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Die Entstehung der anti-racistischen Ideologie (5)

Im Jahre nach der Rückkehr Stowes wurde der erste Sohn des Paares geboren, der als junger Mann um‘s Leben kam, da er als Student bei einem Badeunfall ertrank.* Dies geschah beim Dartmouth College in Hannover (New Hampshire), wo der Vater, Charles Stowe, 1831 bis 1833 Latein und Griechisch unterrichtet hatte. – Bis 1850 lehrte Charles Stowe in Cincinnati, doch begab er sich während dieser Zeit auch immer wieder im Dienste der Pädagogik auf Reisen. Er verfolgte das Ziel, den Kindern und Jugendlichen einen unentgeltlichen Besuch nicht-privater Schulen in Ohio und darüber hinaus im gesamten Westen der USA zu ermöglichen. Die religiöse Bildung sollte dabei nicht vernachlässigt werden. Dazu veröffentlichte Stowe 1844 sein „Religious Element in Education. An Adress delivered before the American Institute of Instruction at Portland, ME, August 30, 1844“.

* Henry Ellis Stowe; geb. 1838, gest. 1857 – Sein Tod stürzte die Mutter in eine Glaubenskrise. Sie war zutiefst erschüttert und zweifelte eine Zeit lang daran, daß Henry Ellis Erlösung finde: Vielleicht deshalb, weil er Selbstmord beging?

Nach der Eheschließung 1836 hatte sich Harriet Beecher-Stowes Gemütszustand aufgehellt, doch als der Ehemann im Jahr darauf aus Europa zurückkehrte, verschlechterte sich ihr Gesundheitszustand bald, so daß sie zur Erholung einige Zeit bei einem ihrer Brüder verbrachte; an die Stelle seelischer Leiden traten körperliche. – Während der Jahre, in denen sie Kinder zur Welt brachte, also bis 1850,* kränkelte Harriet Beecher-Stowe. Überspitzt gesagt: Sie begab sich zur Kur, und wenn sie heimkehrte, suchte der Ehemann an ihrer Statt das Sanatorium auf. Auch er neigte zu seelischem Leiden, und zwar zur Schwermut. Krankheiten eröffneten den Eheleuten Harriet und Charles Stowe immer wieder die Möglichkeit, einander eine Zeit lang zu entkommen.

* Neben den zuvor genannten Kindern (Henri Ellis , s.o., sowie die Zwillingsmädchen und Frederick William, s. dort) wurden noch folgende von Harriet Beecher-Stowe geboren:

Calvin Beecher Stowe, der wohl so bald verstarb, daß nichts weiter über ihn bekannt ist

Georgianna May Allen, geb. Stowe; geb. 1843, gest. 1890; eine Morphinistin, die an einer Sepsis verstarb (vgl. den Alkoholismus des Bruders Frederick William)

Samuel Charles Stowe; geb. 1848, gest. 1849; starb an Cholera

Charles Edward Stowe; geb. 1850, gest. 1934; der Biograph der Mutter (vgl. dort)

Von den Kindern überlebten nur drei die Mutter, ein vom Elternhaus fortstrebender Sohn und dessen ältere Zwillingsschwestern,* die sich der Mutter bedingungslos unterwarfen; in deren Biographie findet ihre aufopferungsvolle Tätigkeit keinerlei Erwähnung. – Charles Edward Stowe hatte bereits als dreizehnjähriger Draufgänger sein Streben nach Unabhängigkeit gezeigt, da er ausriß und als Schiffsjunge anheuerte, doch noch im Hafen von seinem Vater aufgespürt wurde. Als jüngstes Kind war er das einzige neben den 1836 geborenen Zwillingen, das die Mutter überlebte. Die Zwillinge blieben ledig, lebten im Hause der Eltern, arbeiteten für sie, pflegten sie und zogen nach deren Tod in die Nähe ihres Bruders nach Simsbury (Connecticut), der einer congregationalistischen Gemeinde vorstand (1891 – 1899), doch diese Stelle aufgab, nicht lange nachdem sich seine Schwestern dort niedergelassen hatten; danach scheint er in New York gelebt zu haben und schließlich nach Montecito in Kalifornien gezogen zu sein, wo er 1920 einen Gedichtband veröffentlichte* und, nachdem er 1918 Witwer geworden war, als Siebzigjähriger noch einmal heiratete.

* Eliza Tyler Stowe (gest. 1912) und Hattie Beecher Stowe (gest. 1907)

** „Rhymes from the Santa Barbara Hills“

Harriet Beecher-Stowe war ihrem Manne durchaus zugetan, und sie erkannte seine Gelehrsamkeit an; was ihr aber zu schaffen machte, das läßt sich aus späteren Äußerungen unschwer erkennen, war das verhältnismäßig geringere Einkommen des Gatten. So war es ihr nicht möglich, eine reguläre Haushaltshilfe zu beschäftigen; erst als später entflohene schwarze Familien in der Umgebung der Theologischen Hochschule Cincinnatis angesiedelt wurden, änderte sich diese Situation, offensichtlich deshalb, weil schwarze Frauen für geringeren Lohn arbeiteten. – Harriet Beecher-Stowes Erzählungen, die in Zeitungen erschienen, boten ihr nicht nur die Gelegenheit, künstlerische Neigungen auszuleben, sondern sie trugen, worauf die Autorin Wert legte, auch nicht unwesentlich zur Aufbesserung des Budgets der Familie bei.

