Die Entstehung der anti-racistischen Ideologie (9)
Den Anstoß zur Niederschrift der Erzählung von „Uncle Tom‘s Cabin (1852)“ lieferte der „Fugitive Slave Act (1850)“.* Die Sklaverei in den Südstaaten bildet daher das thematische Zentrum des Buches. – Harriet Beecher-Stowes millenaristische Auffassung vom Christentum sieht die Menschheitsgeschichte auf einen allgemeinen Zustand diesseitiger Glückseligkeit hinauslaufen, und daher soll das Tun des Christen darauf ausgerichtet sein, darauf hinwirken. Dies bedeutet z.Z. der Entstehung des Romans, daß der Einsatz für den Abolitionismus erste Christenpflicht ist, auch wenn es zu derselben Zeit noch immer protestantische Theologen gibt, die die Sklaverei biblisch begründen wollen.
Neben der – so verstandenen – Religion zählt Harriet Beecher-Stowe noch zwei weitere unverwechselbare Merkmale des Lebens in den Nordstaaten auf: Bildung und republikanische Lebensweise. Die Bildung kann für den ökonomischen Erfolg genutzt werden, der das Geldverdienen anstrebt, welches unbedingt zum „republican [way of] life“ nördlich des Ohio gehört.** Dorthin entkommene Sklaven haben mit ihrer Flucht sozusagen ihr christliches Bekenntnis abgelegt. Anschließend erweisen sie sich als ökonomisch erfolgreich,*** und sie sind nach erfolgreicher Flucht auf Bildung erpicht: „They come to seek a refuge among you; they come to seek education, knowledge, Christianity. … The first desire of the emancipated slave, generally, is for education. There is nothing that they are not willing to give or do to have their children instructed, and, so far as the writer has observed herself, or taken the testimony of teachers among them, they are remarkably intelligent and quick to learn. The results of schools, founded for them by benevolent individuals in Cincinnati, fully establish this.“**** In der Übersetzung von 1852 lauten diese Sätze: Sie (sc. die entkommenen Sklaven) suchen eine Zuflucht unter Euch; sie suchen Erziehung, Wissen, Christentum. … Der erste Wunsch der befreiten Sklaven ist gewöhnlich auf Erziehung gerichtet. Ihren Kindern Unterricht zu verschaffen oder zu geben ist ihnen nichts zu teuer; und soweit die Verfasserin selbst beobachtet oder von anderen, die Neger unterrichtet haben, erfahren hat, fassen sie merkwürdig gut und rasch auf. Die Erfolge der von wohltätigen Personen in Cincinnati gegründeten Schulen bestätigen das vollkommen.
* s. Kap. 45
** Kap. 45 – Alexis de Tocqueville (geb. 1805, gest. 1859) schrieb: „… je ne connais même pas de pays où l’amour de l’argent tienne une plus large place dans le coeur de l’homme…“ … ich kenne tatsächlich kein Land, in welchem die Liebe zum Geld einen größeren Platz im Herzen des Menschen einnimmt… „De la démocratie en Amérique (1835/1840)“, Bd. 1, Kap. 3 État social des Anglo-Américains; vgl. auch die Stichworte „Gelderwerb“} und „Selbstvergewisserung (als Zeichen der Erwählung)“
