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Zitat

Bei der Sichtung des Materials für den zweiten Teil der „Entstehung der anti-racistischen Ideologie” ist mir ein Zitat untergekommen, daß ich für doch so bemerkenswert halte, daß ich es dem Leser vorstellen will. Es stammt von James Madison, dem vierten Präsidenten der USA,* einem Südstaatler aus Virginia, der zwar der aus der Anglikanischen Kirche hervorgegangenen Episcopal Church angehörte, sich persönlich aber wohl zum Deismus** bekannte. Als Liberaler setzte sich Madison immer wieder für die Trennung von Kirche und Staat ein. Einmal jedoch äußerte er sich öffentlich auch zu einem anderen Aspekt der Religion, der erkennen läßt, daß er nicht nur eine Toleranz auf der Basis religiöser Indifferenz vertritt, die objektive Wahrheit nicht anerkennt und das jeweilige Bekenntnis dem Gutdünken (consciousness) des Einzelnen überläßt, sondern daß er die daraus resultierende konfessionelle Pluralität für etwas Positives hält, weil sie religiösen Unfrieden durch Unterdrückung der einen durch die anderen aus der Welt schaffe: „Freedom arises from the multiplicity of sects, which pervades America and which is the best and only security for religious liberty in any society. For where there is such a variety of sects, there can [n]ot be a majority of any one sect to oppress and persecute the rest.”*** Freiheit geht hervor aus der Vielzahl religiöser Gemeinschaften, welche Amerika durchzieht und welche die beste und einzige Garantie der religiösen Freiheit in jeglicher Gesellschaft ist. Denn wo eine solche Vielzahl religiöser Gemeinschaften besteht, da kann es keine Mehrheit irgendeiner Gemeinschaft geben, die [in der Lage ist,] die übrige[n] zu unterdrücken und zu verfolgen.

* geb. 1751, gest. 1836; US-Präsident 1809 – 1817

** Die Schöpfung wird auf Gott zurückgeführt, der jedoch – im Anschluß an Leibniz (Gottfried Wilhelm Leibniz; geb. 1646, gest. 1716) – mit einem Uhrmacher vergleichen wird, dessen Werk abläuft, ohne daß der Hersteller noch einmal in das Geschehen eingreift.

*** aus einer Rede, gehalten vor der verfassungsgebenden Versammlung Virginias im Juni 1778, zitiert nach James A Haught, „2000 Years of Disbelief (1996)” auf positveatheism.org

Man setzte nur einmal „Ethnie” an die Stelle von „religiöser Gemeinschaft”. Dann lautet das Zitat: „Freiheit geht hervor aus der Vielzahl der Ethnien, welche Amerika durchzieht und welche die beste und einzige Garantie der Freiheit in jeglicher Gesellschaft ist. Denn wo eine solche Vielzahl der Ethnien besteht, da kann es keine Mehrheit irgendeiner Ethnie geben, die [in der Lage ist,] die übrige[n] zu unterdrücken und zu verfolgen.” Es ergibt sich eine Apologie des Multikulturalismus! M.a.W. das Denkmuster, das der Vorstellung einer Verhinderung von Unterdrückung durch Fragmentierung statt Homogenität zu Grunde liegt, läßt sich bereits im 18. Jahrhundert nachweisen.

 

4 Kommentare zu „Zitat“

  • […] Zum Originalartikel […]

  • Christoph Klein:

    Ein toller Fund! Für mich überraschend neu (für Sie offenbar auch). Die Überlegungen Madisons sind gewiß mehr als „bemerkenswert“. Ihren Schlußfolgerungen kann man eigentlich nur zustimmen: Es geht über den konkreten Fall hinaus um den „Segen“ von Fragmentierung gegenüber Homogenität. Wo taucht dieser Gedanke sonst noch auf, wo und wann evtl. wird er aufgegriffen? Bleiben Sie am Ball! (Wäre schön, wenn das ginge…, scheint ja doch ein ganz neues „Arbeitsfeld“ zu sein; bisher unbeackert – oder?)

  • ingres:

    Nun ja, ich habe im Zivildienst, 1972, von Skinner WaldenII gelesen. Und war dem nicht abgeneigt (war ja damals vermeintlich links). Ich weiß nicht mehr warum, aber ich habe damals gesagt, dass Demokrtie, Freiheit usw. nur durch „vollständige Zersplitterung der Interessen“ zu erreichen sei.
    Ich weiß´´icj tat mich damals schon schwer über das Wetter zu reden und habe dann versucht mit solchen Aussagen aus der Schweigsamkeit zu kommen. Aber ich habs schon ernst gemeint.

    Gemeint habe ich, dass es eben keine Einheitsmeinung geben darf, sondern dass es einen freien Wettbewerb der Meinungen geben muß und wechselseitige Kontrolle. Das ist ja nicht falsch?
    Wenn man also Meinung einsetzt, wirds nicht so falsch.

    Aber ich weiß heute, dass es nicht so einfach ist, sondern die richtige Meinung ein Übergewicht haben muß. Aber leider hat sich die richtige Meinung nicht als Übergewicht realisieren lassen.

  • […] wir noch zu einigen weiteren Überlegungen bei dem Zitat Madisons von 1778. – Wenn James Madison sich zwar immer wieder mit der Trennung von Staat und […]

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