt sich bei Dwight zu einer Art Schicksalglauben. So verwirft er die durch Edward Jenner* ab 1796 praktizierte Schutzimpfung mit Kuhpocken, da man sich versündige, wenn man eine Krankheit zu meiden suche, die Gottes Willen verfügt habe. Konsequenter Weise hätte Dwight jegliche Medizin ablehnen müssen, doch zum besseren Verständnis seiner Haltung in der Frage der Impfung ist darauf hinzuweisen, daß sein Großvater mütterlicherseits, der bereits erwähnte Jonathan Edwards, 1758 nach einer Pockenimpfung verstarb, die zu jener Zeit noch nicht mit Kuhpocken, also als Vakzination, durchgeführt wurde, sondern mit dem Eiter Erkrankter, als Variolation; letztere stellte eine im Osmanischen Reich entwickelte Modifikation eines ursprünglich chinesischen Verfahrens dar und war zu Beginn des 18. Jahrhunderts in England bekannt geworden.
* geb. 1749, gest. 1823
1803 hielt Dwight eine berühmte Predigt über Jer. 8, 20. Darin suchte er aufzuzeigen, daß der Unglaube mit sündigem Verhalten einhergeht, wozu jegliches Vergnügen gehöre. Vehement verurteilt Dwight „…ardent thirst for sensual enjoyment, for gay amusements, for sportive companions, and for haunts of festivity, mirth, and joy“, brennenden Durst nach sinnlicher Freude, nach unbeschwerter Unterhaltung, nach ausgelassener Gesellschaft und nach Raum für Festlichkeit, Fröhlichkeit und Vergnügung“. Dem entgegen stehe die geistliche Erweckung zu [ebenso freudloser wie] frommer Werktätigkeit. [Was bleibt dem solcher Art Erweckten außer dem Anhäufen von Reichtum als Zeichen des Erfolges seiner Bemühungen und dem selbstgerechten Ergötzen daran, anderen alle Freude zu vergällen?]
Zu den von Dwight geförderten Theologen gehörte Lyman Beecher*; auch der war neben zahlreichen Collgestudenten unter den Hörern der berühmten Predigt von 1803, und er gelangte dadurch zu einem Erweckungserlebnis.
* geb. 1775, gest. 1863
[…] Zum Originalartikel […]
[…] http://deutschland-politik-21.de/2016/02/12/die-entstehung-der-anti-racistischen-ideologie-1/ […]
[…] Es muß bereits während des 18. Jahrhunderts im Bereich der angelsächsisch besiedelten Ostküste Nordamerikas einen massiven Glaubensschwund gegeben haben. Von daher gesehen erscheint die Erweckungsbewegung des Great Awakening als Reaktion darauf, die versuchte, der Saecularisierung entgegenzuwirken und vor allem den Calvinismus durch ein spiritualistisches Element, das persönliche Empfinden, attraktiver zu machen. Damit erscheint es noch plausibler, daß sich das Second Great Awakening des beginnenden 19. Jahrhunderts nicht nur der Intensivierung des eigenen Glaubenslebens und der Bekehrung einzelner widmete, sondern sich auch zugleich ausdrücklich gegen die französische Aufklärung und das Unitariertum wendete, wie am Beispiel des Protagonisten der zweiten Erweckungsbewegung, Timothy Dwight, deutlich geworden ist. […]
[…] Die Entstehung der anti-racistischen Ideologie (1) […]