*** In Kap. 45 zählt Harriet Beecher-Stowe Beispiele auf.
**** Kap. 45
Mag die Autorin auch hochintelligent sein, so ist ihre Wahrnehmung der Realität doch offenkundig durch Voreingenommenheit und Wunschdenken beschränkt. Manches wird einfach ausgeblendet, was sich auch in der nach ihren Vorstellungen angelegten und von ihrem Sohn Charles Edward Stowe verfaßten Biographie niederschlägt, in der z.B. der Tod einiger ihrer Kinder erwähnt wird, aber nicht derjenige des Ehemannes. Die Biographie schweigt ebenso darüber, daß der Ehemann zwei mal auf Lehrstühle an Unterrichtsstätten berufen wurde (1850 /1852), an denen er selbst ausgebildet worden war, wie über den Häresieprozeß gegen den Vater. Dessen Tod wird nicht erwähnt, auch nicht der derjenige seiner zweiten Ehefrau z.Z. des Häresieprozesses, nur derjenige der leiblichen Mutter, an die sich die Autorin kaum zu erinnern vermochte. – Wenn Harriet Beecher-Stowe also betont, daß die in „Uncle Tom‘s Cabin“ erzählten Geschehnisse in einem sehr hohen Maße authentisch sind, „are, to a very great extent, authentic“*, so ist diese Versicherung cum grano salis aufzunehmen. Die Sklavenhaltergesellschaft in „Uncle Tom‘s Cabin“ ist nicht von dieser Welt, auch wenn sie unter Verwendung realer Versatzstücke konstruiert ist; so wird immer wieder von der Freilassung einzelner Sklaven gesprochen, doch es gibt im Roman keine solchen, weil deren Herren stets sterben, bevor sie ihren Plan in die Tat umsetzen. Zwar läßt sich in bezug auf einzelne Züge der Erzählung auf tatsächliche Vorkommnisse verweisen, doch für die entscheidenden Elemente gilt dies eben nicht. So versichert die Autorin mit Blick darauf, daß ihr Protagonist Tom in der Sklaverei gewaltsam zu Tode gebracht wird: „That the tragical fate of Tom, also, has too many times had its parallel, there are living witnesses, all over our land, to testify.“** In der Übersetzung von 1852: „Daß das tragische Schicksal Toms ebenfalls nur zu oft vorkommt, können lebende Zeugen von einem Ende unseres Vaterlandes bis zum anderen bekräftigen.“ Dies trifft aber nur auf die äußeren Umstände des erzählten Geschehens zu, nicht auf das, worum es eigentlich geht, Toms geradezu übermenschlicher Wille zur Arbeit, seine engelgleiche Reinheit*** und seine Passion für die versklavten Schwarzen.
* Kap. 45
** Kap. 45
*** So trinkt Tom niemals Alkohol, Kap. 14.
Neben Tom gibt es eine zweite Hauptfigur im Roman, George Harris, einen Mulatten, der eine Terzeronin geheiratet hat; die beiden haben einen kleinen Sohn namens Harry. Diese Familie dient der Autorin zur Veranschaulichung der oben in Teil (8) skizzierten religiös-politischen Ideologie. – Die Geschichte von George Harris ist nur lose mit der Toms verknüpft: Dieser hat dieselbe Herrschaft und lebt auf demselben Gut in Kentucky wie die Ehefrau von George Harris. Letzterer wiederum wird von seinem weißen Herrn als Lohnarbeiter an eine Fabrik zur Herstellung von Säcken, „bagging factory“, aus Hanffasern ausgeliehen, und sogleich erweist sich seine Genialität, da er in bezug auf die Verarbeitung von Hanffasern eine Erfindung macht, die der cotton gin Eli Whitneys [s.o. Teil (2)] ebenbürtig ist.* Wegen der menschenunwürdigen Behandlung durch seinen Herrn flieht George Harris nach Ohio, und auch die Ehefrau mit dem kleinen Harry entkommt dorthin. Gemeinsam setzen sie ihren Weg auf der „underground line“** fort bis nach Kanada, wo George Harris in Montreal als Lohnarbeiter bei einem Maschinenbauer tätig wird. Fünf Jahre darauf ermöglicht eine zu Wohlstand gelangte Verwandte ihm und seiner Familie die Übersiedlung nach Frankreich, die George Harris zu Studien*** nutzt. Wegen politischer Unruhen in Frankreich kehrt die Familie nach Nordamerika**** zurück.
* s. Kap. 2
** Kap. 8
*** welcher Art?
**** wohl nach Kanada; dies wird nicht ganz klar, da (in Kap. 43) nur von „this country [bzw. Nordamerika]“ die Rede ist.