Die Zeit der Geldknappheit endete für die Familie 1850, als der gerade aus dem Sanatorim heimgekehrte Charles Stowe einen Ruf an das Bowdoin-College zu Brunswick (Maine) erhielt, das er aus seiner Schulzeit kannte und das ihn anschließend als Bibliothekar beschäftigt hatte; nun kehrte Charles Stowe als Professor dorthin zurück, und zwar auf einen neu eingerichteten Lehrstuhl, den dessen Stiferin für Natürliche und offenbarte Religion* bestimmt hatte. Stowe, der außerdem noch irgendein Angebot aus New York erhalten hatte, das ihm höhere Einkünfte verhieß, ein Jahreseinkommen von zweitausenddreihundert Dollar, nahm den Ruf an das Bowdoin College an, als dieses das Gehalt auf dieselbe Summe erhöhte. Dort lebte Stowe mit seiner Familie allerdings in der Nachbarschaft und damit unter den Augen der Stifterin des Lehrstuhls, und so nahm er bereits 1852 einen Ruf des Andover Theological Seminary (Massachusetts) an, wo er selbst studiert hatte und wo er nun ab 1853 als Professor Biblische Theologie** lehrte; 1863 gab Stowe die Stelle wegen seiner beeinträchtigten Gesundheit auf und zog sich ins Privatleben zurück.

* [Mrs.] Collins Professorship of Natural and Revealed Religion

** Sacred Literature

 

Nachträge zu Die Entstehung der anti-racistischen Ideologie (2) und (4)

1)

Den Schlußabsatz des zweiten Teils habe ich noch weiter präzisiert. Bisher hieß es:

Die calvinistischen Prediger verdammten Katholizismus, Aufklärung und jegliche Sinnenfreude, ins Besondere den Alkoholgenuß. Der nach den Schwarzen als Lohnarbeitern verlangenden Unternehmerschaft kam man dadurch entgegen, daß man auf Seiten der Frommen nun ebenfalls die Abschaffung der Sklaverei forderte, und zwar unter religiösen Gesichtspunkten. – Während also die calvinistische Tradition mit verflüchtigtem Glaubensbekenntnis und die aufklärerisch gesinnten Liberalen in den Freimaurerlogen zusammenfanden, einte der Abolitionismus die liberale Unternehmerschaft mit den calvinistischen Frommen, die im Second Great Awakening ihre Anhängerschaft zu stabiliseren und zu vergrößern suchte. Eine führend Rolle in dieser Erweckungsbewegung spielte, wie bereits erwähnt, Timothy Dwight, und zu den von ihm inspirierten Theologen gehörte Lyman Beecher, der nach Abschluß seiner Studien in Yale seit 1799 als presbyterianischer Geistlicher einer Gemeinde auf Long Island wirkte.

Nunmehr:

Die calvinistischen Prediger verdammten Katholizismus, Aufklärung und jegliche Sinnenfreude, ins Besondere den Alkoholgenuß. Der nach den Schwarzen als Lohnarbeitern verlangenden Unternehmerschaft kam man dadurch entgegen, daß man auf Seiten der calvinistischen Frommen nun ebenfalls die Abschaffung der Sklaverei forderte, und zwar unter religiösen Gesichtspunkten; dies war um so leichter möglich, als die spiritualistischen Richtungen der Quaker und Methodisten schon während des 18. Jahrhunderts eine Abschaffung der Sklaverei aus religiösen Gründen gefordert hatten.* – Während also die calvinistische Tradition mit verflüchtigtem Glaubensbekenntnis und die aufklärerisch gesinnten Liberalen in den Freimaurerlogen zusammenfanden, einte der Abolitionismus die liberale Unternehmerschaft mit den calvinistischen Frommen, die im Second Great Awakening ihre Anhängerschaft zu stabiliseren und ihren gesellschaftlichen Einfluß zu vergrößern suchte. Eine führende Rolle in dieser Erweckungsbewegung spielte, wie bereits erwähnt, Timothy Dwight, und zu den von ihm inspirierten Theologen gehörte Lyman Beecher, der nach Abschluß seiner Studien in Yale seit 1799 als presbyterianischer Geistlicher einer Gemeinde auf Long Island wirkte.

* Die non-calvinistischen, d.h. die Lehre einer doppelten Praedestination ablehnenden Wiedertäufer Rhode Islands hatten sogar bereits im 17. Jahrhundert eine Abschaffung der Sklaverei auf ihrem Territorium gesetzlich verankert (1652). Die nachfolgend stattfindende weitgehende Ausrottung der dort lebenden Indianer schien sie hingegen weniger anzufechten, obgleich einer der Geistlichen der Wiedertäufer (sc. Roger Williams; geb. ca. 1603, gest. 1683) sogar die Sprache und Kultur der Eingeborenen studiert hatte, weil er sie für den Glauben gewinnen wollte und weil seine Stadtgründung Providence (1636) von der Landwirtschaft ebenso lebte wie vom Handel mit den Indianern

2)

In der Anmerkung zum vorletzten Absatz des vierten Teils hieß es bisher lediglich:

* Frederick William Beecher, geb. 1840, gest. 1870 – An einer während des Sezessionskrieges als Soldat erlittenen Kopfverletzung leidend unternahm er eine Seereise zur weiteren Erholung, die ihn nach St. Francisco führte, wo er spurlos verschwand.

Nunmehr ergänzt:

* Frederick William Beecher, geb. 1840, gest. 1870(?) – An einer während des Sezessionskrieges als Soldat erlittenen Kopfverletzung leidend unternahm er eine Seereise zur weiteren Erholung, die ihn nach St. Francisco führte, wo der Dreißigjährige spurlos verschwand. (So zumindest die Version der Biographie Harriet Beecher-Stowes. – In Wirklichkeit tat Frederick William schon ein Jahr nach seiner Verwundung wieder Dienst als Soldat. Was seine Gesundheit noch nach Kriegsende beeinträchtigte, war sein Alkoholismus, und die Seereise sollte wohl vor allem der Ausnüchterung dienen.)

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