George Harris verleugnet nun seinen weißen Vater und bekennt sich zur „African race“ der Mutter.* Nach Haiti will George Harris nicht auswandern, da die Eigenart der dortigen Schwarzen [durch einen Anteil an an französischem Blut] in negativer Weise bestimmt wird.** Daher übersiedelt er mit seiner Familie nach Liberia in Afrika, dem Kontinent der Verheißung, obwohl ihm bewußt ist, daß Liberia aus [racistischen] Motiven heraus geschaffen wurde, doch inzwischen sei es ein von England und Frankreich anerkannter Staat.*** George Harris erwartet, daß von Liberia aus republikanische Lebensart und [protestantisches] Christentum [nach dem Vorbild der us-amerikanischen Nordstaaten] in Afrika verbreitet werden und daß unvergängliche, mächtige Staaten**** dort entstehen[, die sich zusammenschließen glich den Bundesstaaten der USA, und auch] für Europa erwartet George Harris eine mögliche Entwicklung in diese Richtung, „a grand council of free nations“, ein großes Kollegium freier[, aber nicht mehr voneinander unabhängiger] Nationen.***** – Die Alternative wäre eine Entfaltung der „African race“ innerhalb der USA auf der Grundlage der menschlichen Gleichheit, „equality“. Doch das bliebe dem gegenwärtigen Stadium der Geschichte verhaftet. [Die Zukunft der Menschheit ist eben mit der Entfaltung der Schwarzen in Afrika verknüpft.]
* Kap. 43
** „formed the character of the Haytiens“, Kap. 43
*** s. Kap. 16 und 45 – Liberia erklärte 1847 seine Unabhängigkeit von den USA, die von u.a. von Großbritannien (1849) und Frankreich (1852) bald anerkannt wurde.
**** „…republican life and civilization… civilization and Christianity…“ „mighty republics, that, …shall be for all coming ages…“
***** Kap. 43
Die Gestalt des George Harris veranschaulicht das ideologische Konzept des Romans: Die Schwarzen in den Nordstaaten wollen und können demnach gänzlich der Lebensweise der Weißen in den Nordstaaten entsprechen. Daher sollen sie auch zusammen mit den Weißen leben, nicht etwa nach Liberia ausgesiedelt werden. Erst wenn sie [protestantisches] Christentum, [erfolgreiches Wirtschaften durch hohe] Bildung und republikanische Lebensweise übernommen und den Stand der Weißen US-Amerikaner eingeholt haben, dann sollen sie nach Afrika auswandern, um dort eine noch höhere Kultur hervorzubringen, die die Menschheit aus der Phase von Kampf und Krieg in ein Friedenszeitalter führt. Dem entsprechend verbringt George Harris erst fünf Jahre als Lohnarbeiter in Kanada, dann vier mit Studien in Frankreich und siedelt anschließend erst nach Afrika über.
Die sogleich erfolgende Rückführung befreiter Sklaven nach Afrika war ein Projekt im Geiste der Aufklärung und der Philanthropie, das während des ersten Viertels des 19. Jahrhunderts noch prominente Fürsprecher hatte, doch danach an Bedeutung verlor. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts greift Harriet Beecher-Stowe das Liberia-Projekt auf und charakterisiert es als racistisch: Damit schlägt sie sozusagen zwei Fliegen mit einer Klappe, denn sie erkennt einerseits an, daß es in den Nordstaaten Racismus gibt, schreibt ihn jedoch gerade den aufklärerisch gesinnten Menschheitsfreunden zu; sie empfiehlt sich dadurch andererseits – als Anti-Racistin – den nicht-racistischen Gegnern des Liberia-Projektes, denen die Hautfarbe des Arbeiters gleichgültig ist, so lange sich dessen Arbeitskraft günstig erwerben läßt; denen schließt sich Harriet Beecher-Stowe an, indem sie die Befürworter des Liberia-Projektes als Verächter der schwarzen Race darstellt, denen sie wiederum den Satz in den Mund legt „,We don‘t want them here; let them go to Africa‘“;* der Grund dafür bestehe darin, daß man die Schwarzen verabscheue, „loathe[s]“**, deren bloße Berührung nicht ertrage.***
* Kap. 45 – Wir wollen sie hier nicht haben; laßt sie nach Afrika ziehen.
** Kap. 16, vgl. Kap. 20
*** „,I‘ve always had a prejudice against negroes,‘ said Miss Ophelia, ,and it‘s a fact, I never could bear to have that [black] child touch me…‘“, Kap. 25 – In der Übersetzung von 1852: „,Ich habe immer ein Vorurteil gegen Neger gehegt‘, sagte Miß Ophelia, ,und es ist Tatsache, ich konnte nie ausstehen, daß mich das [schwarze] Kind anrührte…‘“
Natürlich existierte in den us-amerikanischen Südstaaten eine Sklavenhaltergesellschaft, und natürlich gab es Racismus, doch den wiederum eher im Norden, wo der Puritanismus zu Hause war, und er richtete sich vor allem gegen Indianer, weniger gegen Schwarze, denn die gab es dort nur in geringer Zahl. Umgekehrt sah man, vereinfacht gesagt, im episcopalistischen Süden die Schwarzen nicht als racisch Minderwertige an, sondern als Angehörige eines niederen Standes, von dem sie aber als Freigelassene emanzipiert werden konnten; racisch begründet war die Sklaverei insofern, als die Versklavung nur [importierten unfreien] Schwarzen [samt deren Nachkommen] möglich war, und dazu mußte man bei Mischlingen unterschiedlichen Grades definieren, wer schwarz ist und wer nicht, wer als Sklave gehalten werden darf und wer nicht. Aus der Sklaverei Entlassene waren den Weißen zwar rechtlich nicht gleichgestellt, aber persönlich frei. Oft lebten sie weiterhin auf dem Grundbesitz ihrer früheren Herrschaft und arbeiteten zusammen mit den Sklaven, die materiell übrigens oft besser gestellt waren als die Lohnarbeiter des Nordens. So verwundert es nicht, daß es im Süden keinen Sklavenaufstand gab. Nicht einmal der „Fugitive Slave Act (1850)“ vermochte sie dazu zu reizen, obwohl er die Flucht in den Norden als das einzige Ventil, das den Schwarzen des Südens gegeben war, durch die Anordnung der Auslieferung auch noch zudrehte. – Will man es überspitzt formulieren, dann gab es im Norden keine Schwarzen und im Süden keinen Racismus; der entwickelte sich anscheinend erst später, nach dem Sezessionskrieg, wodurch sich die weißen Südstaatler einerseits an den Schwarzen als Ursache des – vorgeblich zur Abschaffung der Sklaverei geführten – Krieges und damit an den Verursachern der Niederlage rächen konnten, da die ehemaligen Sklaven ihnen immer noch zahlenmäßig nicht gewachsen waren, und zugleich vermochte man sich gegenüber dem Norden als der bessere, konsequentere Racist zu erweisen, um auch in dessen Augen zu bestehen.
Es geht der Autorin von „Uncle Tom‘s Cabin“ nicht etwa einfach um die Befreiung aller racisch Unterdrückten, sondern ganz speziell um die Emanzipation der Schwarzen. Über Indianer, z.B. solche aus den Nordstaaten, auch aus Ohio, die, obwohl sie dort unter Weißen aufgewachsen und getauft worden waren, unter Andrew Jackson in die Wildnis jenseits des Mississippi deportiert wurden, verliert Harriet Beecher-Stowe kein Wort! Indianer werden in „Uncle Tom‘s Cabin“ nur ein einziges mal erwähnt, und zwar in Kap 11 als fremdes Gegenstück zu den weißen Männern des Südens, die jemanden gefangen fortführen könnten, um ihm lebenslang die Freiheit zu nehmen.
Das Beispiel des Gnadenhutten-Massacre (1782) veranschauliche die puritanischen Wurzeln des anti-indianischen Racismus im Bereich der späteren Nordstaaten: Während non-calvinistische Missionare die Indianer für den christlichen Glauben zu gewinnen suchten,* betrachteten die Puritaner die Eingeborenen als fremdracige Feinde und sich als die ewig Erwählten. So geschah es während des Unabhängigkeitskrieges, daß wegen Nahrungsmangels etwa einhundert christliche Delaware-Indianer, Männer, Frauen und Kinder,** aus einer Siedlung der Herrenhuter Brüdergemeine in Ohio zu dem von ihnen wegen der Kriegshandlungen auf Geheiß der britischen Truppen verlassenen Ortschaft Gnadenhutten aufbrachen, um dort am Ende des Winters zu ernten, was vom letzten Herbst noch übrig geblieben sein mochte; ausgesandt hatte sie der Missionar, der die Ortschaft leitete, in der sie mittlerweile lebten. In Gnadenhutten wurden die Indianer von der Pennsylvania-Miliz aufgepürt, einer Truppe, die wegen der pazifistischen Einstellung zahlreicher Einwohner des aus William Penns Gründung hervorgegangenen Staates nicht aus Wehrpflichtigen bestand, sondern aus „substitutes“, d.h. angeworbenen Söldnern, die gegen Bezahlung an Stelle der Bürger deren Kriegsdienst übernahmen. Angeführt wurden sie von David Williamson***, dessen aus Schottland stammende Eltern zuerst nach Irland ausgewandert waren und dann nach West-Pennsylvanien; es dürfte sich bei ihnen um Presbyterianer gehandelt haben. David Williamson amtierte nach dem Ende des Unabhängikeitskrieges übrigens als Sheriff im heimatlichen Washington-County. Die von ihm 1782 geführte Miliz umstellte Gnadenhutten, trieb die unbewaffneten Indianer zusammen und sperrte sie ein, um über deren Schicksal zu beraten; man warf ihnen Überfälle in britischem Auftrag vor, zu denen diese Schar militärisch doch wohl kaum in der Lage gewesen wäre. Am nächsten Tage stand das Todesurteil fest: Man schlug allen Indianern den Schädel ein, Männern, Frauen und Kindern, nachdem diese allesamt die Nacht noch im Gebet verbracht hatten. – Da es sich bei den Getöteten – für jedermann offensichtlich – keineswegs um eine Schar von Kriegern handelte, kann ihre Ermordung kaum anders motiviert gewesen sein als dadurch, daß sie einer kollektiv der Täterschaft bezichtigten Volksgruppe angehörten.**** Dazu sei noch angemerkt, daß den christlichen Delaware-Indianern, zu denen die Erschlagenen gehörten, von den USA im Vertrag von Greeneville ein kleineres Territorium im Bereich des späteren Staates Ohio zugewiesen wurde (1795), was sie allerdings nicht vor der Deportation in das Gebiet westlich des Mississippi unter Präsident Jackson bewahrte (1829).
* Als Beispiel ist Roger Williams, der Gründer von Providence, oben in (3) bereits erwähnt worden.
** Ins Gesamt handelt es sich um 96 Personen.
*** geb. 1752, gest. 1814
**** Das Gnadenhutten-Massacre erinnert wohl nicht zufällig an dasjenige von My Lai (1968) während des us-amerikanischen Vietnamkrieges (1964 – 1973): Der dafür verantwortliche Offizier wurde zwar 1971 vor Gericht gestellt und verurteilt, aber bereits am nächsten Tage aus der Haft (in den Hausarrest) entlassen und nach einer Schamfrist von drei Jahren endgültig begnadigt. Auch im Falle My Lais ging es um den fremdracigen Feind, der sich zwar unterwerfen mag, mit dem es aber nie zu einer Aussöhnung kommen kann, weil sein Status als Feind ihm ebenso unablösbar anhaftet wie seine Race. Daher besteht die optimale Lösung darin, den Feind zu liquidieren; dazu bedarf es keiner Vergeltungsaktion o.ä., denn die bloße Existenz des Feindes ist Anlaß genug, ihn zu vernichten. Wenn so etwas mittels eines Massakers exemplarisch durchgeführt wird, erscheint dies nur folgerichtig, und den verantwortlichen Offizier zu bestrafen, wäre widersinnig: So wird auch klar, warum es in den USA eine breite Protestbewegung gegen die Verurteilung des für My Lai Verantwortlichen gab.
Man sieht also, daß der Racismus nicht bei allen US-Amerikanern gleich verbreitet war, sondern vornehmlich bei den Puritanern, doch diese setzten sich eben siegreich gegenüber anderen durch, zuletzt und entscheidend im Sezessionskrieg. – Anti-indianischer Racismus war für Harriet Beecher-Stowe offensichtlich kein Thema, das sie beschäftigte. Stattdessen übertrug – gewiß nicht nur – sie das Denkmuster des Racismus auf die in den Norden entflohenen Schwarzen und schrieb solchen anti-negroiden Racismus ausgerechnet denen zu, die nicht in puritanischer Tradition lebten, sondern sich der europäischen Aufklärung angeschlossen hatten und sich als Philanthropen zu bewähren suchten.
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